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Ein Bahnmitarbeiter inspiziert am Dienstag die Gleise der Ringbahn.

© dapd

Winterchaos: Bahn schlägt Gewinn aus S-Bahn-Chaos

Trotz massenweiser Weichenausfälle in den vergangenen Tagen kassiert die Bahn von der S-Bahn auch noch Geld für das Abstellen der Züge. Auch in anderen Bereichen werden Mittel aus der S-Bahn herausgezogen - kritische Stimmen im Unternehmen sind unerwünscht.

Die Bahn ist erfinderisch. Jetzt muss die S-Bahn nach Tagesspiegel-Informationen auch Geld für das Abstellen von Zügen auf den Gleisen zahlen. Empfänger ist der Bereich Netz des Bahnkonzerns, der derzeit sein Metier nicht im Griff hat und zulassen musste, dass beim jüngsten Schneefall massenweise Weichen eingefroren waren, was bis auf Weiteres zu erheblichen Zugausfällen bei der S-Bahn führt. Die Bahn bestätigte auf Anfrage die neue Zahlungsform.

Auf die Idee, konzernintern auch für das Abstellen der Züge zu kassieren, ist das Unternehmen dem Vernehmen nach gekommen, nachdem der Senat Anfang des Jahres offiziell mitgeteilt hatte, die Ausschreibung des S-Bahn-Betriebs europaweit vorzubereiten. Und von möglichen Konkurrenten auf der Schiene soll so viel Geld abgezwackt werden, wie es nur geht. Dem Vernehmen nach handelt es sich bei den Abstellgebühren mindestens um einen einstelligen Millionenbetrag. Private Unternehmen müssen schon heute zahlen, wenn sie ihre Züge auf Gleisen des Bahnkonzerns abstellen. Die Preise dabei sind unterschiedlich.

Bisher war bei der S-Bahn das Abstellen der Züge in den Trassenpreisen enthalten, die die S-Bahn an den Bereich Netz bezahlen muss. Diese Preise sollen jedoch nun nicht fallen, sondern bleiben unverändert; die neuen Abstellgebühren, intern als „Anlagenpreissystem (APS)“ bezeichnet, werden nun einfach draufgeschlagen.

Treffen würde der Bahnkonzern hier auch die Landeskasse, falls der Senat, wie von der SPD und den Linken gewünscht, die S-Bahn in Zukunft unter der Regie der BVG fahren ließe. Für die Gleise und Bahnhöfe bliebe nach derzeitigem Stand auch dann der Bahnkonzern zuständig (siehe Artikel links). Dann müsste die BVG – oder ein neues Tochterunternehmen – die Abstellpreise entrichten.

Doch selbst wenn die S-Bahn weiter von der Bahn AG betrieben werden sollte, würde der Konzern von den Abstellpreisen profitieren. Überweist die S-Bahn auch dafür Geld, führt dies dazu, dass sich der in der Bilanz ausgewiesene Gewinn verringert. Damit würde der Konzern die Kritik, er presse sein Tochterunternehmen heftiger aus als eine Zitrone, etwas dämpfen. Bis zur großen Krise, die vor eineinhalb Jahren begann, holte sich der Konzern Millionengewinne bei der S-Bahn ab. Satte 125 Millionen Euro waren einst dafür für das Jahr 2010 in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen.

Und obwohl die S-Bahn derzeit Verluste einfährt – 2009 lag der Fehlbetrag laut Geschäftsbericht bei 92,875 Millionen Euro – plant der Konzern nach Tagesspiegel-Informationen längst wieder mit Gewinnen in den kommenden Jahren, finanziert zum großen Teil aus den Zuschüssen des Landes, die im Verkehrsvertrag festgelegt sind. Zahlt die S-Bahn vorher aber die Abstellgebühren, würde sich zwar der ausgewiesene Gewinn verringern, kassieren würde der Konzern aber trotzdem.

Im Unternehmen beklagt man sich, dass das Bundesverkehrsministerium unter Führung von Peter Ramsauer (CSU) zulässt, dass der Bahnkonzern intern die Millionenbeträge nur so hin- und herschieben kann. Eingegriffen hat bisher noch kein Verkehrsminister, egal, wie er hieß. Abhilfe würde es nur geben, wenn der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag, den die S-Bahn mit dem Konzern abschließen musste, aufgehoben würde. Daran denkt der Konzern aber überhaupt nicht.

Auch in anderen Bereichen ist es üblich, Geld aus der S-Bahn herauszuziehen. So soll die S-Bahn zum Beispiel auch für das Reinigen der Züge durch eine konzerneigene Gesellschaft höhere Preise zahlen müssen als marktüblich sind. Auch bei den Trassen- und Stationspreisen greift der Konzern kräftig zu. Im vergangenen Jahr zahlte die S-Bahn hierfür mehr als 250 Millionen Euro.

Nach Tagesspiegel-Informationen ist hier unter anderem geplant, die Gebühren für das Halten von Zügen im Bahnhof Friedrichstraße drastisch zu erhöhen – auf das Niveau des Hauptbahnhofs. Dort muss die S-Bahn derzeit laut Preisliste des Konzerns für jeden Stopp 43,79 Euro zahlen, während für den Halt an der Friedrichstraße derzeit lediglich 7,04 Euro berechnet werden.

Sauer ist man bei der S-Bahn, wo sich offiziell niemand dazu äußert, auch, weil die Bereiche Station und Service sowie Netz, an die man die Millionenbeträge abdrücken muss, das Geld nicht dazu verwenden, wieder zu investieren. Der Konzern finanziert damit unter anderem auch seine Firmenzukäufe – wie zuletzt bei dem englischen Unternehmen Arriva. Unter der Hand wirft man bei der S-Bahn dem Bereich Netz vor, die Wartung seiner Anlagen sträflich vernachlässigt zu haben, was auch zu dem massenweisen Ausfall der Weichen beim jüngsten Schneefall beigetragen habe.

Auf kritische Stimmen im Unternehmen wird nicht gehört. So musste nach Tagesspiegel-Informationen im vergangenen Jahr ein leitender Mitarbeiter den Hut nehmen, weil er die Sparvorgaben für nicht erfüllbar hielt, ohne den Betrieb einzuschränken. Wie recht er hatte, spüren die Fahrgäste jetzt.

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