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Adolf Senff, Bildnis einer Italienerin.

© Elke Estel/Hans- Peter Klut/Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Ausstellung über italienische Landschaften: Im Bann des Bel Paese

Die Romantik des Südens faszinierte Dichter und Maler seit Ende des 18. Jahrhunderts. Eine Ausstellung im Bad Muskauer Schloss zeigt jetzt Bilder aus dem Land, wo die Zitronen blühen.

Ach, Italien. Goethe, dessen „Italienische Reise“ vor 200 Jahren publiziert wurde, war ja nicht der einzige, der dem „bel paese“, dem schönen Land, verfiel. Hunderte Schriftsteller und Maler fuhren im 18. und frühen 19. Jahrhundert hin, blieben eine Zeitlang und schwärmten in Zeilen und Farben von dem, was sie sahen. Auf Capri waren sie, am Golf von Neapel, auf Sizilien und natürlich in Rom.

1809 weilte auch Hermann von Pückler zu Muskau in der Stadt. Für sein 1835 veröffentlichtes Werk „Jugend-Wanderungen“ notierte er: „Von allen Städten, die ich kenne, bietet Rom, ohngeachtet seiner öden Campagna, die schönsten und mannigfaltigsten Aussichten dar; dieselben Gegenstände von hundert verschiednen Standpuncten angesehen, scheinen auch hundert verschiedne Gestalten anzunehmen; nur darin bleiben sie sich gleich, daß ihre vorzügliche und charakteristische Schönheit immer in der Menge seltsam durcheinander geworfner Ruinen aller Formen, der bald einzeln gruppirten, bald in Gebüschen zusammentretenden Pinien besteht, deren weit gewölbte in der Luft schwebende Lauben der Landschaft einen unbeschreiblichen Reiz verleihen.“

Ein Park wie ein Gemälde

Sicher hatte Pückler die Bilder noch im Kopf, als er 1815 begann, sein Gartenreich in Bad Muskau zu gestalten, dort, wo er faszinierende Sichtachsen schuf und Bäume, mal einzeln, mal in Gruppen in Szene setzte.

Einen schönen Rahmen bietet das Schloss für die Ausstellung.
Einen schönen Rahmen bietet das Schloss für die Ausstellung.

© David Pinzer/Staatliche Kunstsammlungen Dresden

„Ein Park muss wie eine Gemäldegalerie sein, alle paar Schritte soll man ein neues Bild sehen“, wünschte sich Pückler. Jetzt (bis zum 21. August) können Besucher entscheiden, was beeindruckender ist: der gigantische Landschaftspark oder doch „il bel paese“. Im Neuen Schloss von Bad Muskau ist eine kleine, feine Ausstellung eingezogen. Für die „Italienische Landschaft der Romantik“ hat das Dresdner Albertinum 23 Bilder ausgeliehen, von denen einige zuvor im Depot schlummerten und eigens für die Ausstellung restauriert wurden.

Nun stehen die Werke jeweils im Dialog zu groß aufbereiteten Literaturzitaten, die Italien schwärmerische Denkmäler setzen. So schrieb Victor Hehn über die Villa d’Este: „Nie noch sah ich so malerische Ruinen (...) die köstlichsten Landschaftsbilder, die oft den Rahmen eines verfallenen Bogens oder Tores ausfüllten (...)“. Friedrich Ney hat um 1834 einen solchen Bogen gemalt, der eine Gruppe von Zypressen umrahmt.

Mit Goethes Augen gesehen

Johann Gottfried Seume schrieb in seinem „Spaziergang nach Syrakus“ 1802: „Die Lage ist sehr schön; Berge und Thäler liegen in dem lieblichsten Gemische rund herum, und der kleine See von Nemi (...) giebt der Gegend noch das Interesse der mythologischen Geschichte.“ Wer sich’s nicht vorstellen kann, schaut aufs Gemälde „Der Nemisee“ (1805) von Carl Ludwig Kaaz.

Carl Rottmann malte die Meerenge von Messina so, wie sie auch Goethe gesehen hatte: „Der ganze Himmel war mit einem weißlichen Wolkendunst umzogen, durch welchen die Sonne, ohne daß man ihr Bild hätte unterscheiden können, das Meer überleuchtete, welches die schönste Himmelsbläue zeigte, die man nur sehen kann.“

Carl Rottmann, Meerenge von Messina.
Carl Rottmann, Meerenge von Messina.

© Elke Estel/Hans- Peter Klut/Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Gleich sechs Gemälde von Ludwig Richter hat das Dresdner Albertinum in seinem Bestand. In Bad Muskau zu sehen ist „Morgen bei Palestrina“. Welch ein Panorama! Eine mittig platzierte Gruppe musizierender Hirten mit weidenden Schafen scheint mit der Landschaft, in Blau, Grün- und Braunnuancen zu verschmelzen.

Das Ideal war so überhöht, dass die Wirklichkeit enttäuschte

Ludwig Richter, Morgen bei Palestrina.
Ludwig Richter, Morgen bei Palestrina.

