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Verkehr in Berlin: Die Deutsche Bahn betreibt auch künftig die Ringbahn

Der letzte Konkurrent der Deutschen Bahn zieht seine Bewerbung um die S-Bahn zurück. Gegen den Senat werden jetzt schwere Vorwürfe laut – am Ende könnte er draufzahlen.

Berlin - Jetzt ist es nur noch einer. Die Ausschreibung des S-Bahn-Betriebs auf dem Ring und seinen südöstlichen Zulaufstrecken ist nach Tagesspiegel-Informationen gescheitert. Auch der letzte Bewerber neben der Deutschen Bahn, National Express aus Großbritannien, hat sich aus dem Wettbewerb zurückgezogen. Zuvor hatten bereits andere namhafte Unternehmen aufgegeben. Damit kann der Senat nur noch mit der Deutschen Bahn den künftigen Betrieb aushandeln. Die Hoffnung, durch eine Vergabe im Wettbewerb zu günstigeren Preisen zu kommen, hat sich damit nicht erfüllt. Der Senat wollte dazu am Dienstag nichts sagen. Und der Geschäftsführer von National Express in Deutschland, Tobias Richter, teilte nur mit, nach den Ausschreibungsvorgaben dürfe er sich nicht äußern.

Sein Unternehmen hat nach Tagesspiegel-Informationen in Schreiben an den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), an die Fahrzeug-Industrie sowie an Banken vor wenigen Tagen den Rückzug mitgeteilt. Insider vermuten, dass das gesamte Verfahren so angelegt war, dass am Ende nur die Deutsche Bahn mit ihrem Tochterunternehmen S-Bahn Berlin als Betreiber übrig bleibt. Zuvor hatten bereits MTR aus Hongkong und das französische Nahverkehrsunternehmen RATP das Handtuch geworfen. Dabei hatten die Franzosen noch angekündigt, Berlin als Sprungbrett für den Markteintritt in Deutschland nutzen zu wollen.

Größtes Hindernis für Wettbewerber war die Vorgabe des Senats, dass der künftige Betreiber auf eigene Kosten rund 200 Doppelwagen anschaffen muss – mit voraussichtlichen Investitionskosten in Höhe von rund 800 Millionen Euro. Diese Summe holt sich der Betreiber zwar wieder über den Verkehrsvertrag mit dem Land zurück, trotzdem ist es schwer, dafür finanzierende Banken zu finden. Diese wollen kein Risiko eingehen. Als sicher eingestuft ist dagegen ein Kauf durch die Deutsche Bahn. Auch die meisten der zuletzt beschafften 500 Doppelwagen der Baureihe 481 waren vom Konzern finanziert worden. 100 Doppelwagen hatte sogar der Bund bezahlt.

Fahrzeuge auf eigene Rechnung anzuschaffen und dem Betreiber dann zu vermieten, hatte der Senat abgelehnt. Niedersachsen macht dies seit Jahren so. „Wer die Fahrzeuge hat, hat auch die Macht“, sagt Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb, der sich dafür eingesetzt hatte, Fahrzeuge durch das Land zu finanzieren.

Zudem hätten ständige Änderungen bei den Vorgaben die Ausschreibung erschwert, heißt es. Über tausend solche „Bieterinformationen“ soll es gegeben haben. Bei den ausländischen Bewerbern mussten alle Unterlagen übersetzt werden – mit teuren Dolmetscherdiensten. Ein Hin und Her gab es unter anderem bei der Frage, ob die verlangten neuen Fahrzeuge Schiebetritte an den Türen erhalten, die den Spalt zwischen Bahnsteig und Fahrzeugboden überbrücken. Ganz unerfüllbar war der Wunsch, dass der Lack 40 Jahre halten sollte. Und der Entschluss des Senats, in den neuen Zügen eine Klimaanlage einzubauen, hatte sich ebenfalls hingezogen. Ob die Stromversorgung dafür ausreicht, sei aber noch gar nicht geprüft worden, sagte ein Fachmann. Die Klimaanlage soll ein Drittel der gelieferten Energie verbrauchen.

Weil der Senat zudem die Ausschreibung erst mit einer jahrelangen Verspätung auf den Weg gebracht hat, kann die Industrie zur vorgesehenen Betriebsübergabe Ende 2017 keine neuen Fahrzeuge liefern. Deshalb soll die S-Bahn zumindest bis 2023 weiter auf dem Ring fahren – mit ihren alten Fahrzeugen, die dafür für mindestens 100 Millionen Euro aufgepäppelt werden müssen. Auch hier hatten Wettbewerber keine Chance. Sie hatten vergeblich gefordert, dass der Senat die 150 alten Doppelwagen der Baureihen 480 und 485 zum Schrottpreis kauft und anschließend einem Betreiber – gegen Entgelt – überlässt.

Der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Ole Kreins, bestätigte, dass es in der Politik durchaus den Wunsch gebe, die Deutsche Bahn weiter in Berlin fahren zu lassen. Den Betrieb einem kommunalen Unternehmen, etwa der BVG, zu übertragen, sei auch nach dem Rückzug von National Express nicht erforderlich.

Meinung, Seite 6

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