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Christi Himmelfahrt: Ein feuchtfröhlicher Feiertag.

© dpa/picture-alliance

Tradition des Vatertags: Als die Söhne saufen lernten

Männer, Wandern, Alkohol: Der Vatertag als wilde Sause wurde wohl von Berliner Brauern erfunden. Heute ist er längst auf dem Weg zum zivilen Familienfeiertag – und wird sogar ein bisschen politisch.

Das Thema lässt sich von Berlin aus nur mit einer gewissen Distanz beschreiben, denn es ist ein Berliner Thema. Die heutige Form des „Vatertagfeierns“, schreibt man bei Wikipedia also mit aller gebotenen Sachlichkeit, „ist Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin und Umgebung aufgekommen und erfreut sich bei Männern noch großer Beliebtheit.“ Bitte, das ist nun mal ein Urheberrecht, das uns niemand streitig macht, vermutlich auch gar nicht machen will.

Schauen wir die Definition weiter an: „Kernelement war die Einweihung der Jüngeren in die Sitten und Unsitten von Männlichkeit. Die (traditionell männlichen) Teilnehmer der Herrentagspartie machen dabei meist eine Wanderung oder eine gemeinsame Ausfahrt, bei der oftmals viel Alkohol konsumiert wird.“

Ha! Wieso jetzt plötzlich Herrentag? Diese Frage wird noch zu klären sein. Es bleibt aber die Vierfaltigkeit festzuhalten: Christi Himmelfahrt, Männer, Wanderung, Alkohol. Da der Alkohol aus Gründen der Verfügbarkeit gern von Anfang an mitgeführt wird, ist ferner ein sog. Bollerwagen notwendig; Radler benutzen stattdessen einen Anhänger.

Berlin ist Epizentrum der Bewegung

Alternativ und zur Sicherung der Rückkehr im zwangsläufig eingeschränkten Zustand empfiehlt sich der Einsatz eines möglichst langsamen Fahrzeugs für die ganze Gruppe, beispielsweise eines Kutschwagens, der gern auch mit Birkenzweigen oder ähnlichem Zierrat ausgerüstet wird, um den Missbrauch des gottgewollten Feiertags nach oben hin tarnend abzusichern.

Wir ahnen in dieser Ikonografie bereits das Aufkommen des Bierbikes, das die Idee des Vatertags aber radikal verwässert, indem es sie straßenverkehrstauglich, geschlechtsneutral und ganzjährig verfügbar macht.

Zurück zum Vatertag: Es ging den Erfindern, wie wir hörten, um die rituelle Einführung der Söhne ins sachgemäße Saufen – das gibt und gab es nur in Deutschland. Und Berlin als Epizentrum dieser Bewegung erklärt sich praktisch von selbst: Die unzähligen Brauer der wachsenden Metropole mussten sich Absatzmärkte schaffen und erfanden dafür offenbar eine Frühform der PR-Kampagne; ähnlich, wie später der Blumenhandel den Valentinstag für seine Zwecke instrumentalisierte.

Warum nun in Nord-, speziell aber Ostdeutschland der Begriff „Herrentag“ aufkam, lässt sich nur mutmaßen. Der praktische Grund: Auch Nicht-Väter wollten dabei sein beim rituellen Wegspechten der Biervorräte und sahen sich diskriminiert. Der ideologische: Zu DDR-Zeiten passte der „Herren“- oder auch „Männertag“ in schöner Symmetrie zum Frauentag, der ja den nazi-belasteten Muttertag aus politischen Gründen verdrängt hatte.

Zahlen der Schlägereien auf Höhepunkt

Politisch ist der deutsche Vatertag nun zweifellos nie gewesen. Es gibt nicht einmal den Ansatz einer Theorie, die ihn ja leicht als Ablenkungsmanöver zur Befriedung der ausgebeuteten Arbeiterklasse interpretieren könnte – nichts. Einfach nur Brauchtum. Über dessen Folgen es keine Unklarheit geben dürfte: Sowohl die Zahl der Schlägereien als auch die der alkoholbedingten Verkehrsunfälle erreicht an diesem Datum regelmäßig einen Höhepunkt – der Tag ist für die Polizei das Gleiche wie Silvester für die Feuerwehr.

Abgesehen von diesen leicht archaischen Phänomenen scheint sich der Vatertag in den letzten Jahrzehnten auch in Berlin in gleich zwei Richtungen an den Zeitgeist zu schmiegen – und damit, spät, doch noch zu politisieren. Einerseits ist er zum Familienausflugstag gewachsen, bei dem Frau und Kinder, im Konvoi radelnd, notfalls über den Betankungsgrad des Vaters wachen.

Wie feiert man nun achtsam und nachhaltig?

Andererseits soll er im Einklang mit internationalen Trends, beispielsweise in der Schweiz, ein Spiegelbild des Frauentags werden, ein Tag, an dem über höchst ernüchternde Fragen wie Väterrechte, väterliches Engagement und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf diskutiert wird. Allerdings verhindert die Zwangskopplung mit dem gesetzlichen Feiertag zuverlässig, dass zähe Symposien, Tagungen und Aktionen die gepflegte Sause ins Grüne gefährden.

Aber wie feiert man nun achtsam und nachhaltig? Der geschlechtsneutrale „Hechtsprung“ am Groß-Glienicker See dürfte aus Wettergründen kaum familientauglich sein. Aber die Experten von „Visit Berlin“ haben da was: Das Finale der Champions League der Frauen im JahnSportpark. Ein anständiges Bier wird sich dort sicher irgendwie auftreiben lassen.

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