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Korrekt. Bisher wurde auf den für Griller zugelassenen Flächen kontrolliert, ob der Grill hoch genug steht. Doch mit offenem Feuer soll im Tiergarten prinzipiell Schluss sein.

© ddp

Grillverbot im Tiergarten: Viel Rauch um Aschereste

Mitte will das Grillen im Tiergarten verbieten, um Kosten für die Müllbeseitigung zu sparen. Ist das angemessen? Was meinen Sie, liebe Leserinnen und Leser? Diskutieren Sie mit!

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Hat ein Mensch das Recht darauf, seine Freizeit mit einem in der ganzen Welt praktizierten Hobby im öffentlichen Raum zu gestalten? Oder darf der Staat eingreifen und ein Freizeitvergnügen untersagen, wenn es auf Kosten anderer geht? Soll im Tiergarten, dem zentralen Berliner Erholungsgebiet, ab der kommenden Sommersaison tatsächlich das Grillen verboten werden, wie es CDU und SPD in Mitte planen? Diese Frage beschäftigt jetzt Senatsverwaltungen, Bezirksämter – und auch die Kundschaft bei „Feinkost Sahilli“ an der Großbeerenstraße 23 in Kreuzberg. „Wir sind früher ab und an mit der Familie zum Grillen in den Tiergarten gefahren“, sagt Betreiber Ali Sahilli. Dass rücksichtslose Zeitgenossen durch ihre Müllhinterlassenschaften es geschafft haben, dass das einzig verbliebene Grillareal gegenüber dem Haus der Kulturen der Welt abgeschafft wird, findet der 47-Jährige mit deutschem Pass „Käse“. Ihm sei das aber selbst zu unangenehm gewesen zwischen all den Müllbergen dort: „Wir sind jetzt auf dem Tempelhofer Flugfeld, da ist es sauber, da stehen gleich große Container, und es weht auch immer ein frischer Wind, da zieht der Qualm schneller ab.“

Die Tempelhofer Freiheit – sie empfiehlt der Bezirk Mitte nun all jenen Berlinern, die bisher aus allen Bezirken mit Grillsack und Pack ins Gartendenkmal gezogen sind. Trotz aller Appelle ließen Griller aller Nationalitäten im Tiergarten Roste, Kohlen und Müll liegen. 300 000 Euro musste Mitte jedes Jahr zusätzlich für die Müllentsorgung aufbringen. „Für Jugend-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen fehlt uns das Geld, das darf nicht länger sein, wir sind schließlich Haushaltsnotlagebezirk“, sagt der stellvertretende Bezirksbürgermeister und zuständige Stadtrat Carsten Spallek (CDU).

Deswegen soll die Bezirksverordnetenversammlung beschließen, dass die Ausnahmegenehmigung, im Grillgebiet an der John-Forster-Dulles-Allee offenes Feuer zu erlauben, ab Frühjahr 2012 nicht mehr gilt. „Als wir während der Fußball- WM und wegen der Waldbrandgefahr das Gelände umzäunt hatten, sanken die Müllkosten von 8000 auf 3000 Euro für ein Wochenende“, sagt Schulte. Zäune sollen zwar nicht aufgestellt werden, aber Verbotsschilder. Für die Ordnungsamtsmitarbeiter würden die Kontrollen sogar leichter. Wenn sie etwa Grillkarten mit Gebühren kontrollieren müssten, könnten sich die Leute herausreden, sie seien gerade erst gekommen. Wenn es aber künftig qualmt, heißt es ganz klar: Bitte Feuer löschen. Wer folgt, soll anfangs auch nicht zahlen. Wer sich weigert, könne mit bis zu dreistelligem Bußgeld rechnen.

Schürt das Freizeithobby-Verbot aber nicht soziale Konflikte, weil gerade viele türkischstämmige Berliner etwa aus Moabit über Generationen hinweg den Familienzusammenhalt beim Grillen pflegen? „Ich denke, wenn sich das herumgesprochen hat, macht sich keiner mehr die Mühe, in den Tiergarten zu gehen“, sagt Grillfan Ali Sahilli. Er fände es besser, wenn man migrantische Landleute etwa durch Ehrenamtliche der türkischen Gemeinde mit einem Trick bei ihrem Schamgefühl packte. „Wenn man sie auf Türkisch angesprochen hätte, dass sie mit ihrem Verhalten dem öffentlichen Bild ihres Landes schaden, hätten viele den Müll weggeräumt“, ist Sahilli überzeugt. „Aber so dachten viele: Ich zahle doch genug Steuern, dann ist die Entsorgung ohnehin schon bezahlt.“