© Jürgen Karpinski/Staatliche Kunstsammlungen Dresden

So viel Schönheit. Und welche Herausforderung, sie abzubilden. Goethe haderte: „Wenn ich Worte schreiben will, so stehen mir immer Bilder vor Augen, des fruchtbaren Landes, des freien Meeres, der duftigen Inseln, des rauchenden Berges, und mir fehlen die Organe, das alles darzustellen.“ Anna Amalia von Sachsen gestand beim Anblick einer Mondnacht in der Bucht von Neapel: „Aber ich komme mir wie ein elender Schmierer vor, der ein Gemälde von Raffael kopiert, in dem ich eine Szene der Natur beschreibe, die nur durch Anschauen und Gefühl genossen werden kann.“

Die Maler indes gaben ihr Bestes. Ihre Bilder inspirierten Schriftsteller zu Beschreibungen italienischer Gegenden, obwohl sie nie dort gewesen waren, wie etwa Joseph von Eichendorff („Aus dem Leben eines Taugenichts“, 1826). Wer später hinfuhr, war beinahe enttäuscht. Franz Grillparzer grantelte: „Was man sieht, läßt beim ersten Anblick unbefriedigt, weil es die ungeheuren Bilder, die sich die Phantasie gemacht hat, nicht erreichen kann (...).“

Viel schöner als die "teutsche Sonne"

Italien war en vogue. Rom und das Kolosseum: ein Muss, vor allem bei Nacht. Fanny Lewald schrieb 1847: „Es ist Mode, das Colosseum im Mondschein mit Fackelbeleuchtung zu betrachten. Die Wirkung ist schön, welche das massenhafte Gebäude gegen den hellen Nachthimmel hervorbringt, und die wilden, hinstreifenden Lichtreflexe der Fackeln machen einen wunderbaren Eindruck.“

Das Meer, die Kaktusfeigen, der Himmel – alles war beindruckender im „bel paese“. „In Italien sind Wolken oft erwünscht, fast immer phantastisch und feenhaft, ihre Massen lichtdurchbrochen; sie kommen wie wunderbare Flotten aus einer unbekannten Welt oder türmen sich wie ein Hochgebirge mit silberstreifigen Tälern.“

Ernst Ferdinand Oehme, Villa d'este in Tivoli.
Ernst Ferdinand Oehme, Villa d'este in Tivoli.

© U. Hoffmann/Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Junge Dresdner Landschaftsmaler jener Zeit glaubten nur in Italien zu großen Künstlern werden zu können. Caspar David Friedrich monierte: „Denen Herrn Kunstrichtern genügt unsere teutsche Sonne, Mond und Sterne; unsere Felsen, Bäume und Kreuter, unsere Ebenen, Seen und Flüße nicht mehr. Italienisch muß alles sein um Anspruch auf Größe und Schönheit haben zu können.“

Heinrich Heine spöttelte mal wieder

Italien machte es leicht, zu schwärmen. „Man darf nur auf der Straße wandeln und Augen haben, man sieht die unnachahmlichsten Bilder“, schrieb Goethe.

Manchen wurde die tausendfache Schwärmerei denn doch zu viel. Heinrich Heine spöttelte: „Hier in Italien ist es ja so schön, in diesen gebrochenen Marmorpalazzos klingen die Seufzer viel romantischer als in unseren netten Ziegelhäuschen, unter jenen Lorbeerbäumen läßt sich viel wollüstiger weinen als unter unseren mürrisch zackigen Tannen, und nach den idealischen Wolkenbildern des himmelblauen Italiens läßt sich viel süßer hinaufschmachten als nach dem aschgrau deutschen Werkeltagshimmel, wo sogar die Wolken nur ehrliche Spießbürgerfratzen schneiden und langweilig herabgähnen.“

Jakob Philipp Hackert, Tempel der Sybille bei Tivoli.
Jakob Philipp Hackert, Tempel der Sybille bei Tivoli.

© Elke Estel/Hans- Peter Klut/Staatliche Kunstsammlungen Dresden

So gesehen erscheint Deutschland gegen Italien chancenlos. Doch nun, in Bad Muskau, muss sich die Italienische Romantik gegen die Herrlichkeit des Pücklerschen Landschaftsparks behaupten. Kunst tritt miteinander in Dialog. Was dabei herauskommt, was dominiert oder stärker in Erinnerung bleibt, wird jeder Besucher anders empfinden. Ein spannendes Unterfangen – und der beste Grund, in diesem Sommer nach Sachsen zu fahren.

In der Region

Das Neue Schloss in Bad Muskau
Das Neue Schloss in Bad Muskau

© David Pinzer/Staatliche Kunstsammlungen Dresden

ESSEN

Kulturhotel Fürst Pückler Park, Schloßstraße 8, 02953 Bad Muskau, Telefon:0357 71/ 53 30. Erste Adresse direkt am Park. Reichhaltiges Frühstück, „original“ Pückler-Eis. Doppelzimmer ab 133 Euro.

Turmvilla, Hermannsbad 9, 02953 Bad Muskau, Telefon:03 5771/ 50029. Herrliche Lage im sogenannten Badepark. Großer Biergarten. Neueröffnung am 1. Mai nach Besitzerwechsel und Renovierung. Rustikale Küche, günstige Preise.

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