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Kultur: Am Kreuz der Zeit

Kinder der Kunstgeschichte: Muntean/Rosenblum bei Arndt & Partner

Junge Menschen in Turnschuhen, blass, elegisch, manchmal auch sentimental, scheinen das Lieblingsthema der gegenwärtigen Malerei zu sein. Ob Tim Eitel oder Martin Eder, der Pole Rafael Bujnowski oder die Amerikaner Hernan Bas und Elizabeth Peyton: Sie alle feiern in ihren Bildern eine seltsame Jugendweihe – und haben damit Riesenerfolg. International reißt man sich um die gegenständliche Welle der Malerei, die nach wie vor das beherrschende Thema in Ausstellungen wie auf dem Markt stellt.

Das jüngste Trend-Produkt ist nun, als Neuzugang, in der Berliner Galerie Arndt & Partner zu bewundern: das österreichisch-israelische Malerduo Muntean/Rosenblum. Beide sind Jahrgang 1962 und leben in London und Wien. In ihrer ersten Einzelausstellung in Berlin zeigen sie vier neue Bilder, eine Videoarbeit und ein Konvolut von Zeichnungen. Da sind sie wieder, die Jugendlichen, versammeln sich vor dem Fernseher, klettern auf Bäume. Turnschuhe, Jeans und Markenkleidung, dazu viel nackte Haut, das Ganze in dünnen, zeichnungshaft hingewischten Pinselstrichen. Kombiniert werden die Szenen mit Zitaten aus Zeitungsartikeln, die aber nicht in direktem Zusammenhang mit den Sujets stehen. Da stehen dann geheimnisvolle Sätze wie „There was no warmth between us“ oder „In those days everything was gloriously open to question“.

Recht epigonal, könnte man meinen, wären da nicht sehr bewusst gesetzte Bezüge zur Kunstgeschichte. Der Junge, der dort auf einen Baum steigt, erinnert in seiner Haltung an den Heiligen Sebastian oder Christus am Kreuz. Ein anderer liegt mit bloßem Oberkörper am Boden, in der Pose des „Toten Christus“ , während sich die anderen zum Chor zusammenfinden. Bauarbeiter wuchten in einem Graben schwere Steine – Sisyphus lässt grüßen. Und die Kinder, die sich in der Nachmittagsstunde vor dem Fernseher versammeln, sitzen in einem klassischen Interieur mit Fensterausblick.

Deutlicher noch wird diese Technik in dem Videoloop „It is never facts that tell“ von 2004: Eine Schwarz-Weiß-Sequenz mit vier Demonstranten, die auf einer Müllhalde Plakate hochhalten. Das ist die Handlung. Was man jedoch sieht, sind nackte Äste, die sich in einen dramatisch bewölkten Himmel recken. Vogelschwärme, die kreisen. Eine Hand, die sich in ein Tuch (die Fahne) krallt. Und ein klares, schönes Gesicht, dem Licht entgegengewandt. Der dänische Stummfilmregisseur Carl Theodor Dreyer hat solche emphatischen Schwarzweißbilder gezeigt, in seiner „Passion der Jeanne d’Arc“. Oder, aus jüngerer Zeit, die iranische Videokünstlerin Shirin Neshat in ihren elaborierten Schwarzweißfilmen über Tod, Ausgrenzung und Einsamkeit. Dazu erklingt bei Muntean/Rosenblum eine dramatische Vivaldi-Arie: Pathos pur.

Es ist dieser reflektierte Umgang mit Pathos, der die Bilder aus reiner gesellschaftlicher Szenemalerei heraushebt. Diese schönen, jungen Menschen, denen man aufgrund ihrer Markenfixiertheit eine gewisse Leere zuschreiben möchte, nehmen Positionen aus klassischen Tragöden ein. Doch posieren sie wirklich nur? Was ist Berechnung, was ist unschuldige Wiederholung des ewig alten Dramas? Was bewusste Provokation, was naiver Größenwahn? Ein Narr, wer glauben würde, Muntean/Rosenblum hätten diese Fragen nicht bedacht. Indem sie die Erwartungen überbedienen, führen sie gleichzeitig deren Zeitgebundenheit vor. Eine Malerei, die sich aus der Gegenwart rückwärts in die Vergangenheit malt.

Dass unsere Zeit die Botschaft hören will, zeigt der rasante Erfolg des seit 1992 gemeinsam arbeitenden Künstlerduos. Soloausstellungen in der Londoner Tate Britain und dem Australien Centre for Contemporary Art in Melbourne, Teilnahmen an der Biennale in Sao Paolo oder der 2. Berlin Biennale und – natürlich – eine Präsenz in der Saatchi Gallery sind nur einige Stationen. Und auch in Berlin werden sie mit offenen Armen empfangen: Die vier Großformate – immerhin auf je 52000 Euro angesetzt – waren am Eröffnungsabend verkauft. Und die Wartelisten sind lang.

Muntean/Rosenblum, Galerie Arndt & Partner, Zimmerstraße 90–91, bis 30. April, Dienstag bis Sonnabend 11–18 Uhr.

Christina Tilmann

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