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Kultur: Auf heißen Händen

Pina Bausch gegen Monty Python: Die Deutsche Oper triumphiert mit Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“.

Es geht also doch. Ein Opernabend, der Witz und Tiefsinn mit leichter Hand zusammenfügt, der unterhält, ohne derb zu werden, anregt, ohne in Bedeutungsschwere zu verfallen. Wann hat es das zuletzt an der Deutschen Oper gegeben? Von überquellender Warmherzigkeit ist der Beifall, mit dem das Publikum am Ende alle Beteiligten an dieser „Ariadne auf Naxos“ überschüttet, als gälte dieser Dank nicht nur der Premiere selbst, sondern einer wiedergewonnenen Zuversicht in das krisengeschüttelte Haus. Verständlich wär’s jedenfalls: Hätte die Deutsche Oper mehr Abende wie diesen im Angebot, bräuchte man sich keine Sorgen um sie zu machen und das aus Enttäuschung und Verärgerung über allzu viel Misslungenes der Bismarckstraße letzthin ferngebliebene Publikum, stünde wieder an den Kartenschaltern Schlange.

Überraschend kommt dieser Erfolg nicht. Denn erstens hatte diese (nur für fünf Vorstellungen) von der Bayerischen Staatsoper entliehene Produktion ihre Publikumswirksamkeit ja schon bewiesen, und zweitens vermag es der Kanadier Robert Carsen als Regisseur allen recht zu machen: den Sängern, dem Publikum, der großen Opernbühne selbst, auf der viele schöne Ideen schnell klein und hilflos aussehen. Doch Carsen, der hier sein überraschend spätes Berlin-Debüt gibt, ist ein Profi: Souverän schafft er sich für Strauss / Hofmannsthals kunstvolles Theater-auf-dem-Theater-Spiel den Raum, den er gerade braucht, behält im chaotischen Gewusel des Vorspiels die Übersicht, kann die Riesenbühne der Bismarckstraße aber auch unangestrengt mit ein, zwei Sängern füllen.

Das ist Musiktheater von Anfang an: Im Haus des „reichsten Mannes der Stadt“, der Künstler verschiedener Couleur als hochkulturelles Entertainment für seine Gäste versammelt hat, turnen schon zur Ouvertüre die Ballettratten, die später auch in die Aufführung der Oper „Ariadne auf Naxos“ involviert sein werden. Nicht im theresianischen Rokoko wird dieses Fest veranstaltet, sondern zwischen Glas und Beton. Und nicht Opera Seria und Commedia dell’Arte müssen, einer spontanen Anordnung des Geldgebers Folge leistend, mit- und gegeneinander antreten, sondern ihre aktuellen Nachfahren: Die hohe Kunst kommt als Tanztheater à la Pina Bausch daher. Die vier Witzbolde im Gefolge des Showgirls Zerbinetta dagegen scheinen direkt aus der fliegenden Zirkustruppe von Monty Python zu stammen.

Das tut dem Stück nur gut, weil der Gegensatz zwischen E und U, zwischen hehrer Kunst und kommerzieller Unterhaltung dadurch umso klarer hervortritt: Im historisierenden Harlekinaden-Kostüm, wie es sich Hofmannsthal und Strauss 1916 wünschten, würde ihre Zerbinetta inzwischen selbst nur als Vertreterin hoher Koloraturkunst begriffen werden. Bei Carsen ist sie vor allem sexy – mal mit Louise-Brooks-Perücke, dann, in ihrer Showeinlage „Großmächtige Prinzessin“ als Mae West von einem Rudel hot guys auf Händen getragen. Einerseits trifft das den Kern der Sache. Schließlich ist hier eine gute Viertelstunde von nichts anderem die Rede als von der Schwachheit der Frau angesichts gut gebauter Männerkörper. Andererseits wird die „Ariadne“ dadurch mit ihrer Entstehungszeit rückgekoppelt. Denn Hofmannsthal verarbeitete jenes Auseinanderdriften von Massenkultur und Elitenkunst, das im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts eine bis dahin unbekannte Dynamik erreichte.

Schon in der Art, wie die große Oper hier beschrieben wird, steckt ein gutes Stück Karikatur des nachwagnerschen Gesamtkunstwerks: Im zur Schau gestellten Heroinenpathos der sitzen gelassenen Kreterprinzessin ebenso wie im nicht enden wollenden Duett, in dem Bacchus und Ariadne mehrfach den Faden zu verlieren scheinen. Da verzeiht man es Carsen, dass die Redundanz dieses letzten Teils etwas zu deutlich spürbar wird. Die große weiße Wand, vor der das hehre Paar einander in die Arme sinkt, taugt letztlich als Projektionsfläche für jedes Drama (Bühne: Peter Pabst). Das wäre auch konkreter gegangen.

Dass der Abend auch diese prekäre Stelle kraftvoll überspielt, liegt vor allem am sicheren musikalischen Fundament. Unter Jacques Lacombe erinnert das Orchester der Deutschen Oper daran, was für leuchtende Strauss-Farben es eigentlich besitzt. Trotz gelegentlicher Wackelkontakte zur Bühne lässt der Abend keinen Zweifel daran, dass die Musiker in dieser Musik ebenso zu Hause sind wie diese Musik an der Deutschen Oper.

Mit ihren 17 Rollen ist „Ariadne auf Naxos“ ein Leistungstest für ein Besetzungsbüro. Die Deutsche Oper besteht ihn gut, sowohl bei den kleineren, durchweg markant profilierten Partien (Burkhard Ulrich als Tanzmeister, Lenus Carlson als Musiklehrer) als auch bei den Gaststars. Während Violeta Urmanas eine Ariadne mit Brünnhilden-Autorität ist, hält Roberto Saccás Bacchus mit der Strahlkraft eines jungen, aber durchsetzungsfähigen Gottes dagegen. Und wenn Carsen am Ende nicht nur das Heldenpaar vereint, sondern eigenmächtig auch den heißblütigen jungen Komponisten (Ruxandra Donose) und Zerbinetta (sexy bis ins hohe f: Jane Archibald) verkuppelt, hat wohl keiner etwas dagegen. Der Mann kann es eben allen recht machen.

Wieder am 11., 19., 21. u. 27. 2.

>> Tickets für " Ariadne auf Naxos "

Jörg Königsdorf

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