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Berlin: V-Mann-Affäre: Neuer Verdacht gegen Verfassungsschutz

Hat ein leitender Beamter beim Verrat der Razzia gegen Neonazis die Finger im Spiel?

Von Frank Jansen

Potsdam. Brandenburgs Verfassungsschutz ist offenbar tiefer in den Verrat einer Polizeirazzia durch einen V-Mann im Februar 2001 verstrickt, als bislang zugegeben. In Sicherheitskreisen heißt es, ein leitender Beamter habe dem V-Mann-Führer mit dem Decknamen „Max“ das genaue Datum der geplanten Razzia gegen Neonazis mitgeteilt und ihm aufgetragen, den rechtsextremen Spitzel Christian K. zu warnen. „Max“ gab dann den Termin der Durchsuchungen an K. weiter, woraufhin dieser einen Neonazi-Anführer informierte. Das Innenministerium hat bisher verneint, in den Verrat der Razzia könnten außer dem V-Mann-Führer weitere Verfassungsschützer verwickelt sein.

Noch richtet sich die geballte Kritik nur gegen „Max“, der inzwischen in einer anderen Abteilung des Ministeriums tätig ist. Der V-Mann-Führer hatte, wie berichtet, in sechs dienstlichen Erklärungen behauptet, er habe dem Spitzel Christian K. das Datum der geplanten Razzia gar nicht genannt. Als die Staatsanwaltschaft Potsdam in diesem Sommer „Max“ zu dem Verrat der Razzia befragte, sagte der einstige V-Mann-Führer aus, er habe in den dienstlichen Erklärungen gelogen. Das Innenministerium leitete dann ein Disziplinarverfahren gegen „Max“ ein. Bei der Staatsanwaltschaft hat „Max“ nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch berichtet, sein Vorgesetzter im Verfassungsschutz habe ihm das Datum der Razzia genannt und ihn zu der Warnung an Christian K. aufgefordert. Die Staatsanwaltschaft Potsdam wollte sich gestern zu dem Vorgang nicht äußern, denn die Fragen des Tagesspiegels hätten „keine strafrechtliche Relevanz“. Das Innenministerium sah sich noch nicht in der Lage, eine Stellungnahme abzugeben.

Die Potsdamer Polizei hatte, wie berichtet, für den 17. Februar 2001 eine Razzia gegen die rechte Szene geplant. Christian K. rief am 6. Februar bei dem Neonazi Sven S. an und gab den Termin weiter. Das Landeskriminalamt hörte das Gespräch ab, die Polizei zog die Durchsuchungen hektisch auf den 7. Februar vor. Doch die Hoffnung der Polizei, Hinweise auf die Terrorgruppe „Nationale Bewegung“ zu entdeckten, erfüllte sich nicht. Erst im Mai 2003 wurde die Affäre bekannt. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Vor knapp zwei Wochen wurde Christian K. wegen Geheimnisverrats zu fünf Monaten Haft verurteilt, die Strafe jedoch zur Bewährung ausgesetzt.

Sicherheitsexperten vermuten schon lange, der Verfassungsschutz habe bei dem Verrat der Razzia und auch bei den immer noch erfolglosen Ermittlungen gegen die „Nationale Bewegung“ eine dubiose Rolle gespielt. Generalbundesanwalt Kay Nehm, der das Verfahren gegen die Terrorgruppe im Januar 2001 an sich zog, kann bis heute keinen einzigen Tatverdächtigen präsentieren.

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