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AUFGESCHLAGEN ... Zugeschlagen: Auf eine Nase Koks mit Kohl

Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch. Seine ARD-Sendung „Druckfrisch“ macht Sommerpause bis zum 6. 9., 23.30 Uhr.

10) Jan Fleischhauer: Unter Linken

(Rowohlt Verlag, 351 Seiten, 16,90 €)

Eine kurzweilige Polemik über die vermeintliche Dominanz der Linken in allen meinungsbildenden Institutionen unseres Staates, voll schöner Einsichten wie: „Was Überzeugung genannt wird, ist oft nichts anderes als eine Adaptionsleistung im Meinungsumfeld.“ Dass manch Mächtiger seinen Körper im Lauf der Zeit mit dem seines Staates verwechselt, daran hat man sich gewöhnt. Jan Fleischhauer verwechselt originellerweise seinen Staat mit seiner Mutter. Diese Dame ist 73 Jahre alt und seit Jahrzehnten SPD-Mitglied. Dies führt Fleischhauer zur Diagnose: „Die Linke hat gesiegt, auf ganzer Linie, sie ist zum Juste Milieu derer geworden, die über unsere Kultur bestimmen.“ Ein schöner Traum. Ich fürchte aber, gesiegt hat lediglich Jan Fleischhauers Mutter.

9) Michael Winterhoff: Tyrannen müssen nicht sein (Gütersloher Verlagshaus, 192 Seiten, 17,95 €)

Vor 150 Jahren machten sich schlaue Menschen Sorgen, unsere Städte könnten bei zunehmendem Individualverkehr in naher Zukunft im Pferdemist ersticken. Der Jugendpsychiater Michael Winterhoff sorgt sich um die Schönschrift unserer Kinder, deren „feinmotorische Fähigkeiten, die zum händischen Schreiben nötig sind ... durch das fast ausschließliche Tippen enorm verschlechtert“ würden. Dem Vernehmen nach sind die ersten unserer Kinder schon so weit verblödet, dass sie kaum mehr in Marmor meißeln können.

8) Helmut Schmidt: Außer Dienst (Siedler Verlag, 350 Seiten, 22, 95 €)

Der Altkanzler entwickelt sich immer mehr zum deutschen Dalai Lama – gerade weil sich Helmut Schmidt in seiner Sicht der globalen Problemfelder überraschend meinungsfreudig zeigt: „Es ist nicht Deutschlands Aufgabe, dem religiösen Oberhaupt der kleinen, ethnisch begrenzten Sekte der tibetischen Buddhisten zur öffentlichen Anerkennung zu verhelfen. Wohl aber liegt die öffentliche Anerkennung der islamischen Weltreligion in unserem Interesse.“ Ein gutes Buch ohne jede politische Gebetstrommelei.

7) Rhonda Byrne: The Secret – Das Geheimnis (Aus dem Englischen von Karl Friedrich Hörner, Arkana, 237 Seiten, 16,95 €)

Diese angebliche Offenbarung der Geheimnisse des esoterischen Denkens ist eine der dreistesten und dämlichsten Beutelschneidereien auf dem deutschen Buchmarkt. Dass dieses Machwerk seit vielen Monaten auf der Bestsellerliste hierzulande steht, ist traurig und schlicht eine Schande. „Es ist so einfach, einen Pickel zu heilen wie eine schwere Krankheit“, schreibt die unverfroren lügende Autorin in bester Quacksalber-Tradition. Man möchte ihr fast den einen oder anderen Pickel wünschen.

6) Helmut Schmidt und Giovanni di Lorenzo: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt (Kiepenheuer & Witsch, 291 Seiten, 16,95 €)

Gleichgültig, ob er über die Fotos in Politikerbüros nachdenkt oder erfreulich unaufgeregt das Phänomen des Geburtenrückgangs seziert: Diese fast frivole Form des sehr kurzen Gesprächs lässt zur Freude des Lesers alles Apodiktische und Selbstgewisse von Helmut Schmidt abfallen. Freuen wir uns also auf mögliche Fortsetzungen: „Auf eine Nase Koks mit Helmut Kohl“, „Auf eine Kiste Brunello mit Gerhard Schröder“ oder, ganz aktuell, „Auf eine Handvoll Ecstasy mit Angela Merkel“.

5) Michael Winterhoff: Warum unsere Kinder Tyrannen werden (Gütersloher Verlagshaus, 191 Seiten, 17, 95 €)

Fische sind nicht Futter, sondern Freunde, lautet die Quintessenz von „Little Nemo“. Michael Winterhoff argumentiert genau andersherum: Kinder sind nicht Partner, Kinder brauchen eine harte Hand. Ich habe keine Ahnung, wie man Kinder erzieht. Ich weiß aber genau, dass jedes Kind, das keine weiche Birne hat, sich mehr nach partnerschaftlicher Anerkennung als nach harten Händen sehnt.

4) Eduard Augustin, Philipp von Keisenberg, Christian Zaschke: Ein Mann, ein Buch (SZ Edition, 415 Seiten, 19,90 €)

Ein schlau konzipiertes und genau recherchiertes Buch zum Blättern, aus dem sich zum Beispiel erfahren lässt, auf welche Weisen sich Bierflaschen ohne Öffner öffnen lassen. Der beste Ersatz für einen Vater, den sich ein Mann wünschen kann.

3) Richard David Precht: Liebe (Goldmann Verlag, 398 Seiten, 19,95€)

Das Schöne und Ungewöhnliche an Prechts Buch über die Liebe ist, wie er in optimistischem Ton einen an sich niederschmetternden Befund erstellt: „Die wenigsten Paare finden ihre Langzeitpartner wirklich toll; man kommt halt miteinander aus. Irgendetwas passt – aber das ist natürlich nicht Liebe, sondern allenfalls die Erinnerung daran; mit anderen Worten: Partnerschaft!“

2) Richard David Precht: Wer bin ich und wenn ja wie viele (Goldmann Verlag, 398 Seiten, 14,95 €)

Man verlässt diese leicht lesbare, aber keineswegs flache Einführung in einige zentrale Fragen der Philosophie aufgeklärt, angenehm unterhalten und gelegentlich auch hell empört – zum Beispiel, wenn man von Precht erfährt: „In Deutschland stehen juristisch gesehen Schimpanse und Blattlaus näher beieinander als Mensch und Schimpanse.“

1) Eckart von Hirschhausen: Glück kommt selten allein (Rowohlt Verlag, 383 Seiten, 18,90 €)

Bescheren wir dem Autor dieses Sachbuchs ein wenig Glück: Ja, es gibt durchaus schlechtere Sachbücher als diese Fibel mit mehr oder minder brauchbaren Tipps und Tricks zum psychischen Eigenblutdoping. Aber zum Teufel, Hirschhausen, Sie sind der Maestro aller K(l)assen! Die numero uno! Der Champ! Caput mundi! Top of the world! Und da gehört es sich einfach nicht, mit so einem zweitklassigen Kraut-und-Rüben-Potpourri aufzutreten – eine Goldkehle wie Sie muss schon die Scala oder die Met im Visier haben und nicht die Mehrzweckhalle von Bad Segeberg.

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