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Ein einziger Schnitt. Menachem Fleischmann (l.) beschnitt den kleinen Mendel – der brüllte heftig.

© Georg Moritz

Zu Gast bei einer Beschneidung: „Mazel Tov!“

Zwischen Sushi, koscherem Wein und Klezmer: Wir waren zu Gast bei der Beschneidung von Mendel, dem Sohn von Rabbi Yehuda Teichtal.

Sie haben die schwarzen Anzüge aufgebügelt und schicke Blusen und Röcke angezogen. Denn heute ist ein Festtag. Heute wird der Sohn von Rabbiner Yehuda Teichtal beschnitten. 400 Gäste sind um kurz nach 14 Uhr in die Münstersche Straße in Wilmersdorf gekommen, Freunde, Bekannte, Verwandte, Rabbiner aus Deutschland und Polen. Sie alle drängen nun in die Synagoge. Vorne auf dem Toratisch breitet Menachem Fleischmann, der Mohel, Scherchen aus und ein silbernes Messer. Fleischmann ist aus Israel eingeflogen, seit 36 Jahren ist er professioneller jüdischer Beschneider.

Yehuda und Leah Teichtal sind vor 13 Jahren aus den USA nach Berlin gekommen, um hier für die orthodoxe Gemeinschaft Chabad Lubawitsch eine Gemeinde aufzubauen und um den Deutschen zu zeigen, dass Judentum etwas Fröhliches ist und mehr als Gedenkrituale und Polizeischutz. Als es vergangenen Sommer so aussah, als könnte in Deutschland die Beschneidung verboten werden, waren sie tief beunruhigt. Jüdisches Leben ohne Beschneidung? „Undenkbar“, sagte Teichtal und ließ sogar den israelischen Oberrabbiner einfliegen, um den Politikern klar zu machen, dass die Zirkumzision aus seiner Sicht nicht irgendeine Vorschrift ist, sondern das Gebot, das einen Juden zum Juden macht.

Das sechste Kind der Teichtals wurde vor drei Wochen geboren, war aber zu schwach, um am achten Tag beschnitten zu werden, wie es eigentlich vorgeschrieben ist. „Die Gesundheit geht vor“, sagt Teichtal und begrüßt den Mohel vorne am Tisch. Die Plätze sind längst besetzt, viele Gäste stehen und drängen um den Toratisch, Kinder klettern auf Stühle, um besser zu sehen, was da gleich passiert.

Sehen Sie hier ein Video zu der feierlichen Beschneidung:

Der Säugling ist in festliche weiße Decken gehüllt und wird jetzt von der Mutter hereingetragen. „Leah, Du bist die Queen des Tages“, ruft Yehuda Teichtal seiner Frau zu. Direkt nach vorne kommt sie nicht, das Kind wird durch viele Rabbinerhände gereicht. Es ist eine große Ehre, das Baby halten zu dürfen. Schließlich setzt sich der Großvater mit dem Knaben in den „Elias-Stuhl“ direkt neben den Mohel, benannt nach dem Propheten Elias, der Segen für das Kind bringen soll. Dass der Mohel ihn bis auf die Haut aufdeckt, gefällt dem Jungen nicht, er fängt an zu schreien. Da hat der Mohel die Vorhaut des winzigen Penis schon nach oben gezogen und in Sekundenschnelle mit einem einzigen Schnitt abgetrennt. Der Kleine brüllt nun heftig. Fleischmann betupft die Wunde mit Desinfektionsmittel und wickelt eine mit Betäubungsmittel getränkte Binde darum – schon ist die Windel wieder zu. Keine zwei Minuten hat die Beschneidung gedauert.

Mit Segenswünschen und Gebeten wird der Junge in die Gemeinschaft aufgenommen und hoch gehoben. Jetzt erhält er auch seinen Namen: Mendel. „Mazel Tov!“ singen und klatschen alle und lassen „David Melech Israel“ hochleben, den König Israels. Während sich die Erwachsenen an Sushi, koscherem Wein und Süßem laben und eine Band Klezmer spielt, eilt der Mohel in ein Nebenzimmer zu dem Säugling. Er hat sich schnell beruhigt, muss aber gleich noch einmal versorgt werden. Ein Fingertupfen Wein, den ihm der Mohel vorher in den Mund geträufelt hat, wird ihn gleich zum Schlafen bringen.

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