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Die Berliner S-Bahn hat keinen guten Ruf.

© dpa

Treffen der S-Bahn-Fans: Kaum Kritik, viele Anregungen beim Fahrgastsprechtag

Peter Buchner hat einen undankbaren Job. Er ist Geschäftsführer der Berliner S-Bahn. Einmal im Jahr stellt er sich beim "Fahrgastsprechtag" der Diskussion. Doch die fällt weniger kritisch aus, als man erwarten würde.

Peter Buchner sagt, er wolle nicht so viel von der kostbaren Zeit vergeuden, schließlich „liegt mir die Diskussionen mit Ihnen allen besonders am Herzen“. Er fasst sich also kurz bei seinem Referat über die Wirbelstrom-Überprüfung der 18-mm-Radstege, die mobile Besandung und die Tücken des Flugschnees. Alles hübsch illustriert mit Powerpoint-Folien, auf die auch  Thilo Sarrazin neidisch wäre. Kein einziger Zwischenruf unterbricht seinen Vortrag, und als er nach gerade einer Stunde fertig ist,  gibt es lang anhaltenden Applaus. Das ist so selbstverständlich nicht, denn der Mann hat einen undankbaren Job. Peter Buchner ist Geschäftsführer der Berliner S-Bahn, und im Publikum sitzen seine vermeintlich schärfsten Kritiker.

Der Fahrgastverband IGEB hat am Mittwochabend zum „Fahrgastsprechtag S-Bahn“ geladen. Getagt wird in der Kantine der Deutschen Bahn in Mitte, ungefähr dort, wo mal der in den Fünfziger Jahren gesprengte Stettiner Bahnhof stand. Ein mystischer Ort für die Berliner Bahnfans, sie nennen sich in einem Anflug von Selbstironie auch SBT. Stoffbeutelträger. Routiniert klauben sie Thermoskannen und Colaflaschen aus ihren Stoffbeuteln. Kann ein wenig länger dauern heute Abend. Die Kantine ist so gut gefüllt wie morgens ein Ringbahnzug zwischen Ostkreuz und Frankfurter Allee am Montagmorgen. IGEB-Chef Christfried Tschepe begrüßt die lieben Freunde und gibt das Mikrofon weiter an Herrn Buchner von der S-Bahn, „ihn muss ich ja nicht weiter vorstellen“. Zustimmendes Gemurmel. Man kennt sich.

Bildergalerie: S-Bahn entgleist

Die S-Bahn genießt über die Grenzen der Stadt nicht den allerbesten Ruf. Verspätungen, Entgleisungen, Fahrzeugmangel, Kriminalität – wenn der Rest des Landes sich über Berlin lustig macht, dann wählt er zur Illustration gern das einst modernste und schnellste Nahverkehrsmittel der Welt. Peter Buchner sagt, dass mit der Pünktlichkeit sei ein Problem, „da haben wir eine Quote 92 Prozent, total unzufriedenstellend“. Scheinbar beiläufig erzählt er von der Linie zum Flughafen BER, „da warten 13 neue Automaten auf Fahrgäste, die irgendwann mal kommen“. Gelächter im Saal.

Viele Fragen, kaum Kritik.

Mit seiner Brille und dem zurückgekämmten dunklen Haar wäre Peter Buchner auch einer  für den Job des Schauspielers Kai Schumann, der gerade in Berlin als Persiflage des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg vor der Kamera. Buchner spricht wie Guttenberg einen bayerisch gefärbten Akzent, aber damit haben sich die Gemeinsamkeiten auch schon. Niemand in der Bahnkantine würde den S-Bahnchef einen Hochstapler oder Dampfplauderer nennen. Buchner ist einer von ihnen. Einer, der ohne Spickzettel über die offenen Türen der Fahrzeuge 485er Reihe referiert  und schlüssig erklären kann, warum auf der Linie S 8 zwischen Birkenwerder und Grünau nur im Ausnahmefall Dreiviertelzüge fahren. 

Auf die anschließende Fragerunde haben sich die rund 150 Gäste gut vorbereitet. Noch während sich Buchner für den Applaus bedankt, fliegen die Arme in die Luft. Kaum Kritik, reichlich Anregungen. Könnte man die S-Bahn nicht mit Wechselstrom entlasten? Wäre nicht eine zweite Füllstandsanzeige bei den Besandungsanlagen sinnvoll? Und wollen wir nicht mal wieder eine schöne Traditionsfahrt machen? Viele beziehen sich auf ihre Fragen und Anregungen vom letzten Fahrgastsprechtag, er liegt ja auch gerade erst ein Jahr zurück.

Peter Buchner schreibt geduldig mit, er drückt sich um keine Antwort und wenn er mal keine weiß, dann bittet er um eine E-Mail-Adresse und verspricht: „Das kommt auf meine Liste.“ Um halb zehn schickt der Chef vom Fahrgastverband seine Leute nach Hause. Von den zweieinhalb Stunden in der Bahnkantine hat der S-Bahn-Geschäftsführer gut zwei Stunden ganz allein gefüllt, aber noch ist der Abend für ihn nicht zu Ende. Frauen und Männer belagern seinen Tisch, die meisten tragen Stoffbeutel und stecken Buchner ihre E-Mail-Adressen zu. Versprochen ist versprochen.

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