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Weitere 96 Kilometer Busspuren sind im Gespräch. Dann gibt’s meist weniger Platz für Autos.

© imago/Steinach

Verkehrspolitik: Berlin baut noch mehr Parkplätze ab

Mehr Platz für Bahnen, Busse und Fahrräder: Die Pläne des Senats werden zur Aufgabe von Stellplätzen führen.

„Das Recht, einen Parkplatz auf der Straße zu haben, steht nicht in der Straßenverkehrsordnung.“ Staatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne) von der Senatsverkehrsverwaltung mag markige Sprüche. Demnächst wird er vielleicht weitere brauchen – wenn die Koalition ihre Pläne umsetzt, die reihenweise zum Verlust von Stellplätzen für Autos führen werden.

Gleich 14 Ausbauprojekte hat sich die Koalition bei der Straßenbahn vorgenommen; das Netz soll kräftig erweitert werden – von derzeit gut 193 Kilometer auf rund 260 Kilometer. Wo der Platz nicht reicht, müssen in den meisten Fällen die Stellplätze dran glauben. Selten nur ist es so einfach wie am Groß-Berliner Damm in Adlershof, bei dessen Neubau man bereits die Trasse der Straßenbahn auf dem breiten Mittelstreifen berücksichtigt hat.

Und auch der Bus soll nicht zurückbleiben: 101 Kilometer Busspur gibt es derzeit; weitere 96 Kilometer seien „im Gespräch“, sagte Kirchner vor Kurzem.

Es wäre ja nachvollziehbar, Parkplätze zu vernichten und den Autoverkehr in der Innenstadt zu minimieren, wenn es Alternativen zum Individualverkehr gäbe. Nur die gibt es nicht, weil der öffentliche Nahverkehr, sprich BVG und S-Bahn, seit Jahren kaputtgespart wurde und am absoluten Limit fährt.

schreibt NutzerIn MikeNixda2014

Die Folgen sind klar: Es werden liebgewonnene Parkplätze wegfallen; Autofahrer müssen dann sehen, wo sie ihr Gefährt stehen lassen können. Und ein Auto steht meist mehr als es fährt. Und es geht weiter: Wenn es an Hauptstraßen durchgehend Streifen auch für Fahrräder gibt, wie es im Entwurf für das Mobilitätsgesetz steht, geht das in vielen Fällen zulasten des „ruhenden Verkehrs.“

Wo Parkplätze wegfallen, ist der Protest meist groß

Und schließlich gibt es Pläne, für die 50.000 an Haltestellen des Nahverkehrs vorgesehenen Abstellplätze für Fahrräder ebenfalls auf Flächen zurückzugreifen, auf denen heute noch Autos parken. Wo ein Auto steht, reiche der Platz aber für gleich mehrere Räder, argumentieren die Befürworter. Wie viele Stellplätze insgesamt verloren gehen, ist noch nicht ermittelt worden. Mehrere zehntausend könnten es aber durchaus werden. Wie viele es derzeit gibt, ist auch noch nicht verlässlich gezählt worden.

Wo Parkplätze wegfallen, ist der Protest meist groß. So war es auch 1989/90, als der damalige rot-grüne Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD) das Busspurnetz kräftig ausbauen ließ. Meist ist die Kritik inzwischen verstummt. Nebenstraßen in Wohngebieten, in denen die Parkplatznot am größten ist, sind von all diesen Plänen ohnehin nicht betroffen.

Und zwischen Plan und Tat liegen Zeiten. Erst zwei Straßenbahnprojekte haben es bisher ins Genehmigungsverfahren geschafft. Die dritte der für diese Legislaturperiode vorgesehenen Neubaustrecken – der Lückenschluss zwischen Adlershof und dem Bahnhof Schöneweide – soll in diesen Tagen folgen.

Kostbares Straßenland

Und von der viel kleineren Wunschliste der BVG nach 16,5 Kilometern zusätzlicher Busspuren ist auch nach einem Jahr Rot-Rot-Grün noch kein Meter gepinselt worden. Vor einem Vierteljahrhundert war das anders. Die rot-grüne Regierung war im März 1989 angetreten und Ende April 1990 fuhren die ersten Busse auf der umstrittenen Mittelspur über den Kurfürstendamm.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Kirchner sogar von politischen Gegnern argumentativ unterstützt wird. In den 1980er Jahren sagte der damalige Bundesbauminister Oscar Schneider, das öffentliche Straßenland sei viel zu kostbar, um es als Gratis-Parkplatz zu missbrauchen. Seine Partei: die CSU.

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