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Abraham will seinem Sohn den Kopf abschneiden. Caravaggios „Opferung des Isaak“ von 1601/02.

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Ausstellung "Ein Gott" im Bode-Museum: Im Zeichen der Drei

Ostern im Museum: über die Kraft und die Gewalt des Monotheismus und das ewige Opfer der Söhne, nicht nur in der Bibel.

Manchmal wünscht man sich den griechischen Götterhimmel zurück, mit all seinen zutiefst menschlichen Geschichten und Projekten, mit dem sympathischeren göttlichen Personal. Nicht dass es in jenen Zeiten, die Homer verewigt hat, friedlicher zugegangen wäre als nachher in den christlich und islamisch geprägten Jahrhunderten. Aber man kann auch keinesfalls sagen, dass die Idee des Monotheismus eine besänftigende Wirkung auf die Menschen gehabt hätte. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Die Vorstellung von dem einzigen Gott – ohne andere Götter neben, unter und über ihm – ist offenbar so verführerisch, dass der Mensch sie exklusiv haben will. So ist zu befürchten, dass mit dem einen, wahren Gott der Glaubenskrieg in die Welt kam. Und Ausgrenzung und Gewalt.

Der Ägyptologe Jan Assmann schreibt zu diesem Thema seit Jahren einen klugen Text nach dem anderen; kürzlich ist sein Buch „Exodus. Die Revolution der Alten Welt“ erschienen. Auf dem Internet-Kulturportal „Perlentaucher“ findet sich seine ausgedehnte Auseinandersetzung über die Frage von „Monotheismus und Gewalt“. Die Welt liefert dafür ohne Unterbrechung neuen Stoff. Sunniten und Schiiten stehen sich an vielen Fronten gegenüber, die islamische Welt droht zu explodieren. Islamistische Terroristen aus Somalia haben am Donnerstag eine Universität in Kenia gestürmt, sie töteten gezielt Christen. Und wenn das „Time Magazine“ in seiner jüngsten Ausgabe von der „Schlacht um Jerusalem“ schreibt („Juden und Muslime verschärfen den Kampf um die am leidenschaftlichsten begehrte heilige Stätte der Stadt“, den Tempelberg mit der Al-Aksa-Moschee), ist das leider auch keine Neuigkeit.

Es ist wird einem immer wieder gnadenlos vorgeführt, dass die Religionen des Buchs einen aus härtestem Holz geschnitzten Gott verehren. Der sich auch nicht wehrt, wenn in seinem Namen ein „Gottesstaat“ ausgerufen wird oder, um in der christlichen Geschichte zu bleiben, Kreuzzüge geführt werden. Abraham, der als Urvater von Juden, Christen und Muslimen gilt, setzt seinem Sohn Isaak das Schlachtmesser an den Hals, um Gott gehorsam zu sein. Im letzten Moment greift der Engel ein und beendet die barbarische Prüfung.

In der Bildmitte blitzt das Messer

Die Geschichte ist in der Malerei oft dargestellt worden, am schlagendsten auf dem Gemälde von Caravaggio, das in Florenz in den Uffizien hängt. Dem Jungen steht der universelle Horror ins Gesicht geschrieben, aber auch Trotz. Auf dem Bild wirkt der Vater fast ärgerlich, da er im Opferritual gestört wird. In der Bildmitte blitzt das Messer. Die quälende Frage ist: Warum greift keiner den Henkern des „Islamischen Staats“ in den Arm, wenn sie ihren Opfern den Kopf abschneiden?

Die Ostergeschichte ruft existenziellen Schrecken hervor, wenn der Sohn Gottes, wie er genannt wird, am Kreuz geopfert wird. Er ist jemandes Sohn jedenfalls. Spürt man da nicht eine Kinderangst vor höheren Mächten und Vätermoral, vor dem vermeintlich Unausweichlichen? Und wer glaubt heute noch buchstäblich an die Auferstehung, wie sie das Neue Testament verheißt?

Schöne österliche Gedanken sind das nicht, oder doch – gerade. Tod und Leben liegen an keinem Feiertag so nah beieinander. Drei Tage sind es ja, 72 Stunden, verdichtetes Drama von der Finsternis ins Licht. Bei den Passionsspielen in Oberammergau, unter freiem Himmel, stellt sich dieser Zustand unweigerlich ein: Beklemmung, Befreiung, Widerstand gegen das, was geschehen muss, weil es geschrieben steht. Das Ostererlebnis wird schon, bürgerlich-behaglich, in Goethes „Faust“ als ambivalent geschildert. Heraus ins Freie kommen die Leute, aus engen Gassen, „aus dem Druck von Giebeln und Dächern“, „aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht / Sind sie alle ans Licht gebracht“. Das Drama des agnostisch-hedonistischen Dr. Faustus kann beginnen.

Die Dinge berühren, um sie zu verstehen

Vielleicht aber führt der Weg an diesem kalten Osterfest eher ins Museum. Im Museum haben die Dinge ein zweites Leben, aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen oder gerettet, wie auch immer. Im Museum gehört die Wiedererstehung versunkener Welten zum Programm, da ist im weltlichen Sinn eigentlich immer Ostern. Und will man nicht manchmal, wie der Zweifler Thomas in der Bibel, die Dinge berühren, um sie zu verstehen? Hier existieren Polytheismus und Monotheismus hübsch ordentlich mit- und nebeneinander, zumal auf der Berliner Museumsinsel. Wenn auch der Pergamonaltar auf lange Jahre verschlossen bleibt – die alten Götter behaupten ihre Präsenz. Auch im Bode-Museum mit seinen Skulpturen und der byzantinischen Sammlung. Im Untergeschoss hat jetzt eine kleine Ausstellung mit dem Titel „Ein Gott. Abrahams Erben am Nil“ eröffnet. Da geht es um das Zusammenleben von „Juden, Christen und Muslimen in Ägypten von der Antike bis zum Mittelalter“ (bis 13.9., Di–So, 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Ostersonntag und -montag geöffnet).

