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Beiß! Mich! An! Angélique (Isabelle Carré) und Jean René (B. Poelvoorde).

© Delphi

Kultur: Angélique und der Kakao

Noch süßer: „Die Anonymen Romantiker“ von Jean-Pierre Améris.

Die „Danke, Klaus“-Rituale der Anonymen Alkoholiker kennt wohl jeder. Ganz ähnlich agieren die von Filmemacher Jean-Pierre Améris und Koautor Philippe Blasbande frei erfundenen Anonymen Romantiker. Wobei der deutsche Titel verwirrt: Im Original sind es die „Émotifs Anonymes“, also eher Sensibelchen als Leute mit der blauen Blume im Knopfloch, deren Treffen die hübsche Angélique (zerbrechlich: Isabelle Carré) besucht. Zudem ist Angélique sogar eher mit einer ausgewachsenen sozialen Angststörung geschlagen – ein Krankheitsbild, das sie mit Jean-René (charmant ungelenk: Benoît Poelvoorde) teilt, dem Chef einer kleinen Pralinen-Manufaktur, in der sie seit kurzem arbeitet.

Der Patron panzert sein Leiden mit Härte, zusätzlich soll ein im Schreibtisch versteckter Kassettenrekorder mit Beruhigungs-Mantras helfen. Nach der Arbeit geht Jean-René statt zum AR-Treffen zum Psychologen. Doch der geriert sich mehr als Kuppler denn als Therapeut.

Doch auch der Betrieb selbst hat Probleme: Wegen minderwertiger Ware, heißt es, steht er vor dem Konkurs. Angélique könnte dem abhelfen, schließlich war sie einmal die beste Chocolatière der Stadt, doch leider sehr im Geheimen. Und überdies hat Jean-René sie nicht zur Pralinenproduktion, sondern als Handelsvertreterin eingestellt, eine denkbar ungeeignete Aufgabe für das späte Mädchen im lindgrünen Mantel.

Spätestens jetzt ist der Film reif für die Liebe – und verdrängt alsbald, wenngleich aufgrund der beiderseitigen Handicaps hindernisreich dahinmäandernd, mit Macht die Bedrängnisse unter anderem der Trüffelschnitten-Produktion. Leider aber zünden auch Timing und Tempo der romantischen Komödie nicht wirklich, trotz der genreüblichen Peinlichkeitssituationen. Und wenn Jean-René während einer vom Therapeuten angeordneten Essenseinladung aus Nervosität zum vierten Mal die Toilette aufsucht, um sein Hemd zu wechseln, erweckt das statt steigender Heiterkeit bald nur noch Langeweile.

Masochisten mögen ersatzweise davon träumen, was etwa Aki Kaurismäki aus dem Stoff gemacht hätte. Immerhin die Darsteller sind so ansehnlich wie anrührend, und neben der geschmackvollen Ausstattung in melancholischen Pastellfarben überzeugen ein paar hübsch choreografierte Songs. Dennoch: Auch kauzige Menschen sind nicht unbedingt abendfüllend.

In neun Kinos; OmU in den Hackeschen Höfen und im Cinema Paris

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