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Richard Klauß ist regelmäßig auf dem BER-Gelände unterwegs. Der studierte Landschaftsökologe soll gefiederte Flieger fernhalten.

© Thilo Rückeis

Vögel am Flughafen in Berlin: Am BER fliegt doch etwas

Richard Klauß ist bei der Flughafengesellschaft dafür verantwortlich, Luftverkehr zu verhindern. Er vertreibt Vögel, denn die können selbst großen Maschinen gefährlich werden.

Richard Klauß ist mal wieder auf dem BER unterwegs, um Flugverkehr zu verhindern. Das tun auch andere, mögen Spötter lästern. Aber bei Klauß steht es im Arbeitsvertrag. Er fährt einen hochbeinigen Toyota mit der Aufschrift „Bird Control“ und hat einen Teint, der auf viel Zeit unter freiem Himmel schließen lässt. Klauß ist Referent für Vogelschlag und Wildtiermanagement an den Berliner Flughäfen, kurz: Vogelvergrämer.

Näheres erklärt er bei einer Fahrt vom alten Terminal in Schönefeld zum östlichen Ende der Landebahn. Von hier ähnelt der Flughafen dem in Tempelhof: ein Wiesenmeer, über dem die Feldlerchen trällern. Nur dass hier, auf der künftigen BER-Nordbahn, bereits Flugzeuge von und nach SXF starten und landen. „Lerchen sind nicht so unser Thema“, sagt Klauß und zückt das Fernglas. Weit hinten, am Beginn der Betonpiste, hüpft federnd eine Nebelkrähe. Alarmiert Klauß jetzt den ebenfalls zur Belegschaft gehörenden Teilzeitjäger? Löst er die Rohre der im Gras installierten Knallschussanlage aus? Hebt er wenigstens eine Braue? Nichts. „Nebelkrähen sind auch nicht so unser Thema“, sagt er nur. Dafür, dass schon Passagierflugzeuge durch Vogelschlag abgestürzt oder im Hudson River gelandet sind, wirkt Klauß recht entspannt.

Was also ist sein Thema? Stare zum Beispiel: wegen der Größe der Schwärme. Außerdem einige Zug- und Greifvögel. Die Lerche dagegen sei winzig und die Krähe zwar korpulent, aber schlau und Einzelgänger. Das gilt auch für die Rohrweihe, die gerade ein Stück weiter hinten kreist, wo zwei Minuten vorher der Easyjet-Airbus aus Mailand aufgesetzt hat.

Klauß richtet sein Fernglas eine Etage weiter nach oben, wo in vielleicht 100 Meter Höhe ein Dutzend Möwen kreist. Ihnen und anderen geselligen Wasservögeln wie Gänsen und Enten will er es möglichst ungemütlich machen am Flughafen. Deshalb hat er beispielsweise veranlasst, eine fürs Auge kaum wahrnehmbare Senke etwas westlich des neuen Terminals mit einem Kiesbett zu entwässern, nachdem sich auf dem Rasen bei Regenwetter ein flacher Teich zu bilden begann. Im Grunde läuft seine Arbeit immer darauf hinaus, Vögel von der Landung auf dem Flughafengelände abzuhalten. Deshalb würden die Wiesen auch nur zweimal im Jahr gemäht – und auch das vor allem, um überhaupt noch mit dem Mäher durchzukommen, bevor sie zu Heide und Wald werden. Wenn das Gras mindestens kniehoch ist, haben Greifvögel keinen Durchblick mehr und versuchen sich nicht an der Mäusejagd, bei der sie Flugzeugen in die Quere kommen könnten. Dass sich dank dieser Tarnung die Mäuse vermehren wie die Kaninchen, stört Klauß nicht. Zum einen hätten die mit dem Fuchs einen natürlichen Feind auf dem Gelände, zum anderen seien Zusammenstöße mit Tieren am Boden nicht so gefürchtet: Im Vergleich zu Nase und Triebwerken gelten die Fahrwerke als weniger gefährdet.

Genau genommen gibt es Kaninchen nur in Tegel, während in Schönefeld Feldhasen und Füchse leben. Klauß ist für alle Berliner Flughäfen zuständig, aber in Schönefeld hat er wegen der größeren Fläche und der Artenvielfalt am Stadtrand mehr zu tun. Deshalb gibt es in Tegel auch keine Knallschreckanlage, aber in Schönefeld gleich drei. Auslösen darf Klauß sie aber nur nach Rücksprache mit der Bodenverkehrsleitung, damit er nicht versehentlich einen Bautrupp in Ohnmacht schießt, der gerade nebenan werkelt. Sein Job ist schon deshalb sicher, weil er an jedem Verkehrsflughafen vorgeschrieben ist. Einmal im Jahr treffen sich die Vergrämer beim Deutschen Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr (DAVVL), der im Mai sein 50-jähriges Jubiläum gefeiert hat.

Im Juni und Juli gebe es an den Flughäfen die meisten Vögel, sagt Klauß, der seine gefiederten Gegenspieler auch statistisch erfasst. Die größte Überraschung hat er allerdings in einem Herbst erlebt, als sich Scharen von Lachmöwen auf den Taxiways niederließen: Sie hatten es auf Regenwürmer abgesehen, die über die tagelang feuchte Bahn krochen. „Man glaubt gar nicht, wie weit Würmer kriechen“, sagt Klauß. Nachdem er die Kehrmaschine losgeschickt hatte, war den Möwen das Lachen vergangen.

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