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Mobilität: Berliner fahren weniger Auto

In keiner anderen deutschen Stadt nimmt der Pkw-Verkehr schneller ab: Die Berliner steigen um - auf Bus und Bahn. Und auch das Fahrrad wird immer beliebter.

Berlin schreibt wieder Rekorde: 317 Fahrzeuge auf 1000 Einwohner, so wenige sind es nirgendwo sonst in Deutschland. Das ist ganz im Sinne der Stadtplaner. Denn der Senat treibt diese Entwicklung durch die „Zivilisierung der Straßen“ weiter voran: Fahrzeuge sollen langsamer fahren und Platz lassen für Fahrräder und Fußgänger. Außerdem sollen die Berliner öfter auf den öffentlichen Personennahverkehr umsteigen.

Die Rechnung geht auf: Die Zahl der Fahrgäste bei der S-Bahn stieg bereits im vergangenen Jahr um 4,8 Prozent auf 388,1 Millionen. Dafür ging der Autoverkehr seit 2002 um rund zehn Prozent zurück. Damit ist Berlin die einzige Stadt Deutschlands, in der der motorisierte Individualverkehr stetig sinkt. Bei der BVG gab es eine Zunahme um etwa ein Prozent im Vorjahresvergleich. Allerdings hatten die Mitarbeiter dort auch wochenlang gestreikt. In den ersten Monaten dieses Jahres registrierte die BVG nach Angaben ihrer Sprecherin Petra Reetz sogar sechs bis sieben Prozent mehr Fahrgäste. Dabei seien die zusätzlichen Fahrgäste durch den Streik bei der S-Bahn bereits herausgerechnet. Und die S-Bahn zählte trotz Streiks ebenfalls 4,4 Prozent mehr Kunden als im Vorjahr.

Auch auf das Fahrrad steigen immer mehr Berliner Autofahrer ganz oder tageweise um. Friedemann Kunst von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hält für das Fahrrad auf der „nach oben offenen Richterskala“ sogar einen Anteil von 20 Prozent am Verkehr in der Stadt für möglich – zurzeit sind es 15 Prozent. Der Berliner Stadtplaner will diesen Trend nicht zuletzt durch „etwas Abschreckung“ verstärken: Eines der Mittel ist die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, die Autofahrten in die Stadt teurer macht. Einen Bann will Kunst aber nicht aufs Auto legen. Der Abteilungsleiter spricht vielmehr davon, Straßen „zivilisierter“ zu machen, indem das Tempo verlangsamt und die Zahl der Fahrbahnen verringert wird. Schon heute gebe es in 73 Prozent aller Straßen Tempo- 30-Zonen. „Und da klappt das Miteinander von Rad, Auto und Fußgängern“, sagt Kunst.

An der Technischen Universität Berlin wird der Rückgang des Autoverkehrs unter anderem mit der Bevölkerungsentwicklung erklärt: „Es gibt mehr ältere Menschen, und die fahren weniger Auto“, sagt Thomas Richter. Und die Jüngeren stiegen häufiger aufs Fahrrad oder nutzten die BVG, schon aus Kostengründen: Als Auszubildende und Studenten erhalten sie vergünstigte Fahrscheine. Die Berliner Verkehrspolitik befördert diese Entwicklung durch den Ausbau von Radwegen, die Einrichtung von Busspuren.

Fritz Felgentreu, der Neuköllner SPD-Kandidat für die nächste Bundestagswahl, forderte zur Stärkung dieser Entwicklung sogar die Sperrung der vierspurigen Karl-Marx-Straße in seinem Wahlkreis.

„Auch immer mehr ältere Leute steigen aufs Rad um“, sagt Sarah Stark, Landesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs. Die Zunahme des Fahrradverkehrs stadtweit um etwa fünf Prozent täusche aber, denn in innerstädtischen Quartieren wachse die Zahl der Umsteiger rasant: In Mitte würden 30 Prozent mehr Menschen als vor acht Jahren aufs Fahrrad steigen. Das liege auch daran, dass Berliner Kiezpflanzen sind: Wohnen, Einkaufen, Abhängen – das macht man meistens im eigenen Quartier. Wer am Kollwitzplatz wohnt, fährt allenfalls bis zum Alex, und auch nur, wenn größere Anschaffungen anstehen. Aber auch dieser Weg ist mit dem Fahrrad gut zu bewältigen. Die Vorsitzende des Fahrradclubs glaubt natürlich auch, dass das Potenzial des Verkehrsmittels nicht ausgereizt ist: „Die meisten Wege der Berliner betragen drei bis fünf Kilometer“, sagt sie. Das seien ideale Radstrecken, weil man mit dem Auto nicht schneller ankomme – und die Parkplatzsuche dann erst beginne.

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