zum Hauptinhalt
Ein stattlicher Baobab im Gonarezhou National Park, Zimbabwe.

© imago/Westend61

Freie Universität Berlin: Stumme Zeugen des Klimawandels

Was Affenbrotbäume uns über das Erdklima verraten, erforscht der Paläobiologe Frank Riedel. Die Baobabs sind sein Archiv.

Es ist eine Reise in vergangene Jahrhunderte. Wenn Frank Riedel sich aufmacht nach Namibia, Botswana und Südafrika oder wenn er in den Oman fliegt, fährt er dort mit einem Forscherteam zu den Baobabs, den mächtigen Bäumen des tropischen Afrika. Er setzt den Bohrer samt Bohrkern an, dringt in schweißtreibender Gemeinschaftsarbeit in das Zentrum des Stammes ein und entnimmt schließlich ein Stück Holz in Form eines langen Stiftes – daran kann er Jahresringe von bis zu 1000 Jahren erkennen.

Der Paläobiologe kann anhand der Proben zum Beispiel sehen, wie stark die Bäume während der Regenzeiten gewachsen sind. Er kann ablesen, wie kräftig der Niederschlag gewesen ist, welche Trockenzeiten es gegeben haben muss und ob diese im Laufe der Epochen länger geworden sind. „Baobabs funktionieren ähnlich wie Kakteen“, sagt Riedel. „Sie können Wasser speichern und auf diese Weise lange Dürreperioden überstehen.“

Für seine Forschungsarbeit kommt dem Wissenschaftler zugute, dass er in mehreren Fachdisziplinen zu Hause ist: „Ich war schon zu Schulzeiten ein Mensch mit breit gefächerten Interessen“, sagt der 53-Jährige. Manchmal habe er das als Hindernis empfunden, meist jedoch als Vorteil. Die Entscheidung für einen einzigen Beruf sei ihm nicht leicht gefallen.

Nicht immer nur im Labor arbeiten

Nach dem Abitur fuhr Frank Riedel zunächst mit der Bundesmarine zur See. Der damals 18-Jährige wollte die Welt sehen und kam doch nur selten über Nord- und Ostsee hinaus. Reisen in die Ferne blieben sein Sehnsuchtsziel, doch nach knapp vier Jahren bei der Marine galt es zunächst, das passende Studium zu suchen. Riedel entschied sich, zumindest zwei seiner Interessen miteinander zu verbinden: die Geologie und die Biologie.

In Kursen wie „Mikrobiologie“ wurde ihm klar, dass er nicht den Großteil seines Berufslebens im Labor verbringen wollte. „Aber mir war auch bewusst geworden, dass ich interdisziplinär arbeiten wollte“, erinnert sich Riedel. Seinen wissenschaftlichen Weg richtete er konsequent danach aus. In Hamburg schrieb er seine Promotion am Fachbereich Geowissenschaften, um sie anschließend am Fachbereich Biologie zu verteidigen.

Im Januar 2001 berief die Freie Universität Berlin Frank Riedel an den Fachbereich Geowissenschaften in Lankwitz – der Professor brachte seine eigene Fachrichtung, die Paläobiologie, gleich mit. Ihm gehe es nicht nur darum, die historische Biologie zu erforschen und zu lehren, sagt Riedel: „Die Erforschung von Fossilien ergibt ein Bild der Vergangenheit mit großen Lücken, weil nur wenige Lebewesen fossil erhalten geblieben sind.“ Deshalb sei sein Ansatz – und der von einigen Kollegen –, von rezenten, also noch lebenden oder in jüngerer Zeit ausgestorbenen Arten, Rückschlüsse auf die Evolutionsgeschichte zu ziehen.

Frank Riedel will von noch lebenden oder in jüngerer Zeit ausgestorbenen Arten Rückschlüsse auf die Evolutionsgeschichte ziehen.
Frank Riedel will von noch lebenden oder in jüngerer Zeit ausgestorbenen Arten Rückschlüsse auf die Evolutionsgeschichte ziehen.

