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Die erfolgreichen Carsharing-Anbieter Car2Go und DriveNow haben zuletzt stärker motorisierte Automodelle in ihre Flotten aufgenommen.

© p-a/dpa/Rolf Vennenbe

Verkehrs-Rowdys: Höchste Zeit, die Carsharing-Raser auszubremsen!

Wer Gas gibt, spart Geld: Das Geschäftsmodell vieler Carsharing-Unternehmen animiert zum rücksichtslosen Fahren. Daran muss sich schleunigst etwas ändern - ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lars Spannagel

Von Null auf 100 in 7,8 Sekunden, 210 Kilometer pro Stunde Spitzengeschwindigkeit, 136 PS. „Wer kann dem wendigen Kleinen bitte widerstehen?“, lautet die Frage im Werbetext auf der Homepage. „Niemand!“, folgt die Antwort. „Darum schnapp ihn dir gleich und freu dich auf jede Kurve!“

Was da besungen wird, ist kein neues Sportwagenmodell, sondern die vermeintliche Zukunft unserer urbanen, umweltfreundlichen Mobilität. Die großen Carsharing-Unternehmen bewerben die Fahrzeuge ihrer in Deutschland stetig wachsenden Flotten auch gerne mit Adjektiven wie „dynamisch, spritzig, agil, sportlich“. Den meisten Berliner Verkehrsteilnehmern fallen in diesem Zusammenhang allerdings eher Begriffe wie „rücksichtslos, unverantwortlich und gefährlich“ ein. Viele Fahrer fühlen sich anscheinend automatisch zum Rasen verpflichtet, sobald sie in einem der schicken, schnellen, modernen Leihwagen sitzen. Es wird Zeit, diese Entwicklung auszubremsen.

Bei Unfällen mit Carsharing-Autos gab es schon Schwerverletzte und Tote

Immer wieder gibt es schwere Unfälle mit Carsharing-Wagen, erst am vergangenen Wochenende verlor ein junger Mann – 21 Jahre alt, laut Polizei mit 1,3 Promille unterwegs – in Wilmersdorf die Kontrolle über seinen Mini. Das Auto ist Schrott, die Insassen kamen zum Glück ohne ernsthafte Blessuren davon. Bei Unfällen mit Carsharing-Autos gab es aber auch schon Schwerverletzte und Tote. Was als grüne Alternative zum eigenen Pkw gedacht war, scheint sich besonders für Fahranfänger zu einer Art Einstiegsdroge ins Verkehrsrowdytum zu entwickeln. Da freut man sich gerade noch so schön auf die nächste Kurve – und landet schon in der Leitplanke.

Das zeitbasierte Geschäftsmodell der Anbieter wirkt dabei zumindest als Katalysator. Egal, ob der Preis für eine Minute Mietzeit nun 24 oder 31 Cent beträgt, das Prinzip bleibt dasselbe: Wer schneller am Ziel ist, zahlt weniger. Oder, drastischer formuliert: Wer rast, spart. Insofern ist der Impuls, in einem Carsharing-Wagen schneller zu fahren als im Privatauto, nachzuvollziehen. Im Taxi schaut man schließlich auch ständig auf das Taxameter und wünscht sich, endlich da zu sein. Im Carsharing-Auto drückt man in diesem Fall eben das Gaspedal durch.

Enthemmtes und gehetztes Autofahren ist gefährliches Autofahren

Zum permanenten Zeit- und Spardruck kommt noch hinzu, dass ein Mieter ein weniger enges Verhältnis zu seinem Wagen hat als ein Besitzer, die Hemmschwelle sinkt. Das scheint für Geschwindigkeitsüberschreitungen genauso zu gelten wie für das Fahren unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen.

Die Gleichung ist einfach: Enthemmtes und gehetztes Autofahren ist gefährliches Autofahren. Eine gesonderte Statistik führt die Berliner Polizei zwar nicht über Unfälle mit Beteiligung von Carsharing-Autos, auch bundesweit fehlen bislang belastbare Zahlen. Viele Verkehrsteilnehmer – egal ob im Auto, zu Fuß oder mit dem Fahrrad – berichten aber von höchst unerfreulichen persönlichen Begegnungen. Im Internet hat sich sogar ein „Watchblog“ gegründet, der Berichte und Beschwerden über Carsharing-Vorfälle sammelt. Die Frage ist nur: Wie stoppt man die Raserei?

Die simpelste Lösung ist bereits auf Berlins Straßen zu besichtigen

Von alleine wird sich der Trend kaum umkehren. Der Elektroauto-Anbieter Multicity stellt seinen Carsharing-Service kommende Woche ein, die erfolgreichen Konkurrenten Car2Go und DriveNow haben hingegen vermehrt größere und stärker motorisierte Automodelle mit in die Flotte aufgenommen.

Eine Möglichkeit wäre, von der zeitbasierten Bezahlung wegzukommen, die Autos nur stundenweise zu vermieten oder die gefahrene Strecke abzurechnen. Dieses Modell gibt es bereits. Die Unternehmen könnten auffällig gewordene Nutzer auch schlichtweg sperren, dafür müssten sie ihre Kundenprofile aber mit der Verkehrssünder-Datei des Kraftfahrtbundesamt abgleichen, wovor auch die Behörden noch zurückschrecken.

Die simpelste Lösung ist bereits auf Berlins Straßen zu besichtigen: Die seit diesem Sommer nach dem Carsharing-Modell mietbaren Elektroroller sind nicht nur umweltfreundlich, sondern auch bei einer Geschwindigkeit von 45 Kilometern pro Stunde abgeregelt. Wenn die Fahrer keine Hemmschwelle haben, muss man sie eben in die Autos einbauen.

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