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Berlin: „Zeit bei der Stasiaufarbeitung verschlafen“

Im Streit um die belasteten Staatsschutzmitarbeiter rät der Bundesbeauftragte Roland Jahn zu Transparenz.

Potsdam - In Brandenburg wird um frühere Stasimitarbeiter als Staatsschützer gestritten. „Ich kann nur sagen: Transparenz ist das Gebot der Stunde, um Vertrauen in den öffentlichen Dienst zu gewinnen“, sagte dazu der Stasi-Bundesbeauftragte Roland Jahn am Dienstag dem Tagesspiegel. Der Vorgang zeige „einmal mehr, dass Brandenburg eine gewisse Zeit bei der Aufarbeitung des Erbes der Staatssicherheit verschlafen hat.“ Jahn wollte zwar keine öffentlichen Empfehlungen über Konsequenzen abgeben. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass Innenminister Dietmar Woidke (SPD) wie bei der von ihm durchgesetzten Stasiüberprüfung in der Landespolizei eine klare Linie fahren wird. Innenminister Woidke habe im vergangenen Jahr gezeigt, sagte Jahn weiter, dass „er in der Lage ist, Probleme mit klarem Blick und dem nötigen Fingerspitzengefühl differenziert zu bewerten und Entscheidungen zu treffen.“

Wie berichtet, hatte das Innenministerium jetzt Zahlen aus der Amtszeit von Jörg Schönbohm (CDU) zu früheren Stasimitarbeitern beim Staatsschutz des Landeskriminalamtes aus dem Jahr 2009 nach oben korrigiert. Danach waren nicht neun, sondern 17 der 56 LKA-Staatsschützer einst im Dienste der Staatssicherheit, was bei deren Verbeamtung bekannt war. Schönbohm hatte, als dies 2009 bundesweit Schlagzeilen machte, keine Versetzungen in der Staatsschutzabteilung vornehmen lassen. Auch Woidkes Innenministerium sieht bislang keinen Handlungsbedarf, da die meisten jung waren, und es im Vergleich zu 2009 keine neuen Erkenntnisse gibt.

Brandenburgs Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe sprach sich für einen offensiven wie differenzierten Umgang mit den Staatsschützern mit Stasivita aus, aber auch gegen eine Versetzung aller, wie sie die CDU-Opposition fordert. Die 17 Mitarbeiter seien mit dem Wissen um ihre Vergangenheit eingestellt worden, dies „ist zunächst zu respektieren“, sagte Poppe. „Ich halte es aber für sinnvoll, sich die Akten noch einmal genau anzuschauen, Art und Umfang der Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit und in Einzelfällen gegebenenfalls eine Versetzung vorzunehmen.“ Es sei ein Fehler gewesen, dass nach 1990 „inoffizielle und offizielle Stasimitarbeiter in so großer Zahl in den Polizeidienst übernommen wurden“. Und zwar mehr als in anderen Ostbundesländern. „Man muss von einem Brandenburger Phänomen sprechen“, sagt der Stasiexperte Helmuth Müller-Enbergs, der auch Mitglied der Nachwende-Enquete im Landtag ist. Dort wird das Stasierbe bei der Polizei demnächst auf die Tagesordnung kommen. Nach Einschätzung von Müller-Enbergs ist die Stasidichte bei Staatsschutz und LKA schon „irritierend“ und zeuge davon, dass Brandenburg nach 1990 „da im Vergleich zu anderen Ostländern eine besondere Integrationskraft bewies“.

In Brandenburg haben laut Innenministerium rund 600 von 8800 Polizisten mit der Staatssicherheit kooperiert. Es gibt weitere 150 Karteikartenfälle, wo es zwar Hinweise, aber keine Nachweise gibt. Für Poppe sind diese Karteikartenfälle „problematischer“ als die bekannten Staatsschützer, die zudem regelmäßig Sicherheitsüberprüfungen unterzogen werden. Denn bei Karteikartenfällen gehe es auch um Mitarbeiter, die „unehrlich gegenüber dem Dienstherren waren“, sagte Poppe. „Da gibt es Polizisten, die womöglich erpressbar sind.“

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