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Berlin: Waffen beschaffen? In Berlin kein Problem

Der Schütze von Wedding soll Waffenhändler sein. Die Polizei vermutet Tausende illegaler Pistolen in der Stadt. Die meisten stammen vom Balkan

Er war mit seinen drei Komplizen offenbar auf dem Weg zu einem Raubüberfall – und ein aufmerksamer Verkehrspolizist kam ihm in die Quere. Der 43-jährige Christian L., der am Dienstag (wie berichtet) in Wedding versuchte, sich den Weg freizuschießen, ist der Polizei seit langem wegen Waffenhandels und Raubüberfällen bekannt.

Mit der Festnahme von L. und seinen drei Komplizen – ein vierter wird noch gesucht – hofft die Polizei mehrere Raubüberfälle aus den vergangenen drei Jahren klären zu können. Um welche Taten es sich handelt, darüber wollen die Ermittler nichts sagen. Schon seit rund zwei Wochen wurden L. und seine Komplizen durch ein Spezialeinsatzkommando beobachtet. Ein Informant hatte den Fahndern einen Tipp gegeben. L. plane einen Waffendeal, sagte der V-Mann. Die Polizei hörte daraufhin das Telefon des Verdächtigen ab, aber von Waffenhandel war selten die Rede. Häufiger sei über Raubüberfälle gesprochen worden, sagte ein Kripo-Beamter.

Mit den bisher ungeklärten Überfällen auf Geldtransporter vom 7. Dezember 2001 in Falkensee und 11. Januar 2002 in Spandau haben die Festgenommen aber offenbar nichts zu tun. In beiden Fällen hatten die mit Maschinenpistolen bewaffneten Männer um sich geschossen, aber niemanden verletzt. Sie erbeuteten je rund eine Million Mark.

Seit Jahren beobachtet die Polizei, dass immer mehr illegale Waffen im Umlauf sind. In Berlin sei eine scharfe Pistole vom Kaliber 9 Millimeter samt geladenem Magazin bereits für 500 Euro auf dem Schwarzmarkt zu haben, sagte ein Kriminalbeamter. Wie viel illegale Pistolen, Revolver, Schrotflinten oder gar Maschinenpistolen in den Händen von Kriminellen sind, das wagt allerdings kein Ermittler auch nur annähernd zu schätzen. Das Landeskriminalamt (LKA) geht aber davon aus, dass es mehrere Tausend sind. Laut Bundeskriminalamt (BKA) wurden im Jahr 2001 knapp 5600 Tatwaffen sichergestellt, darunter sind allerdings neben scharfen Schusswaffen auch Schreckschusspistolen. In Berlin sind fast 48 000 Pistolen, Revolver und Gewehre registriert – angemeldet von Sportschützen, Waffensammlern, Geldtransporteuren und Wachunternehmen.

Viele illegale Waffen stammen aus den früheren Krisengebieten des Balkan. Ausgeschiedene Soldaten der serbischen oder bosnischen Armee brachten sie mit nach Deutschland und verkauften sie hier. Von diesen Waffen sind vermutlich noch viele im Umlauf. Sofern bei Überfällen Maschinenpistolen eingesetzt wurden, waren sie in der Mehrzahl der Fälle ein tschechisches Modell vom Typ „Scorpion“. Früher sei es sehr leicht gewesen, sich diese Waffe in dem Nachbarland für wenig Geld zu besorgen, sagte ein Ermittler. Inzwischen sei das wegen strengerer Kontrollen an der Grenze deutlich schwerer geworden.

Welche Art Waffe der Weddinger Schütze vom Dienstag verwendete, wollte die Polizei gestern nicht sagen. Der Mann war nach seiner Schießerei von dem Spezialeinsatzkommando (SEK) gestoppt worden. Zuvor hatte ein Verkehrspolizist L. an der Ramlerstraße wegen eines simplen Verkehrsvergehens angehalten, um ihn zu kontrollieren. Aufgefallen war L. wegen des gewagten Wendemanövers. Außerdem war er nicht angeschnallt. Das hätte ihn 30 Euro gekostet, aber er saß in einem kurz zuvor gestohlenen Auto. Er bedrohte den Verkehrspolizisten mit einer Pistole, rannte davon und schoss mehrmals auf den Beamten, der ihn verfolgte und der plötzlich unerwartete Verstärkung vom SEK erhielt. Es überwältigte den Schützen.

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