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Volksentscheid zum Tempelhofer Feld: Der Senat hat verloren - vor allem die Bürger

Die Pläne für die Bebauung auf dem Tempelhofer Feld waren intransparent, die Wohnungspolitik nicht glaubwürdig: Der Senat hat sich seine Niederlage selbst zuzuschreiben. Der Volksentscheid hat gezeigt, dass die Berliner Klaus Wowereit nicht mehr glauben. Ein Kommentar.

Am Morgen danach ist die Sonne wieder aufgegangen am Tempelhofer Feld. Aber das ist das Einzige, was hier noch genauso ist wie am Sonntag. Nach dem Volksentscheid, bei dem sich die Mehrheit in allen Berliner Bezirken gegen eine Bebauung der Brachfläche entschieden hat, sieht der Berliner Senat erst mal keine Sonne mehr. Und das hat er sich selbst zuzuschreiben.

Die rot-schwarze Koalition des sich nur noch schlaff im Amt haltenden Klaus Wowereit hat sich diese Niederlage selbst organisiert. Denn das Gefühl, dass Berlin dringend mehr Wohnungen braucht, hat sie nicht in positive Stimmen für ihre Pläne umsetzen können. Das liegt an den unausgegorenen Plänen selbst und vielen politischen Fehlern - vor allem aber an einer Arroganz gegenüber den Bürgern, nach dem Motto: Wir bauen hier irgendetwas für Euch, Leute, Ihr werdet schon sehen, dass es gut wird, also stimmt erst mal zu, den Rest regeln wir schon.

Was kommt nach dem Flughafen? Dazu gab es keine Idee

Doch die Berliner haben offensichtlich keine Lust mehr, sich Pläne von dieser Regierung, die weder beim Flughafen in Schönefeld noch bei der Lösung der S-Bahn-Krise vorankommt, vorsetzen zu lassen. Wohl kaum einer glaubt noch daran, dass diese Koalition überhaupt einen Plan hat - und diesen dann auch noch in einem halbwegs verträglichen Zeit- und Kostenrahmen umsetzen könnte. Warum das so ist, kann man gerade am Beispiel Tempelhof gut erklären.

Am Anfang stand zunächst vorsätzliche Ahnungslosigkeit. Was sollen wir eigentlich mit der riesigen Tempelhofer Brache anfangen, wenn hier keine Flugzeuge mehr abheben? Dazu hatte der Senat von Anfang an keine Idee. Also eroberten sich die Bürger das Feld alleine und beackerten es mit Drachen auf der Piste und mit Pflanzen auf kleinen Beeten, sie genossen das besondere Berliner Nichts und machten daraus ein besonderes Berliner Etwas. Ein freier Raum für freie Bürger entstand. Hatte der Senat wirklich gedacht, das lassen sich alle so leicht wieder wegnehmen?

Fragen, aber keine griffigen Antworten

Zumal die Pläne, neuen Wohnraum zu schaffen, intransparent waren. Wo genau sollten noch mal zehngeschossige Häuser hin, wo würden die dringend benötigten Sozialwohnungen entstehen - und warum war eigentlich so viel Gewerbe am Tempelhofer Feld geplant? Und ganz praktisch: Wie soll eigentlich der Verkehr geregelt werden, wenn doch jetzt schon der Tempelhofer Damm permanent verstopft ist? Ach so, und wie teuer wäre eine neue Zentral- und Landesbibliothek? Und was wird eigentlich irgendwann aus dem alten Flughafengebäude? Fragen über Fragen. Überzeugende Antworten hatte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) darauf nicht. Für vieles gab es bis zum Schluss nicht mal richtige Pläne. Schon die Anlage eines Wasserbeckens musste wegen stümperhafter Beteiligung verschoben werden. Auch davon erfuhren die Bürger als letzte.

Am Schluss kam noch ein Glaubwürdigkeitsproblem hinzu: Die durchaus plausiblen Argumente für neuen Wohnraum verfingen nicht, weil der Senat bisher nicht alles andere für günstigen Wohnraum getan hat. So bestand die Liegenschaftspolitik zuletzt vor allem darin, landeseigene Wohnungen und Grundstücke zu verkaufen. Das hektisch erlassene Verbot von Ferienwohnungen, das den Mietmarkt entlasten soll, kann wegen Personalmangels in den Bezirksämtern nicht kontrolliert und durchgesetzt werden.

Die Würze eines Anti-Wowereit-Entscheids

Hinzu kamen klare politische Fehler: Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus zimmerte schnell einen Gesetzentwurf zusammen, den die CDU aus Koalitionsräson mittrug, aber im Wahlkampf so gut wie gar nicht unterstützte. Doch statt einen eigenen groben Plan aufzusetzen, der nicht konkret genug war und dennoch die Wahl für viele Bürger noch komplizierter machte (was für manche wie ein Trick wirkte), wäre es wohl schlauer von der Koalition gewesen, sich zumindest mit den Grünen noch auf einen Kompromiss zu einigen.

Das scheiterte vor allem am fehlenden Kompromisswillen der SPD-Fraktion und ihrem zuletzt zu sehr mit sich selbst beschäftigten Chef Raed Saleh. So schwenkten die in Berlin traditionell starken Grünen, die eigentlich auch eine sanfte Bebauung in Tempelhof befürworteten, auf die Linie der Gegner um und gaben dem Wahlkampf die politische Würze eines Anti-Wowereit-Entscheids.

Klaus Wowereit und Michael Müller - das einst unzertrennliche Duo der Berliner SPD ist zuerst von der eigenen Partei gefleddert worden, nun auch vom Souverän. Sie haben sich das selbst zuzuschreiben.

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