Abraham lebte vor 4000 Jahren in Mesopotamien

Abraham will seinem Sohn den Kopf abschneiden. Caravaggios „Opferung des Isaak“ von 1601/02.
Abraham will seinem Sohn den Kopf abschneiden. Caravaggios „Opferung des Isaak“ von 1601/02.

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Dazu braucht es eigentlich viel mehr als ein paar Kellerräume, damit ließe sich der große Gropius-Bau füllen. Aber den Staatlichen Museen mit ihren vielen Baustellen fehlt nicht nur der Platz, sondern auch das Geld für Sonderausstellungen. „Ein Gott“ ist eine Kooperation mit dem British Museum in London, dort soll die Präsentation dann größer sein und umfangreicher bestückt.

Steigt man nun über die Treppe im Bode-Museum hinab, trifft man auf ein „Gottchen“. All die schlimmen Gedanken und Gewaltdebatten, der monotheistische Wahn, bleiben draußen. Hier geht es nicht um das Trennende, vielmehr um Gemeinsamkeiten in der kulturellen Darstellung von Christen, Juden und Muslimen in Alexandria. Auf die antike Weltstadt ist die Ausstellung beschränkt, wie in einer Oase des Friedens und der Toleranz.

Da gibt es in den Vitrinen Schönes, Seltenes, Tröstliches zu entdecken. Grabsteine der drei monotheistischen Religionen stehen friedlich beieinander und lassen sich nur aus der Nähe einer Glaubensrichtung zuordnen, durch die Schrift. Ein Brief berichtet von einer Werkstatt, die sich Juden und Muslime teilen. Ein Tuch ist zweisprachig verziert, mit einem arabischen und hebräischen Schriftband. Holzschnitzereien, Gläser, Metallschmuck deuten auf einen Alltag hin, in dem Menschen unterschiedlichen Glaubens viel voneinander wussten und sich austauschten. Aber dann ist da natürlich auch wieder Abraham mit seinem Sohn Isaak, dargestellt auf einem bunten Stofffetzen des 7. oder 8. Jahrhunderts n. Chr. Wie in einem Comic: Der Alte hält in der einen Hand das Messer, mit der anderen hat er seinen Jungen am Haarschopf gepackt. Und vom rettenden Engel ist nur der entscheidende Fingerzeig zu sehen.

Gerechtigkeit statt Gehorsam, Demokratie statt Tyrannei

Awraham, Abraham, Ibrahim. Gelebt haben soll er vor 4000 Jahren in Mesopotamien, ein Nomade, ein Emigrant. Allen drei Religionen ist er das Ur-Mannsbild an Glaubenstreue und Gehorsam, Gottesfurcht. Der so weit gegangen wäre und seinen Sohn ermordet hätte, dazu war er bereit. Das ist die Schlüsselszene. Ein Mensch macht sich zum Werkzeug und seinen Sohn zum Tier. Will man so einen Vater haben? Gibt er nicht Gewaltbereitschaft und blindes Gehorchen weiter, sät Hass von Generation zu Generation? In seinem Lied „Story of Isaac“ beschreibt Leonard Cohen den Mordversuch, die Kälte des Vaters, der eine „Vision“ hatte, sich „stark und heilig“ fühlt und den Befehl ausführen muss. „Ich war neun Jahre alt“, sagt Isaac, der hier seine Geschichte erzählt und mit seinem Vater geht, treu.

Auch Homer und Co. haben schreckliche Geschichten zu erzählen. Agamemnon, der griechische Heerführer, Spross eines mit Fluch beladenen Clans, opfert seine Tochter Iphigenie, um in den Trojanischen Krieg ziehen zu können. Seine Frau zahlt es ihm heim, es beginnt der entsetzliche Rache- und Familienzyklus der „Orestie“. Der Dramatiker Aischylos schlägt am Ende etwas Neues vor: Gerechtigkeit statt Gehorsam. Demokratie statt Tyrannei. Die Götter machen mit.

„Ein Gott“. Draußen am Bode-Museum flattert ein Transparent mit dem Titel der Ausstellung im Aprilwind. Es klingt fast wie eine Drohung. Das Thema ist von ungeheurer Brisanz, in unserem Alltag heute. Das versteckt man doch nicht im Keller! Von Abraham wird berichtet, dass er auf Geheiß Gottes in eine Werkstatt oder einen Laden ging und Götzenbilder zerschlug, denen die Menschen damals huldigten. Man kann es so deuten, dass er dummen Aberglauben beseitigen wollte. Man wird aber auch an die IS-Männer erinnert, die im Museum antike Statuen vernichten, weil diese angeblich den Islam beleidigen. Abraham als militanter Bilderstürmer und Zerstörer von Kultur: Wenn man gerade aus dem Museum kommt, neigt man dieser Interpretation zu.

Schrecklicherweise funktioniert die Stigmatisierung und Ausgrenzung des Fremden ebenso ohne Gott. Man braucht keinen Glauben, um Rassist zu sein. Der Monotheismus trägt den Keim seines eigenen Todes in sich, Auferstehung natürlich inbegriffen.

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