Mittes Stadtrat Spallek verteidigt das Verbot und verweist auf die Liste der öffentlichen Grillplätze im Internet, die Hälfte der Berliner Bezirke böten schließlich noch kleine Areale, auch Mitte, im Monbijoupark. Er sieht nicht ein, dass sein Bezirk am Fehlverhalten von Menschen aus ganz Berlin leiden muss, die mit abgerissenen Ästen anheizten oder Gruben für Erdgrills aushoben. „Die Leute fahren durch die halbe Stadt hierher, aber gehen nicht die paar Schritte bis zum Müllcontainer.“

Spallek plädiert nun für Abstimmungen über mehr Grillplätze auf dem Tempelhofer Feld und dafür, dass der Senat die Versorgung mit Grillflächen berlinweit regeln müsse. Aber auf dem ehemaligen Flugfeld gibt es keine Bäume, keinen Schatten, kritisieren Tiergarten-Grillfans. Spricht man deutschstämmige Berliner im Tiergarten an, egal welchen Alters, sind viele gegen ein Verbot. „Eine Großstadt muss sich so etwas leisten können“, sagte eine ältere Spaziergängerin, „und auch nach Picknicks ohne Grills wird hier bestimmt Müll liegen.“ Sie genieße immer die fröhliche, entspannte, familiäre Atmosphäre. „Wenn es nicht anders geht“, sagt hingegen eine Studentin in der Herbstsonne, „dann muss es halt verboten werden, damit der Park schön ist für alle.“

Unterdessen äußerte sich der Türkische Bund enttäuscht über den „Wegfall von Freiräumen und Begegnungsstätten“ – und denkt über ein Demo-Grillen nach.

Annette Kögel

PRO

Die Entscheidung ist lange überfällig. Grillen im Tiergarten – das geht einfach nicht. Seit wie vielen Jahren ärgern wir uns über die Müllberge und die verwüstete Wiese, in der sogar Gruben ausgehoben wurden, um ganze Lämmer und Spanferkel am Spieß zu drehen? Und was hat der Bezirk nicht alles versucht, die Griller dazu zu bringen, ihrer Brutzelleidenschaft so zu frönen, dass der Park nicht in Mitleidenschaft gezogen wird? Alle Appelle, Ermahnungen, Geldbußen blieben folgenlos.

Wer nicht begreifen will, dass glimmende Kohlereste in Metallcontainer und nicht auf den Rasen gekippt gehören, wer seinen Müll nicht mitnehmen will, sondern an Ort und Stelle zurücklässt, muss mit der Konsequenz, nämlich dem Grillverbot im gesamten Tiergarten, leben. Es ist beileibe nicht so, dass hier ein Großteil vorbildlicher Griller unter dem Verhalten einiger weniger Unbelehrbarer leiden muss. So viele Ordnungsamtsmitarbeiter wie nötig konnte der Bezirk gar nicht in den Park schicken.

Ein generelles Verbot wird sich leichter durchsetzen lassen, als Müllsünder zu bestrafen. Es bedeutet keine unbillige Härte für jene, die keinen eigenen Garten nutzen können, sondern auf den Park angewiesen sind. Feiern, große Picknicks oder Familientreffen sind dort doch weiter möglich – und zwar an der wirklich frischen Luft. Um gut zu essen, braucht man nicht zwangsläufig ein offenes Feuer. Aber seinen Dreck wegräumen, das sollte man immer. Sigrid Kneist

CONTRA

Gartenbesitzer haben gut reden. Sie können jederzeit in heimischer Idylle ihre Würstchen braten und sich dabei über die Vermüllung öffentlicher Parks beschweren, in denen das Grillen noch erlaubt ist. Ja, der Ärger ist verständlich über den Dreck, der regelmäßig von gedankenlosen Barbecue-Clans zurückgelassen wird. Trotzdem ist das angekündigte Grillverbot für den zentralen Park Berlins unsozial, denn er beschneidet die Lebensqualität vieler Menschen, für die der Große Tiergarten das kleine Wochenendglück ist. Es verschwindet damit auch ein Stück Stadtkultur. Denn es ist ja nicht so, dass die würzigen Düfte stören oder die gut gelaunten Familien und Freundeskreise auf den bunten Picknickdecken. Sie beleben den Park, so wie die Jogger, Radler und Kicker, die Frisbeewerfer und Sonnenanbeter.

Es gibt kein Grillproblem im Tiergarten, sondern ein Müllproblem. Und das lässt sich lösen. Ein paar Ordnungskräfte mehr, ausreichend große Container, eine Kostenbeteiligung über Tickets für die Grillareale und saftige Bußgelder für jene, die verschwinden, ohne vorher aufzuräumen. Stattdessen muss das Ordnungsamt ab nächstem Frühjahr Schilder aufstellen, Infozettel verteilen und genügend Personal bereitstellen, um das bezirkliche Grillverbot täglich und flächendeckend durchzusetzen. Was für ein bürokratischer Unsinn! Und nicht vergessen: Vermüllte Parks gibt es in Berlin auch dort, wo schon lange nicht mehr gegrillt werden darf. Ulrich Zawatka-Gerlach

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