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Murad Atajew.

© R/D

Umstrittener Imam aus Berlin-Moabit: "Ich bin nur ein islamischer Aktivist"

Angeblich ist er ein Informationsaggregator des "Islamischen Staats" - der Imam aus Moabit. Oder doch nicht? Nein, meint er, er sei nicht richtig zitiert worden. Ein Besuch.

Das Gotteshaus sitzt im Erdgeschoss eines Moabiter Wohnhauses, ironischerweise direkt gegenüber einer Polizeidienststelle. Hier also soll Murad Atajew tätig sein, der Imam aus der Kaukasusrepublik Dagestan, der sich in einem langen Interview als Propagandist des Islamischen Staats (IS) geoutet hat.

Auf ein Klopfen hin wird die Tür geöffnet, drinnen sind ein paar russischsprachige Muslime versammelt, darunter Atajew. Der Imam ist ein kleiner, rundlicher Mann um die 30, er trägt einen dunklen Kinnbart. In ausgesucht freundlichem Russisch bestätigt er, das Interview gegeben zu haben. Ist das wirklich derselbe Mann, der gegenüber „Meduza“ Hinrichtungen von Journalisten und Homosexuellen verteidigt, für die Zerstörung historischer Kulturgüter plädiert und sich selbst als „Informationsaggregator des IS“ bezeichnet hat?

Nein, sagt Atajew. Er sei nicht richtig zitiert worden, lediglich als „islamischen Aktivisten“ habe er sich im Gespräch bezeichnet, natürlich habe er keine Funktion beim IS. Betrifft das auch seine anderen Aussagen, etwa zu Hinrichtungen? „Teilweise“, antwortet Atajew. Im Übrigen habe er das Gespräch mitgeschnitten und sei bereit, es Punkt für Punkt durchzugehen, nur bitte bei anderer Gelegenheit, er sei gerade bei den Gebetsvorbereitungen. Nur zum angeblichen Zweck des Interviews will er noch etwas sagen, bevor sich die Tür der Moschee wieder schließt: „Russland will den Eindruck erwecken, dass in Deutschland Terroristen gedeckt werden, um davon abzulenken, dass Russland Terroristen in der Ukraine deckt.“

Das Magazin bestätigt die Korrektheit der Zitate

Das allerdings ist wenig plausibel, da „Meduza“ alles andere als ein staatliches Propagandamedium ist. Das kremlkritische Magazin wird seit Oktober 2014 von exilrussischen Oppositionellen im lettischen Riga betrieben. Daniil Turowskij, der Autor des Atajew-Interviews, bestätigte dem Tagesspiegel die Korrektheit der Zitate. Turowskij berichtet für „Meduza“ schwerpunktmäßig über russischsprachige IS-Sympathisanten, unter denen Atajews Werbebotschaften in sozialen Netzwerken populär seien. „Er erklärt dort, wie der IS aufgebaut ist, was Kämpfer erwartet, wie man hinkommt, ob man Waffen vor Ort bekommt oder eigene mitbringen soll.“ Dass Atajew realen Einfluss innerhalb der IS-Strukturen hat, glaubt der Journalist hingegen nicht. „Seine Autorität beschränkt sich auf das Internet.“

Anfang des Jahres, nach einer polizeilichen Durchsuchung der Moabiter Moschee, zitierte die „Bild“ Murad Atajew noch so: „Extreme Themen besprechen wir hier nicht. Wir haben keine Sympathie für den IS.“ Die Durchsuchung fand am 16. Januar 2015 im Rahmen eines Einsatzes gegen eine Gruppe mutmaßlicher Terrorhelfer statt. Der mutmaßliche Chef der Bande Ismet D. und sein Finanzier Emin F. wurden festgenommen und sitzen (in Ismet D.s Fall mit Unterbrechung) in Untersuchungshaft. Murad Atajew war nicht festgenommen worden – er wird aber von den Sicherheitsbehörden beobachtet und gilt als gewaltbereiter Salafist. Der Polizeiliche Staatsschutz prüft nun das „Meduza“-Interview.

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