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Die Wüste lebt. Scheich Muhammad (Amr Waked) und der Fischzuchtexperte Alfred Jones (Ewan McGregor) beim Angeln in Jemen. Foto: Concorde

© dpa

Kultur: Am liebsten Süßwasser

Lasse Hallströms Politromanze „Lachsfischen im Jemen“, mit Ewan McGregor und Emily Blunt.

Ein ambitioniertes Millionenprojekt, Triumph des Fortschritts, Huldigung der göttlichen Schöpfung, ein Akt menschlicher Hybris, eine Metapher für die Liebe, ein verrückter Traum – all das ist „Lachsfischen im Jemen“. Doch zuallererst ist es – ein Paradox. Lachsfischen und Jemen, schon die Begriffe schließen einander aus. Gleich zu Beginn des Films klärt ein ausführlicher Exkurs über die Unvereinbarkeit auf: Lachse brauchen kühles, sauerstoffreiches Süßwasser, im Jemen ist es heiß und Wasser ein knappes Gut.

Ewan McGregor spielt den Fischspezialisten Dr. Alfred Jones, der sich mit dem Vorhaben eines jemenitischen Scheichs (Amr Waked) konfrontiert sieht, in seiner Heimat Lachse ansiedeln zu wollen. Dem kleinkarierten Akademiker sind solche Luftschlösser zuwider, mit einer schnippischen Mail bügelt er die Anfrage der vom Scheich beauftragten Beraterfirma ab und hält die Angelegenheit für erledigt. Das wäre sie wohl auch, wenn nicht die Regierung verzweifelt auf der Suche nach einer britisch-arabischen Erfolgsgeschichte wäre. Da kommt das Lachsprojekt wie gerufen; die zielstrebige Pressesprecherin Patricia Maxwell (Kristin Scott Thomas) macht es sich zur Aufgabe, dass es auch umgesetzt wird. Geld spielt keine Rolle, der Scheich ist unermesslich reich.

Nachdem die Unmöglichkeit vom Lachsfischen im Jemen dargelegt ist, erzählt Lasse Hallströms Film nun davon, warum es dennoch machbar und sinnvoll ist. Für den Spezialisten Jones sind es vor allem zwei Aspekte, die seinen Sinneswandel einläuten: Dass sich Scheich Muhammad als wahrer Kenner und Liebhaber des Lachsfischens erweist, und dass er Jones die tüchtige Harriet ChetwodeTalbot (Emily Blunt) an die Seite stellt, die für den organisatorischen Teil zuständig ist. Ihr gelingt es, Jones’ unmögliche Forderungen etwa nach einem Treffen mit den Architekten der Drei-Schluchten-Talsperre zu erfüllen, so gewinnt sie mehr als nur seine professionelle Anerkennung.

Natürlich gibt es Verwicklungen. Jones ist verheiratet und trotz freudloser Ehe passt eine Scheidung nicht zu seinem Selbstbild. Und Chetwode-Talbot ist frisch verliebt in einen feschen britischen Soldaten, der allerdings nach Afghanistan geschickt und dort kurz darauf vermisst gemeldet wird. Für sie ist das Projekt ein Symbol für die Hoffnung auf das Wunder. Für Jones bedeutet es den Mut zum Schritt ins Ungewisse.

„Lachsfischen im Jemen“ basiert auf einem Text des britischen Schriftstellers Paul Torday, dessen literarische Gattung man wohl immer noch als Briefroman bezeichnet, auch wenn die Geschichte anhand von Mails, Chats und SMS erzählt wird. Die Verfilmung greift die Erzählweise der Vorlage auf, beginnt mit einer Mailkorrespondenz und endet mit einem Chat. Das Drehbuch stammt von Simon Beaufoy, der zuletzt bei „Slumdog Millionär“ und „127 Hours“ Bücher zu Erfolgsfproduktionen machte. Regisseur Hallström wiederum hat eine ebenso lange wie abwechslungsreiche Liste erfolgreicher Literaturadaptionen vorzuweisen, von den schwedischen Kinderfilmen „Mein Leben als Hund“ und „Wir Kinder aus Bullerbü“ über Hollywoodwerke wie „Gilbert Grape“ und „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ bis zu internationalen Arbeiten wie „Chocolat“.

„Lachsfischen“ stellt mit seinem wilden Stilmix eine besondere Herausforderung dar. Die Geschichte beginnt als Politsatire, flirtet dann mit Terrorismus-Thriller, Märchen, religiösem Gleichnis und romantischer Komödie. Die verschiedenen Stile kommen sich gelegentlich in die Quere, wenn etwa die satiregerecht karikaturesk eingeführten Figuren umständlich rehabilitiert werden müssen, um eine bewegende Liebesgeschichte zu ermöglichen. Doch den Hauptdarstellern McGregor und Blunt gelingt der Spagat, sie verleihen ihren Figuren bei aller Komik genügend Tiefe, um auch ernsthaft glaubwürdig zu sein. Kristin Scott Thomas bleibt dagegen ganz bei der bissigen Satire der Eingangsszenen und scheint bei ihren weiteren Auftritten mehr und mehr aus einem anderen Film zu kommen.

Eine reizvolle Reibung – schade, dass es nicht mehr davon gibt. Mit seiner Tendenz zum Versöhnlichen bügelt Hallström so manche Falte weg. Der Scheich bleibt ein edler, geheimnisvoller Orientale, die Szenen im Jemen (gedreht im stabileren Marokko) muten wie ein Werbeclip der Tourismusindustrie an. Die Entscheidung, den schwierigen Stoff dem Adaptionsspezialisten Hallström anzuvertrauen, ist nachvollziehbar. Aber es wäre interessant gewesen zu sehen, was ein mutigerer Regisseur daraus gemacht hätte, der sich mehr für Brüche und Widersprüche interessiert.

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