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Von Tag zu Tag: Hey, das hebt ab!

Bernd Matthies hat die Eröffnung des Flughafens 2020 live miterlebt.

Bloß keine großen Gesten! Das war das Motto der Festveranstaltung, mit der der neue Berliner Großflughafen im Oktober 2020 endlich provisorisch eröffnet wurde. Zwar schien der brandenburgische Ministerpräsident und langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Matthias Platzeck unter der Last der Aufgabe sichtlich gealtert, doch das machte die Berliner Regierende Dilek Kolat durch fröhliche Aufbruchstimmung wett. Beiden schien eine große Last von der Schulter genommen, als das brandenburgische Polizeiorchester „Das ist die Berliner Luft“ intonierte und das erste Pilsner-Fass angestochen wurde.

Diese Einstimmung passte nicht nur zur demonstrativen Bescheidenheit, sondern auch zum Namen, der nach dem Rückzug der Willy-Brandt-Erben lange gesucht worden war. „Schuster-Wilhelm-Voigt-Airport“ heißt der Flughafen nun zur Erinnerung an den legendären Hauptmann von Köpenick, der „keine Chance hatte, aber sie entschlossen nutzte“, wie Platzeck sagte, „also in jenem Geist handelte, der auch diesen Flughafen ermöglichte“.

Unter den Ehrengästen sah man aus der Gründergeneration nur noch Eberhard Diepgen, während Klaus Wowereit mit Hinweis auf wichtige Termine als Leiter der Friedrich-Ebert–Stiftung in Bogota abgesagt hatte. Die erste landende Maschine, eine Cessna aus München, brachte den Bundesverkehrsminister Markus Söder mit, wenige Minuten später setzte eine Turboprop-Maschine aus Friedrichshafen auf, aus der weitere neun Passagiere stiegen. Größere Maschinen werden weiter nach Tegel umgelenkt, weil 1000 falsch gepflanzte Bäume die Landebahn verkürzen; der Streit zwischen Naturschützern und Landesregierung um die Fällgenehmigung ist noch beim europäischen Gerichtshof anhängig.

Vieles blieb an diesem Tag Provisorium und musste, obwohl grundsätzlich automatisiert, von Zeitarbeitskräften funktionsfähig gehalten werden. Allein 700 Mitarbeiter hatten die Aufgabe, die Brandschutzklappen manuell zu betätigen und gegebenenfalls mit Akku-Ventilatoren Sauerstoff ins Terminal zu lenken. Weitere 50 Minijobber wurden eingesetzt, um die am Check-In abgefertigten Koffer zum jeweiligen Flugzeug zu tragen; dies war notwendig, weil die automatischen Gepäckbänder in einer letzten Generalprobe havariert waren. Das Bodenpersonal arbeitete angesichts des labilen Zustands der Computeranlage mit Schreibmaschinen und tippte jede Bordkarte mit drei Durchschlägen.

Platzeck sprach deshalb von einem „Flughafen mit menschlichem Antlitz“, der seine Identität keinem „undurchschaubaren High-Tech-Anspruch“ geopfert habe. Zwar gehe es nicht ohne Tegel sowie das alte Terminal auf dem Flughafen Schönefeld, klagte er, doch habe man als ersten Schritt im Sinne der einstigen Planung zumindest den Flughafen Schönhagen bei Trebbin schließen können – die früher dort untergebrachten Ultraleichtflugzeuge nutzen nun eine der neuen Landebahnen des Wilhelm-Voigt-Airports.

Ärger gab es an diesem feierlichen Tag vor allem wegen der Verkehrsanbindung. Zunächst legte eine Massenschlägerei zwischen brandenburgischen und Berliner Taxifahrern den Vorplatz lahm. Dann stellte sich heraus, dass die Draisinen auf dem unterirdischen Bahnhof für übliche Koffer zu klein dimensioniert sind. Die ukrainische Gesellschaft, die den Betrieb kurzfristig von der aufgelösten Deutschen Bahn übernommen hatte, versprach Besserung innerhalb weniger Monate.

Dennoch wurde der erste zwischen den Bäumen landende Passagierjet mit großen Hallo begrüßt. Es handelte sich um jenen Air-Berlin-Airbus, der eine halbe Stunde zuvor mit Platzeck, Kolat, Diepgen und anderen Ehrengästen gestartet, dann in Richtung Tegel geflogen und dort nach einer Schleife über dem Tower planmäßig wieder umgekehrt war. „Alles bestens!“, sagte Platzeck anschließend, „in wenigen Jahren kann der Voigt-Airport mit Vollast betrieben werden.“

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