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Zeitgeschichte. Rund 300 Wertvolle Bilder und Objekte wurden für die Ausstellung auf Schloss Rochlitz zusammengetragen, darunter Margarete von Rochefort als Judith (1526).

© Hendrik Schmidt/dpa

Ausstellung in Sachsen: „Ich leg kein Blatt vors Maul“

Elisabeth von Rochlitz war eine unerschrockene Kämpferin für die Reformation. Ihre umfangreiche Korrespondenz ist erhalten. Trotzdem ist sie fast vergessen. Eine Schau in ihrem einstigen Schloss erinnert an sie und andere starke Frauen.

Immer hat sie sich eingemischt. Hat Männern Paroli geboten, Finten erdacht, sich von nichts und niemandem unterkriegen lassen. Selbstbewusst notierte Elisabeth von Rochlitz in einem ihrer Briefe: „Ich bin zwar ein Weib und kein Doktor, dass ich klug schreiben könnte, doch was ich schrieb, schrieb ich aus keinem Kalbskopf.“ 10 000 Briefe soll sie nach Schätzungen verfasst haben, 2000 sind erhalten und zum Teil inzwischen ediert. Trotzdem ist sie nahezu vergessen, wie etliche andere Frauen, die die Reformation vor 500 Jahren vorangetrieben haben. Eine Ausstellung in Sachsen mit dem Titel „Eine STARKE FRAUENgeschichte“ stellt nun das vermeintlich schwache Geschlecht in dieser Epoche in den Mittelpunkt.

Klug wurden die oft wertvollen Objekte für diese Schau ausgewählt und konzeptionell beeindruckend miteinander verknüpft. Witzige Trickfilme helfen hier und da nicht nur Kindern bei der geschichtlichen Einordnung. Herausragend aber ist der Ort, an dem diese Ausstellung gezeigt wird: Schloss Rochlitz. Hier lebte die Herzogin zehn Jahre lang, von 1537 bis 1547, und regierte ihr kleines Reich.

Imposant thront das Schloss mit seinen zwei behelmten Türmen über der Zwickauer Mulde. Einst als trutzige Burg auf einen Felsen gebaut, birgt es 1000 Jahre Geschichte. Hier wurden Prinzen geschult, hier bereitete Dedo der Fette im 12. Jahrhundert seine Feldzüge vor, hier kämpfte Wilhelm der Einäugige zu Beginn des 15. Jahrhunderts gegen Böhmen. Zu jener Zeit sah das Schloss schon genauso aus wie heute. 20 Jahre dauerte die Restaurierung des Bauwerks, über 18 Millionen Euro hat sie gekostet. Seit 2013 erst kann der mächtige Bau auch innen wieder besichtigt werden.

Eine Landesmutter im besten Sinne

Einen besseren Ort, um die Frauen der Reformation vorzustellen, kann es nicht geben. Und natürlich steht Elisabeth im Mittelpunkt. Bereits im Alter von drei Jahren wird die hessische Prinzessin mit dem Erbprinzen Johann von Sachsen verheiratet, 14 ist sie, als das „Beilager“ schließlich vollzogen wird. Ausgestellt ist der umfangreiche Ehevertrag, an dem 26 unterschiedliche Siegel baumeln. Würde man die Zeilen der Pergamentrolle im DIN-A-4 Format drucken, ergäben sich zehn Seiten, sagt der Historiker und Projektleiter André Thieme. Wichtigster Passus des Vertrags: Falls ihr Mann Johann vor ihr sterben sollte, stünde Elisabeth als Witwenversorgung Amt Rochlitz mit Schloss und Stadt zu. Und genauso kommt es.

Die junge Elisabeth, „ich leg kein Blatt vors Maul“, mochte sich nicht abfinden mit den strengen Regeln am Dresdner Hof. In Hessen recht frei erzogen, begehrte sie gegen vieles auf. Stritt mit ihrem Schwiegervater Herzog Georg dem Bärtigen und einflussreichen Ratsherren, weil sie nach deren Auffassung „nicht häufig genug in die Kirche ging“. 1533 verweigert sie erstmals Buße und Abendmahl und macht ihre lutherische Gesinnung öffentlich. Dennoch bleibt sie dem Reformator gegenüber durchaus kritisch, unterscheidet streng zwischen Person und Botschaft. Über Luther schreibt sie: „Ist er doch auch ein Mensch und nicht Gott. Wenn er über das Evangelium schreibt, lobe ich ihn, aber wo er schilt wie ein altes Weib, halte ich nichts von ihm.“

Sofort nach ihrer Ankunft in Rochlitz beginnt Elisabeth zügig, die Reformation einzuführen. Sie verbietet Priestern das Konkubinat, erlaubt ihnen aber die Ehe. Die Form des Sakraments bindet sie an das Gewissen des Empfangenden. Doch die Landesmutter führt auch sonst neue Regeln ein. Akribisch führt sie ein Ausgabenbuch, intensiviert die Holzfällerei, so dass mehr Geld in die Kassen fließt. Sie lässt neue Straßen bauen und sorgt dafür, dass Nahrungsmittel unter der Bevölkerung gleichmäßiger verteilt werden. 1544 schreibt der Humanist Kaspar Brusch über Rochlitz, „dass jetzt die kluge und geistvolle Schwester des hessischen Landgrafen Philipp mit großem Eifer und Fleiß regiert“ und nimmt die Herzogin wahr als „eine angenehme Frau, anmutig und edel durch gewinnendes Spiel der Blicke und Augen...“ Eine Landesmutter im besten Sinne.

