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Das runde Ding (hinten) soll 2021 abgeschaltet werden. Der Elbstrand in Brokdorf mit Atomkraftwerk.

© Antje Hubert / die thede

Atom-Doku: Monster vor der Tür

Das Waterloo der deutschen Anti-Atomkraftbewegung: Die Kino-Dokumentation „Das Ding am Deich“ zeigt Menschen rund um das AKW Brokdorf.

Wenn man die Verhinderung des AKW Wyhl das Austerlitz der westdeutschen Anti-Atomkraft-Bewegung nennen kann, dann war Brokdorf ihr Waterloo – mit dem Unterschied, dass sich die Schlacht mit ihren Teilniederlagen und trügerischen Scheinsiegen über Jahrzehnte hinzog und die Lebensläufe der an ihr Beteiligten tief prägte.

Die Bauern Ali und Marlene Reimers lebten 1973 in dieser durch Brokdorf und das nahe Wewelsfleth markierten Kampfzone, als 1973 der Beschluss für ein viertes AKW an der Unterelbe fiel. Im Lauf der Jahre wurden sie zu wiederkehrenden medialen Gesichtern des ländlichen Widerstands, die nach der Inbetriebnahme 1986 resigniert ihr Versagen konstatieren mussten. Oder der Meteorologe Karsten Hinrichsen: Immer noch ist er, der mit seiner Katze unterhalb des Kraftwerks wohnt und damals gegen die Landesregierung geklagt hatte, bei Aktionen und Menschenketten dabei. Im Alltag aber hat er sich mit dem Monster nebenan arrangiert.

Antje Hubert hat diese Menschen und einige andere über ein Jahr lang für ihren Film besucht. Sie lässt sich Fotoalben und Evakuierungspläne zeigen – und auch Medikamente, die „möglichst vor dem Störfall“ eingenommen werden sollen, wie es der Bürgermeister von Wewelsfleth mit trockenem Humor erklärt. Parallel rollt der Film anhand von Archivaufnahmen die Geschichte der Kämpfe um das Kraftwerk auf. Für die anfangs naiven Aktivisten erwies sie sich als Desillusionierungsschule in Sachen Demokratie und Rechtsstaat: So rückten noch während der Erörterungsverfahren in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Baumaschinen an, und während des gerichtlich verhängten Baustopps wurde das Atomgesetz mal eben passend zurechtgestutzt.

Hubert spart sich den Kommentar, verhehlt ihre Parteilichkeit aber nicht und unterstreicht die sympathische und reflektierte Präsenz der AKW-Gegner listig durch hohle Statements von damaligen CDU-Politikern wie Uwe Barschel und Gerhard Stoltenberg. Dabei geht es ihr mehr um Einfühlung als Analyse. Dennoch schimmert immer wieder durch, dass es vor allem taktische Fehler und Spaltungen waren, die die Bewegung schwächten.

Begonnen wurde „Das Ding am Deich“ kurz vor dem Beschluss der schwarz-gelben Koalitiion zur Laufzeitverlängerung. Beendet wurde der Film, nachdem die Katastrophe von Fukushima die sogenannte Energiewende eingeläutet hatte, die zur Abschaffung der Atomenergie in Deutschland führen soll. Ein später Sieg? Vielleicht. Einstweilen aber steht das AKW so unübersehbar wie eh und je in der platten Landschaft – und strahlt. Nach derzeitiger Beschlusslage soll es 2021 abgeschaltet werden, später auch abgebaut. Bis dahin kann noch einiges geschehen. „Wir müssen schneller sein als das Unglück“, sagt Meteorologe Hinrichsen. Und Ali Reimers stellt noch mal die selbstgebaute Anti-AtomsonnenFlagge vor das Haus. Er weiß genau, dass er den Deich ohne das Ding nicht mehr erleben wird.

In Berlin im Babylon Mitte und Eiszeit

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