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Sorge um den Nachwuchs. Jan Zabeils Vater-Sohn-Story „Drei Zinnen“ mit Alexander Fehling gewann den Förderpreis in Hof.

© Hofer Filmtage

51. Hofer Filmtage: Jetzt helfe ich mir selbst

Wird Hof zum Fernsehfestival? Neustart bei den Hofer Filmtagen, im Jahr Eins nach Heinz Badewitz - mit Traditionsbewusstsein und mehr Debatten.

Wenn in Oberfranken die Blätter welken und sich vorm Kino in der Fußgängerzone eine Schlange beim „Wärschtlamoo“ bildet, steht Hof im Zeichen der Filmtage. Der Bratwurststand gehört zur Folklore jenes traditionsreichen Festivals, das in diesem Jahr seine 51. Auflage erlebte und am Sonntag zu Ende ging.In den letzten Jahren waren Zweifel an Relevanz und Zukunftsfähigkeit der Filmtage aufgekommen, auch als „der Heinz“ noch lebte. Heinz Badewitz hatte das Familientreffen des deutschen Films mit internationalen

In den letzten Jahren waren Zweifel an Relevanz und Zukunftsfähigkeit der Filmtage aufgekommen, auch als „der Heinz“ noch lebte. Heinz Badewitz hatte das Familientreffen des deutschen Films mit internationalen Geste im Geist der 68er gegründet; bis zu seinem plötzlichen Tod 2016 galt er als dienstältester Festivalchef der Welt. Das runde Jubiläum im vergangenen Jahr geriet so zur Würdigung seines Lebenswerks. Doch wie weitermachen, wenn der Alltag ruft?

Badewitz’ Nachfolger heißt Thorsten Schaumann. Er ist ein Jahr jünger als das Festival und kann Erfahrung im Filmvertrieb vorweisen. Kontroverse Diskussionen wolle er fördern und auf den Nachwuchs setzen, hatte Schaumann angekündigt. Das schien dringend nötig, denn so mancher sah in dem Festival längst ein angestaubtes Veteranentreffen.

Loyalität gilt in der familiären Atmosphäre von Hof gleichwohl als Tugend, die Filmtage leben von der Mischung aus Jungregisseuren und alten Bekannten wie Dominik Graf, der diesmal mit einem Dokumentarfilm über den Porzellan-Fabrikanten Philip Rosenthal vertreten war. Eine typische Hofer Karriere verkörpert Axel Ranisch: Der 34-jährige Berliner war 2008 mit einem Kurzfilm eingeladen, nun stellte er mit dem Tatort „Waldlust“ seinen fünften Film vor, auf dem laut Ranisch „schönsten Festival der Welt“.

Das Kleine Fernsehspielt ist mit gleich drei Koproduktionen dabei

Der Meister des deutschen Mumblecore mutet dem Zuschauer des Sonntagabendkrimis allerhand zu: skurrilen Humor, improvisierte Dialoge sowie eine eigens komponierte Sinfonie, die als Drehbuch diente. Ulrike Folkerts als Lena Odenthal wusste selbst nicht, wer der Täter ist, „ermittelte“ mit ihrem Team quasi unter echten Bedingungen. So viel Frische und Mut zum Experiment wünscht man sich öfter vom deutschen Fernsehen. Ausgestrahlt wird „Waldlust“ im nächsten Jahr.

Der deutsche Mumblecore-Filmer Axel Ranisch zeigte seinen zweiten "Tatort" in Hof, "Waldlust" mit Ulrike Folkerts, der 2018 ausgestrahlt wird.
Der deutsche Mumblecore-Filmer Axel Ranisch zeigte seinen zweiten "Tatort" in Hof, "Waldlust" mit Ulrike Folkerts, der 2018 ausgestrahlt wird.

© Hofer Filmtage

Manchen Filmen sieht man an, dass sie fürs TV produziert sind: ein Ärgernis auf einem Festival wie Hof und nicht allein eine Frage des Geldes. WDR und Degeto schickten mit der Dystopie „Aufbruch ins Ungewisse“ ein so gut gemeintes wie vorhersehbares TV-Stück zu den Filmtagen. In einer nahen Zukunft fliehen massenweise Deutsche vor einem totalitären Regime nach Afrika. Eigentlich eine spannende Idee, aber eilfertig werden Sehkonventionen bedient, mit zigfach gehörten Dialogen und seichtem Streicherschmelz.

