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Das Schillerkiez in Neukölln gilt als Problemviertel. Die "Task Force Okerstraße" sollte Abhilfe schaffen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Neukölln: Zoff um die Task Force Okerstraße

Das Image eines Vorzeigeprojekts im sozialen Brennpunkt ist angeknackst: Zuerst wurde im Dezember mehreren Mitarbeitern der Anlaufstelle gekündigt. Jetzt gibt es sogar Spitzel-Vorwürfe.

Von Sandra Dassler

Sie ist das soziale Vorzeigeprojekt für Brennpunktkieze schlechthin: die nach Rotterdamer Beispiel im November 2009 gegründete Task Force Okerstraße. Doch ihr Herzstück, die Anlauf- und Beratungsstelle für die Menschen vor Ort, ist schon seit letzten Dezember angeknackst. Da kündigte das Bezirksamt Neukölln den Vertrag mit dem Träger Integra – nachdem dieser zuvor Mitarbeiter vor Ort fristlos entlassen hatte. Hintergrund dieser Entlassungen sollen gegenseitige Vorwürfe und Meinungsverschiedenheiten über Abrechnungen von Leistungen sein, über die aber niemand offen reden will.

Überhaupt schwiegen alle Beteiligten seit Dezember über die Vorgänge, erst in den vergangenen Tagen ging der Geschäftsführer des Vereins Integra, der die Anlaufstelle in der Okerstraße betreibt, an die Öffentlichkeit – mit massiven Vorwürfen. Das Bezirksamt Neukölln und das Quartiersmanagement hätten ihn mehrfach aufgefordert, ausführliche und nicht anonymisierte Daten über Klienten zu übermitteln, sagte Integra-Geschäftsführer Kazim Yildirim dem Tagesspiegel: „Wir sollten mitteilen, wie viele Menschen in einer Wohnung leben, wie ihr Aufenthaltsstatus ist, in welchen Cliquen sie sind, ob sie Rauschgift nehmen – und alles nicht anonymisiert.“ Er, Yildirim, habe sich geweigert, diese Daten herauszugeben, und deshalb sei der Vertrag mit dem Trägerverein gekündigt worden.

Der Neuköllner Migrationsbeauftragte Arnold Mengelkoch nennt diese Vorwürfe „völlig aus der Luft gegriffen“. Der Bezirk habe lediglich für die ordnungsgemäße Abrechnung der von Integra erbrachten Leistungen „anonymisierte Listen von betreuten Menschen“ verlangt. „Das ist berlinweit üblich und vom Senat vorgeschrieben“, sagt Mengelkoch: „Die Namen sind anonymisiert und oft werden nur die Straßen genannt, um nachzuweisen, dass die Gelder auch die richtigen Nutznießer erreichen.“

Die Nutznießer sind sozial schwache Familien im Kiez, vor allem Kinder und Jugendliche. Viele kommen aus Familien mit Migrationshintergrund oder sind Roma ohne feste Wohnadresse. Dutzende von Kindern haben im vergangenen Jahr in den gemütlich eingerichteten Räumen der Okerstraße 44 gespielt, gesungen, ihre Hausaufgaben erledigt oder auch mal ein Mittagessen erhalten. Für ihre älteren Geschwister gab es Fußball und Boxen, um sie – vor allem am Abend – von der Straße zu holen. Viele Mütter und Väter kamen, um sich in Behördenangelegenheiten beraten zu lassen. Nicht zuletzt gab es Gespräche mit Hausbesitzern, um die unzumutbaren Zustände in und vor den Häusern zu verbessern.

„Wir haben einiges erreicht“, sagt Murat Acar, der bis Dezember die Anlauf- und Beratungsstelle leitete: „Aber zwei Jahre müsste die Arbeit mindestens weitergehen.“ Acar, der von Integra-Chef Yildirim im Dezember ebenfalls entlassen wurde, bezeichnet die Spitzel-Vorwürfe als falsch. „Das Bezirksamt oder das Quartiersmanagement hat uns nie aufgefordert, Namen zu nennen“, sagt er.

Kazim Yildirim hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet, um sich gegen die Kündigung zu wehren. „Unsere Rechtsabteilung prüft das, dazu möchte ich mich nicht weiter äußern“, sagt der Migrationsbeauftragte Arnold Mengelkoch: „Da uns sehr daran gelegen ist, die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen in der Okerstraße fortzusetzen, haben wir uns gestern unter mehreren Bewerbern für einen neuen Träger entschieden.“

Es ist das Interkulturelle Bündnis für Berlin (IBfB) und schon in den nächsten Tagen wollen seine Mitarbeiter in der Okerstraße eine neue Beratungsstelle einrichten. Kazim Yildirim macht derweil in den ehemaligen Räumen weiter.

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