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Straßenbau: Das große Buddeln

Auf Berlins Straßen wird derzeit viel gebaut – der Lärm ist dabei nicht die einzige Unannehmlichkeit. Zahlreiche Anlieger müssen sich auch noch an den Kosten beteiligen. Welche Baustelle nervt Sie am meisten? Diskutieren Sie mit!

Offene Baugruben auf den Bürgersteigen, Bagger auf den Straßen – überall in Berlin wird derzeit kräftig gebuddelt. Das bringt für die Anwohner viel Lärm und für den Verkehr viele Einschränkungen mit sich. Und einige Anlieger müssen überdies mit Beiträgen zu den Baukosten rechnen. Sie können daran nach dem Straßenausbaubeitragsgesetz mit vier- bis fünfstelligen Beträgen beteiligt werden.

Nach Angaben der Bezirksämter beruht der Bauboom nicht auf einem Nachschlag der Finanzverwaltung, sondern schlicht auf Zufällen. Die betreffen Mitte besonders heftig: Bei den zahllosen Baustellen im Bezirk sind auch 46 Beteiligungsverfahren für Anlieger angelaufen, sagt der Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes, Harald Büttner. In der Monbijoustraße, wo einige Dutzend Anlieger betroffen sind, wird beispielsweise die Fahrbahn erneuert. Die größten geplanten Bauvorhaben sind der Leuschner- und der Legiendamm.

Nachdem Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) den umstrittenen Kanalbau in der Lötzener Allee (Westend), wie berichtet, gestoppt hat, werden in Charlottenburg-Wilmersdorf bisher nur die Anlieger der Westfälischen Straße zur Kasse gebeten. Dort werden seit dem Sommer die aus den 50er Jahren stammenden Fahrbahnen, Rad- und Gehwege erneuert. Um die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten, wird in mehreren Abschnitten gebaut. Größter betroffener Anlieger ist die BVG mit ihrem Busbetriebshof. Proteste von Anwohnern hat es hier im Gegensatz zu anderen Bezirken nicht gegeben, sagt Gröhler.

Anders in Steglitz-Zehlendorf, wo sein Kollege Uwe Stäglin (SPD) nach Protesten von Bürgern und einem Stopp durch die BVV jetzt bis Anfang des kommenden Jahres nach Ausbaualternativen suchen muss. In Mitte rechnet Harald Büttner in Zukunft nicht nur mit Widersprüchen, sondern auch mit Gerichtsverfahren. Beispielsweise dann, wenn Anwohner die Auffassung vertreten, dass bei einer rechtzeitigen Reparatur größere Schäden, die eine Erneuerung notwendig machen, vermieden worden wären. Nach dem Gesetz dürfen die Anlieger nämlich nur an Neubauten, nicht aber an Instandsetzungsmaßnahmen beteiligt werden.

Massive Proteste gibt es bereits am Kirchhainer Damm in Lichtenrade, wo die Besitzer der anliegenden Einfamilienhäuser obendrein noch für die Straßenverbreiterung benötigte Grundstücksteile an das Land Berlin verkaufen müssen. Nach Berechnungen von Anwohnern und einer von ihnen gegründeten Bürgerinitiative kommen auf einzelne Grundstückseigentümer Beteiligungssummen von mehr als 30 000 Euro zu. Allerdings gibt es keine konkreten Berechnungen zu den Kosten. Da es sich um eine EU-geförderte Baumaßnahme handelt, können aber lediglich zehn Prozent der Kosten auf die Anlieger verteilt werden, sagt der Baustadtrat von Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schworck (SPD).

Auch Pankows Ordnungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/ Grüne) weist Berichte über horrende Summen bei der Anliegerbeteiligung zurück. Die 143 000 Euro für ein Grundstück an der Pasewalker Straße würden sich auf 50 dort entstehende Einfamilienhäuser verteilen, 114 000 Euro seien für ein mehr als 10 000 Quadratmeter großes Gewerbegrundstück fällig. Und auf dem befänden sich unter anderem je ein Bau- und ein Supermarkt sowie ein Fitnesscenter. Die Behauptung einer Bürger iniative, dass eine Gärtnerei an der Malchower Straße 74 000 Euro zahlen müsse, wurde vom Inhaber dementiert.

Doch nicht bei allen Bauarbeiten in der Stadt müssen Anlieger mit einer Beteiligung an den Kosten rechnen. Denn bei den meisten der aktuellen Straßenbaustellen handelt es sich um Instandsetzungsarbeiten. Alt-Blankenburg zum Beispiel ist die letzte Straße, die jetzt noch aus Sondermitteln der Senatsverwaltung saniert wird. Das Projekt hat sich wegen problematischer Abstimmungen mit den Wasserbetrieben zwei Jahre verzögert, sagt Stadtrat Kirchner.

In Reinickendorf wird der Bau des Radweges in Alt-Reinickendorf aus einem Radwegeprogramm des Senats bezahlt. In Steglitz-Zehlendorf wird die Anlage eines Zebrastreifens an der Onkel-Tom-/ Ecke Riemeisterstraße aus einem Fußgängerprogramm der Stadtentwicklungsverwaltung gefördert. Den Ausbau der Harry-S.-Truman-Allee neben der ehemaligen McNair-Kaserne in Lichterfelde hat nach der Insolvenz des Bauträgers eine Bankbürgschaft möglich gemacht. In Treptow-Köpenick wurden jetzt die Bundesmittel aus der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Ausbau des Glienicker Weges bewilligt. „Dafür haben wir vier Jahre gekämpft“, sagt Tiefbauamtsleiter Houssein Abo-Bakr.

Die Sanierung des Magistratswegs in Spandau, die Fahrbahnerneuerung in der Hannoverschen- und der Rungestraße in Mitte oder der Friedrich-Engels-Straße in Pankow sind bereits seit langem geplante Arbeiten. Projekte wie die Fahrbahnerneuerung in der Bernauer Straße (Reinickendorf) und die Sanierung der U-Bahn-Tunneldecken am Kaiserdamm werden zudem auch weiterhin für Engpässe sorgen.

Gebuddelt wird auch rund um den Oranienplatz in Kreuzberg, wo Vattenfall eine neue Fernwärmeleitung verlegt. Ladenbesitzer beklagen, dass dabei Zugänge zu ihren Geschäften nicht berücksichtigt worden seien. Dem entgegnet ein Sprecher des Energieversorgers, grundsätzlich sei man bemüht, alle Zugänge zu erhalten. Nur wenn ausgerechnet vor einer Ladentür zwei Rohre miteinander verbunden werden müssten, könne dies dort vorübergehend nicht sichergestellt werden.

Rainer W. During

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