Wie auch Unkonventionelles entstehen kann, beweist seit Jahrzehnten das Kleine Fernsehspiel des ZDF. Gleich drei Koproduktionen der Sendereihe präsentierte das Festival, sie zählten zu den Beiträgen in diesem Jahr. Frieder Schlaichs Gerichtsdrama „Naomis Reise“ erzählt von einer jungen Peruanerin, die für einen Mordprozess nach Berlin kommt. Das Opfer: ihre Schwester, der Täter: deren deutscher Mann. Schlaich breitet das Dilemma kultureller Missverständnisse und Abhängigkeiten aus, kontrastiert Naomis Aufgewühltheit mit der kalten Sachlichkeit der Justiz. Dass der Regisseur Richter und Anwälte mit praktizierenden Juristen besetzt, sorgt für immense Glaubhaftigkeit.

Einzelschicksale dominieren bei den Filmen in Hof

„Somewhere in Tong“, das Spielfilmdebüt des Dokumentaristen Florian Schewe, beleuchtet das fragile Vertrauensverhältnis zwischen zwei Deutschen auf einer Pazifikinsel, dem Sozialpädagogen Wolski (Sascha Alexander Geršak) und einem in seiner Wut unberechenbaren Jugendlichen (Luis Pintsch). Wolski übernimmt Verantwortung für seinen Schützling – ein Thema in etlichen Filmen. In „Freiheit“ von Jan Speckenbach, ebenfalls ein Kleines Fernsehspiel, entledigt sich eine Anwältin, Ehefrau und Mutter zweier Kinder (Johanna Wokalek) aller sozialen Pflichten. Ohne Vorwarnung lässt sie ihr altes Leben zurück, probiert Identitäten aus, lässt sich auf fremde Männer und Aushilfsjobs ein, während ihre Familie den Verlust zu verarbeiten versucht.

In "Naomis Reise" kommt eine Peruanerin für einen Mordprozess nach Berlin: Frieder Schlaichs ZDF-Film wurde vom Kleinen Fernsehspiel koproduziert.
In "Naomis Reise" kommt eine Peruanerin für einen Mordprozess nach Berlin: Frieder Schlaichs ZDF-Film wurde vom Kleinen Fernsehspiel koproduziert.

© Hofer Filmtage

Mehr Verantwortung wünscht sich Aaron (Alexander Fehling) in Jan Zabeils Eröffnungsfilm „Drei Zinnen“, der schon in Locarno zu sehen war und den Förderpreis gewann (10 000 Euro). Eine dreiköpfige Patchworkfamilie in den Dolomiten: Während Aaron um die Zuneigung seines Stiefsohns buhlt, ist der zwischen dem neuen Vater und der Sehnsucht nach seinem leiblichen Erzeuger hin- und hergerissen. Zabeil wählt erneut eine symbolstarke Naturlandschaft: Als der Gebirgsnebel dichter wird, eskalieren die Konflikte.

Fazit der Debatten: Gut wären weniger deutsche Filme, gezielter gefördert

Einzelschicksale dominieren die Hofer Filme, gesellschaftliche Verantwortung ist ein selteneres Thema, etwa im Langfilmdebüt von Daniel Wild, der cleveren Mediensatire „Lux – Krieger des Lichts“, ausgezeichnet mit dem Heinz-Badewitz-Preis für Nachwuchsregie. Torsten Kachel (Franz Rogowski) alias Lux ist ein argloser Gutmensch, der im selbstgebastelten Superheldenkostüm Lebensmittel an Obdachlose verteilt. Als ein Filmteam ihn vermarktet, gibt Kachel nach und nach unter dem Quotendruck seine Ideale auf. Dem Regisseur gelingt es, eine moralische Geschichte ohne Moralinsäure zu erzählen, stattdessen mit sanftem Witz.

Und die versprochenen Diskussionen? Sie entbrannten nicht nur vor dem Bratwurststand, sondern auch im neuen Rahmenprogramm. Filmschaffende, -förderer und -verleiher sprachen als „Jäger des verlorenen Zuschauers“ über die Zukunft des Kinos. Ihr Fazit: Weniger Filme, gezielter gefördert, würden allen guttun. Denn in Zeiten schließender Lichtspielhäuser, von Netflix und Amazon schaffen es selbst erfolgreiche Festivalfilme oft nicht in die Kinos. Wenn es schlecht läuft, könnte die Aufgabe auch der Filmtage künftig darin liegen, begeisternde Filme zu zeigen, die nirgendwo anders zu sehen sind.

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