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In Berlin fehlen Ärzte vorrangig in armen Vierteln. Für Brandenburger ist die Verteilung ein "Luxusproblem", denn bei ihnen fehlen die Ärzte gänzlich.

© dpa

Verteilung von Arztpraxen: Jeder dritte Hausarzt müsste umziehen

Berlin fehlen Ärzte – aber nicht überall, sondern dort, wo Arme, Alte und Kranke leben. Senator Mario Cjaza möchte das ändern. Doch er ist auf Verbündete aus der Gesundheitsbranche angewiesen.

Der Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) will die Arztpraxen besser in der Stadt verteilen. Allgemeinmediziner und Fachärzte residierten oft nicht dort, wo sie am meisten gebraucht würden, sagte er am Freitag. Besser wäre, künftig nicht nur die Zahl der Einwohner zu berücksichtigen, sondern auch deren soziale Lage. Wo Anwohner älter sind, mehr Vorerkrankungen haben und häufiger Hartz IV beziehen, würden mehr Ärzte gebraucht.

Bislang ließen sich in solchen Vierteln nur wenige Mediziner gern nieder. Viele zogen in Bezirke mit einer für sie lohnenderen Sozialstruktur, etwa dorthin, wo es mehr Privatpatienten und weniger Schwerkranke gibt. Mit der Berliner Patientenbeauftragten Karin Stötzner hat Czaja untersuchen lassen, wo Praxen fehlen, wenn Alter, Armut und Krankheiten berücksichtigt werden. Rausgekommen ist eine Übersicht, die einigen in Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow und Steglitz-Zehlendorf nicht gefallen dürfte. Dort gibt es demnach zu viele Hausärzte, oft müssen Patienten aus Neukölln oder Spandau anreisen, denn in diesen Kiezen fehlen Praxen. In Charlottenburg sitzen acht Prozent der Patienten mehr als eine Stunde im Wartezimmer, in Köpenick 31 Prozent. Hinzu kommt, dass einige Praxen Pendler aus Brandenburg versorgen.

Czajas Resümee: Ginge es sozialer zu, müsste jeder dritte Hausarzt in einen anderen Kiez umziehen. Bei Fachärzten wären es noch mehr. Während Psychotherapeuten im Osten der Stadt fehlen, gibt es in Charlottenburg eine 400-prozentige Überbelegung. Stadtweit müssten sieben von zehn Psychotherapeuten umziehen. Sollten sich die Niederlassungsregeln tatsächlich ändern, dürften in Neukölln, Spandau und Mitte zwar mehr Praxen entstehen. Die Alteingesessenen in anderen Bezirken würden jedoch bleiben dürfen. Insgesamt würden also mehr Ärzte um Patienten konkurrieren. Das kann vielen Medizinern nicht gefallen, und die Krankenkassen befürchten steigende Kosten.

Seit Jahren streiten Kassen, Ärzte und Senat darüber, nach welchen Regeln sich Mediziner niederlassen dürfen. Wegen des Selbstverwaltungsrechts für die freiberuflich tätigen Ärzte regelte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Verteilung mit den Versicherungen allein.

Der KV müssen alle 9000 in Berlin niedergelassenen Ärzte und Therapeuten angehören, wenn sie gesetzlich Versicherte versorgen. Erst kürzlich haben sich KV und Kassen geeinigt, dass das Alter von Anwohnern künftig eine Rolle spielen soll. Gesundheitsexperten kritisierten, es bleibe unberücksichtigt, wie arm ein Kiez sei oder wie weit die Wege für Senioren. Die KV-Pläne werden im zuständigen Landesgremium geprüft. Dem gehören Vertreter des Senats und der Kliniken an. Sie können auf Fehler hinweisen, allerdings Ärzte nicht zum Umzug zwingen.

Der Senator braucht Verbündete in der Branche. Das könnte die größte Krankenkasse der Region sein, die AOK. Bei der Versicherung will man zwar keine sehr kleinräumige Verteilung der Praxen. Eine „neue Lösung“ aber sei nötig. Grundsätzlich, sagten Czaja und AOK, stehe Berlin aber gut da. In Brandenburg hörten sich die Berliner Sorgen „wie Luxusprobleme“ an. In Brandenburg gibt aus einem simplen Grund keinen Verteilungskonflikt: Es finden sich in vielen Orten überhaupt keine Ärzte.

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