Frauen ist nicht zu trauen

Je mehr Frauen eigene Wege suchten, umso verunsicherter waren die Männer. Einerseits begehrten sie die Frauen, andererseits fürchteten sie die „Weiberlist“. In seinem Gemälde „Herkules und Omphale“ (um 1537) zeigt Lucas Cranach d.Ä., was Männern blühen kann. Herkules, mit leicht debilem Blick, ist umringt von vier spöttisch lächelnden Frauen. Eine drückt ihm gar eine Spindel in die Hand. Verkehrte Welt.

Auch andere Gemälde in der Ausstellung zeugen davon, wie selbstbewusste Frauen auf Männer wirkten. Ein zentrales Motiv ist Judith, die dem assyrischen Heerführer Holofernes das Haupt abschlug und so eine Stadt vor der völligen Zerstörung und ein Volk vor dem Tod bewahrte. Lucas Cranach d.Ä. hat mehrfach dargestellt, wie Judith, meist mit erhobenem Schwert, den abgetrennten Männerkopf auf einer Tischplatte präsentiert. Meist blickt sie dabei – und das erscheint besonders perfide – unbeteiligt am Betrachter vorbei. Eine attraktive Mörderin mit Unschuldsmiene. Frauen, so will uns der Maler wohl sagen, ist nicht zu trauen. Es sind kalte, herzlose Geschöpfe, die man niemals unterschätzen darf.

Selbst Alltagsgegenstände jener Zeit spielten mit der Ambivalenz. In der Ausstellung ist ein Handtuchhalter zu bestaunen, gefertigt von Arnt van Tricht um 1535. Die Stange aus Eichenholz fasst am rechten und linken Ende eine mit tugendhafter Kopfbedeckung modellierte (Ehe-)Frau. Sie lässt sich von einem frechen Narren liebkosen und wendet ihm lustvoll die kaum bedeckten prallen Brüste zu. Wer das Utensil betrachtet, wähnt sich in der Rolle des (gehörnten) Ehemannes.

Deutlich sexualisiert sind Darstellungen der, oft spärlich bekleideten, Maria mit dem Kind. Immer wieder wählten Maler das Motiv der Tugend Caritas, die ihrem zum Tod durch Verhungern verurteilten Vater die Brust gab. Auch Georg Pencz hat „Caritas“ 1538 gemalt. Eine fast obszöne Darstellung. Nächstenliebe wird zum erotischen Akt. Es war ein schmaler Grat zwischen Hure und Heiliger. Und die Kirche billigte vieles. Eine Federzeichnung von 1537 ist ausgestellt, wieder von Lukas Cranach d. Ä. Darauf sieht man, wie Frauen mit Dreschflegeln auf Pfaffen losgehen. Vermutlich richteten sie so die Kirchenmänner, die in Unzucht lebten. Pikant an der Zeichnung ist, dass gerade „Weiber“ die Geistlichen demütigen.

Es hat sich wenig getan in 500 Jahren

Im Zuge der Reformation begehrten immer mehr Frauen auf, schlüpften aus ihren traditionell zugewiesenen Rollen. Manche dieser „Vorreiterinnen“ werden in der Ausstellung vorgestellt. Marie Dentière etwa, die Klöster stürmte und Bildung für Mädchen forderte, Anna II. von Stolberg, die in Quedlinburg eine neue Kirchenordnung herausgab oder Hille Feicken, die ein Attentat auf den Bischof von Münster versuchte, da er ein diktatorisches „Gottesreich“ errichtet hatte. Über keine aber weiß man soviel wie über Elisabeth von Rochlitz.

Als einzige Frau wurde sie Mitglied des Schmalkaldischen Bundes, in dem sich 1531 protestantische Fürsten gegen die Religionspolitik von Kaiser Karl V. zusammengeschlossen hatten. Sie erfand sogar eine Geheimschrift, um den Fürsten die Truppenbewegungen der Feinde mitzuteilen. Ihre Korrespondenz verbarg sie in der Vertiefung eines Saales im Schloss. Auch dieses Versteck, in der Ausstellung „Fehlraum“ genannt, wurde während der Restaurierung wieder freigelegt.

Elisabeth starb nach schwerer Krankheit mit 55 Jahren. Und die starken Frauen ihrer Zeit? Nach dem Überwinden der Klostermauern blieb den meisten nur die Flucht in die Ehe. In eine, wie Katharina von Bora sie mit Martin Luther führte, als aufopferungsvolle Gattin an seiner Seite. Sie war das Gegenbild der „starken Frauen“. Dennoch haben die meisten ihren Namen gleich parat, wenn es um die Reformation geht.

Verkehrte Welt, die in der Ausstellung jetzt gerade gerückt wird. „Die Hertzogin treibt viel unnutz gewesch“, urteilte ein sächsischer Archivar, kurz nach Elisabeths Tod. Abgelegt hat er ihre vielen Briefe dann doch. Zum Glück.

Im letzten Saal der Ausstellung wird der Bogen der „starken Frauen“ bis in die Gegenwart gespannt. Werbung ist aufgefächert, die gängige Rollenklischees bedient. Nach Gegenbeispielen mussten die Kuratoren länger suchen. Es hat sich, so scheint’s, nicht allzu viel getan in 500 Jahren.

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