© Lennart Paul

Ist die Paläobiologie eine in die Vergangenheit gerichtete Wissenschaft? Keineswegs, wie das Baobab-Projekt zeigt: Frank Riedel und seine Kollegen, Gerd Helle vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam und Uwe Heußner vom Deutschen Archäologischen Institut, wollen den Forschungsergebnissen der Mathematiker, Physiker und Meteorologen, die zurzeit die Debatte um den Klimawandel bestimmen, eine wichtige Facette hinzufügen. „Meteorologen können in ihren Beobachtungen gerade einmal 130 bis 140 Jahre zurückgehen“, sagt Riedel. „Das ist für die Erforschung langfristiger Klimamuster ein viel zu kurzer Zeitraum.“

So treten große Dürren im südlichen Afrika möglicherweise etwa alle 70 Jahre auf, Meteorologen hätten diese deshalb in ihren Aufzeichnungen genau einmal erfasst: „Das ist natürlich noch kein Muster, es verrät nichts darüber, ob die Dürre wirklich regelmäßig auftritt und was dahintersteckt“, sagt Riedel. So treten große Dürren im südlichen Afrika möglicherweise etwa alle 70 Jahre auf, Meteorologen hätten diese deshalb in ihren Aufzeichnungen genau einmal erfasst: „Das ist natürlich noch kein Muster, es verrät nichts darüber, ob die Dürre wirklich regelmäßig auftritt und was dahintersteckt“, sagt Riedel. Die derzeitigen Klimamodelle für Afrika basierten auf zu wenigen Daten und seien deswegen stark fehlerbehaftet. „Aber auf diesen Modellen baut die Politik zum Klimaschutz auf.“ 

In den Randbereichen einer Klimazone sieht man Veränderungen am besten

Seit seinem Ruf an die Freie Universität Berlin beschäftigte sich Frank Riedel damit, welche natürlichen „Klimaarchive“ weit in die Vergangenheit zurückreichen und gleichzeitig Klimavariabilität innerhalb eines Jahres oder sogar einer Jahreszeit zeigen können. 2010 entdeckte Riedel die Baobabs für seine Forschung – unter anderem, weil ein Kollege nachgewiesen hatte, dass die legendären afrikanischen Affenbrotbäume bis zu 2000 Jahre alt werden können.

Baobabs schrumpfen während der Trockenzeit, und sie schwellen während der Regenzeit an. Diese Unterschiede lassen sich über Jahrhunderte nachweisen, mit sogenannten dendrochronologischen Methoden, die die Isotopengeochemie einbeziehen.

Dafür reist Frank Riedel regelmäßig durch das südliche Afrika. Aber auch im Dhofar-Gebirge im Oman gibt es Baobabs, weil bis dorthin die Niederschläge des Monsuns reichen. „Gerade in diesen Randbereichen einer Klimazone sieht man Veränderungen am besten“, sagt er. In allen Ländern arbeiten die Klimaforscher aus Deutschland mit lokalen Partnern zusammen. Diese helfen auch dabei, zu Dorfgemeinschaften Kontakt aufzunehmen und ihnen zu erklären, weshalb die Wissenschaftler in ihrer Region Bohrungen an einem jahrhundertealten Baobab vornehmen wollen.

Wenn die Arbeit von Frank Riedel und seinen Kollegen Erfolg hat, existiert bald ein Klimaarchiv für das südliche Afrika. Dann ließen sich nicht nur Aussagen über Entwicklungen der vergangenen Jahrhunderte treffen, sondern es könnten auch regionale Veränderungen erfasst werden. „Das Klima verändert sich natürlich nicht an allen Orten gleichmäßig“, sagt Riedel. „Jede Region separat zu betrachten, ist sehr aufwendig. Aber nur das wird dem Anspruch gerecht, den Menschen eine seriöse Prognose über das künftige Klima ihrer Region zu geben.“

Lennart Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false