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Verdacht auf Abrechnungsbetrug: Razzia in Berliner Arztpraxen

Wieder geraten Mediziner in den Verdacht des Abrechnungsbetruges. Die Vorwürfe wiegen schwer, offenbar war der Betrug gewerbsmäßig organisiert.

Erneut hat es in Berlin eine Razzia in Arztpraxen gegeben. Auch in diesem Fall wird wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Abrechnungsbetruges ermittelt. Zuletzt hatten Beamte ähnliche Vorwürfe in Häusern der Klinikketten Vivantes, Helios und der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) geprüft. Der Staatsanwaltschaft zufolge sind am Mittwoch auch Privatwohnungen durchsucht worden, die Polizei war mit mehr als 70 Beamten bei insgesamt 22 Adressen in Berlin, Sachsen-Anhalt und Brandenburg im Einsatz. Wo genau, teilte die Behörde vorerst nicht mit. Betroffen ist nach Tagesspiegel-Informationen vor allem ein Medizinisches Versorgungszentrum in Charlottenburg.

Solche Zentren sind wie Großpraxen organisiert, in denen nicht nur niedergelassene, freiberufliche Ärzte sondern auch angestellte Mediziner arbeiten. Die aktuell Beschuldigten sind die drei Gesellschafter des betroffenen MVZ, zwei von ihnen wurden am Mittwoch festgenommen. Bis zum heutigen Donnerstag soll ein Ermittlungsrichter über eine etwaige Untersuchungshaft entscheiden. Der dritte Beschuldigte soll sich den Tätigkeiten der beiden Orthopäden erst später angeschlossen haben, hieß es. Womöglich besteht bei ihm keine Flucht- oder Verdunklungsgefahr. Das MVZ-Vermögen von mehr als 630 000 Euro und zahlreiche Unterlagen wurden beschlagnahmt.

Die beschuldigten Fachärzte sollen Patienten für Untersuchungen mit Magnetresonanztomografen (MRT) an eine Einrichtung überwiesen haben, in der kein Mediziner tätig gewesen sein soll. Dies sehen Gesetz und Standesrecht jedoch vor. „Ohne Arzt wäre die Untersuchung keine vollständige Leistungserbringung“, sagte Uwe Kraffel, Berliner Vize-Chef der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Mediziner könnten so Honorare erschwindelt haben.

Der Staatsanwaltschaft zufolge soll die entstandenen Röntgenbilder ein mit den MVZ-Gesellschaftern bekannter Radiologe ohne Kontakt zum Patienten ausgewertet haben. Die Verdächtigen hätten demnach den Abrechnungsvorschriften zuwider je nach Fall zwischen 280 und 650 Euro gegenüber den Patienten veranschlagt. Davon soll die MRT-Einrichtung jeweils 138 Euro bekommen haben. Inwiefern sich die Mitarbeiter dort unzulässig verhalten haben, war am Mittwoch nicht in Erfahrung zu bringen. Der Radiologe bekam laut Staatsanwaltschaft 30 Euro für jeden Befund.

Immer wieder hatte es Razzien in Berliner Praxen, Kliniken und MVZ gegeben. Falsche Abrechnungen sind im Gesundheitswesen keine Seltenheit, zumal die medizinische Versorgung stark reglementiert ist. Anders als bei den Ermittlungen gegen MVZ-Ärzte von Kliniken wird in diesem Fall jedoch von einer individuellen Bereicherung ausgegangen: Wenn große Krankenhäuser im ambulanten Geschäft mitmischen wollen, haben sie zuweilen Assistenzärzte aus ihren Kliniken in angeschlossenen MVZ arbeiten lassen. Dort dürfen jedoch nur Behandlungen abgerechnet werden, wenn sie von Medizinern mit einer KV-Zulassung erbracht werden.

Kürzlich waren wegen solcher Vorwürfe Häuser der landeseigenen Vivantes-Kliniken durchsucht worden, 2011 das Krankenhaus von Helios in Buch. Ein Jahr zuvor hatten Ermittler in drei Berliner DRK-Kliniken umfangreiches Material beschlagnahmt. Demnächst könnte gegen drei Ex-DRK-Mitarbeiter die Verhandlung beginnen.

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