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AUFGESCHLAGEN Zugeschlagen: Wie man einen Jumbo landet

Von Denis Scheck

Denis Scheck, Literaturredakteur im Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (nächste Sendung 2. März, 23 Uhr 30, Gäste T. C. Boyle, Martin Walser). Diesmal: die zehn meistverkauften Sachbücher .

10) Esma Abdelhamid und Marianne Moesle: Löwenmutter (Krüger, 316 S., 17,90 €)

Esma Abdelhamid hat von ihrer Koautorin die Geschichte ihrer Zwangsehe mit einem in Hamburg lebenden tunesischen Landsmann und des Kampfs um ihre gemeinsamen Kinder aufschreiben lassen. „Wie kann es sein, dass mitten in Deutschland Frauen zwangsverheiratet, eingesperrt, vergewaltigt und geschlagen werden?“, fragt Moesle. Eine berechtige Frage und eine bewegende Geschichte; da dieser auf über 300 Seiten ausgewalzten Betroffenheitsstory aber jeder politische Horizont fehlt, ermüdet sie ungemein.

9) Wilhelm Schmid: Glück (Suhrkamp Verlag, 79 S., 7 €)

Wohltuend unaufgeregt legt der Philosoph Wilhelm Schmid in diesem konzisen Essay dar, warum die meisten Menschen in ihrem Leben gar nicht Glück, sondern Sinn suchen und weshalb die Wirtschaft vielleicht doch an die Kandare gelegt werden muss. Ein empfehlenswertes klitzekleines Buch über die ganz großen Fragen.

8) Tim Weiner: CIA, die ganze Geschichte (Deutsch von Monika Noll, Elke und Ulrich Enderwitz und Rolf Schubert, S. Fischer, 850 S., 22,90 €)

Tim Weiner, Starjournalist der „New York Times“, erzählt die Geschichte des amerikanischen Auslandsgeheimdiensts als Ansammlung katastrophaler Fehleinschätzungen und peinlichen Dilettantismus. Sein tadellos recherchiertes und toll geschriebenes Buch über 60 Jahre CIA wurde in den USA gerade mit dem National Book Award als bestes Sachbuch des Jahres ausgezeichnet. Möge sich der deutsche Geheimdienst freuen, dass die Gesetzeslage hierzulande ein solches Buch nicht zulässt.

7) Ester und Jerry Hicks: The Law of Attraction (Deutsch von Michael Nagula, Allegria, 256 S., 16,90 €)

Das schwachsinnigste Werk, das ich in sechs Jahren Bestsellerlektüre zu lesen gezwungen war. Es enthält Äußerungen einer, wie es die Autoren nennen, „außerkörperlichen“ Kollektivintelligenz namens Abraham, angeblich durch das Medium Ester Hicks überliefert. Sagen wir so: Dieses Buch ist nur außerkörperlich zu lesen, es ist zum Aus-der-Haut-Fahren.



6) Eva Maria Zurhorst
: Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest (Goldmann, 380 Seiten, 18,90 €)

Angeblich ein Beziehungsratgeber, tatsächlich eine protestantische Moralpredigt, die dazu auffordert, um jeden Preis bei seinem Partner zu bleiben: „Mag sein, dass es verrückt klingt – aber es ist wahr“, schreibt die Autorin auf Seite 249. Hier irrt Eva Maria Zurhorst. Es ist verrückt und gelogen.

5) Achim Wohlgetan und Dirk Schulze: Endstation Kabul (Arkana Deutsch von Christian Rhein, DVA, 413 S., 19,95 €)

Für 92 Euro Zulage am Tag erwartet die bundesrepublikanische Gesellschaft von ihren Soldaten, dass sie ihre Haut in Afghanistan zu Markte tragen. Das mag man richtig oder falsch, gut oder schlecht finden, in jedem Fall sollte man es wissen. Aus diesem Buch lässt es sich erfahren, und deshalb ist dieser stilistisch mehr als flaue Erfahrungsbericht eines deutschen Soldaten über sein halbes Jahr Auslandseinsatz in Afghanistan lesenswert: nicht wegen der vermeintlich darin enthaltenen Sensationen, sondern wegen der Darstellung von Alltag und Routine der Isaf-Mission.

4) Eduard Augustin, Philipp von Keisenberg, Christian Zascke: Ein Mann, ein Buch. (SZ Bibliothek , 416 S., 19,90 €)

Eine im Grunde alberne, aber herrlich amüsante Anthologie, die vorgeblich alles versammelt, was Männer wissen wollen oder müssen: weil die Autoren die richtigen Experten befragten – Eckart Witzigmann verrät die optimale Methode, ein Steak zu braten, ein Pilot, wie man eine Boing 747 landet –, ist dabei ein schlaues Handbuch entstanden, auf das selbst Tick, Trick und Track neidisch wären.

3) Rhonda Byrne: The Secret – Das Geheimnis (Deutsch von Karl F. Hörner, Goldmann, 240 S., 16,95 €)

Das Geheimnis dieser am Nullpunkt von Logik und Sprache angesiedelten Esoterikfibel lautet: Gutes widerfährt dem, der es sich ganz fest wünscht. Natürlich gilt in dieser Wünsch-dir-was-Welt auch im Umkehrschluss: Wer krank, arm oder sonstwie hilfsbedürftig ist, ist einfach selber schuld. Getreu ihrer eigenen Logik hat die Autorin also niemand anderes als sich selbst dafür verantwortlich zu machen, dass sie ein bedrückend hässliches und verblödendes Buch in die Welt gesetzt hat.

2) Richard David Precht: Wer bin ich und wenn ja wie viele? (Goldmann, 400 S., 14,95 €)

Das beste Buch auf dieser Liste. Angetrieben von Erkenntnislust und Wissensdurst, unternimmt Richard David Precht eine Rundreise ins Reich der Philosophie und Hirnforschung, verzichtet dabei wohltuend auf Originalität um der Originalität willen und hat gerade deshalb etwas sehr Seltenes geschaffen: einen kompetenten Ratgeber, der seine Leser nicht für dümmer verkauft, als sie sind.

1) Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg (Malik, 320 S., 19,90 €)

Anekdoten eines Komikers vom Jakobsweg, vermischt mit befremdenden spirituellen Einsichten. Eine englische Weggenossin, die Kerkeling als „witzig, herzlich, bissig, scharfsinnig, ein bisschen gutgläubig und sehr gebildet“ beschreibt, sagt zu ihm einmal einen Satz, der für mich auf dieses ganze Buch zutrifft: „Sorry Hans! Ich mag dich, und die Geschichte ist wirklich sehr interessant, aber überhaupt nicht glaubwürdig.“

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