zum Hauptinhalt
Daniel Barenboim

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Barenboim-Said-Akademie: Zuhören ist die größte Kunst

Daniel Barenboim feiert den Geburtstag von Michael Naumann, hält Lobreden auf Deutschland und betont am Tag ihrer Eröffnung, dass die Akademie keine Friedensengel ausbilde.

Daniel Barenboim erscheint mit einem Geschenk in der Hand. „Es ist sein Geburtstag“, ruft er den Journalisten zu und weist auf Michael Naumann. Der kontert sofort, die Wahl des Datums für die offizielle Eröffnung der Barenboim-Said-Akademie habe nichts damit zu tun, dass er heute 75 werde. Sondern nur mit dem Terminkalender des Maestro. Bevor der nämlich am Samstag in Genf mit seinem West-Eastern-Diwan-Orchestra vor den Vereinten Nationen spielt, zum Tag der Menschenrechte, gab es gerade noch ein Zeitfenster für den Startschuss seines Herzensprojekts.

Im ehemaligen Bühnenbild-Depot der Staatsoper, das zweieinhalb Jahre lang zur Hochschule mit angeschlossenem Konzertsaal umgebaut wurde, läuft der wissenschaftliche Betrieb allerdings schon seit zwei Monaten. Doch egal: Der 8. Dezember wurde zum Jubeltag erklärt, neben Barenboim und seinem Gründungsdirektor Naumann sitzen drei Studierende auf dem Podium sowie Dekan Mena Mark Hanna und Roni Mann, die für den Bereich Philosophie zuständig ist.

Über Tagesereignisse aus der Heimat wird nicht geredet

Denn das ist der Clou an dieser Hochschule: Ein Viertel der Zeit widmen die angehenden Profimusiker dem Studium von Literatur und großen Denkern. Um zu lernen, wie man diskutiert: indem man nicht versucht, lauter zu sein als der Gegner, sondern erst einmal zuhört und dann Argumente austauscht. Im musikalischen Dialog ist das selbstverständlich, nicht aber im Alltag des Nahen Ostens, wo die Studierenden herkommen. 280 Bewerbungen gab es, 80 Kandidaten kamen in die zweite Runde, 25 wurden aufgenommen.

Sie wollen in den vier Jahren, die sie in Berlin verbringen werden, ihre Chance nutzen, als Künstler wie als Menschen zu reifen. Das ist in jeder Antwort spürbar. Über Tagesereignisse aus ihrer Heimat werde nicht geredet, sagt der iranische Geiger, einer der Studierenden an der Akademie: „Wir stehen gedanklich eine Ebene darüber.“ Die Frage nach dem Standort der Barenboim-Said-Akademie unmittelbar neben dem Bebelplatz, dem Ort der Bücherverbrennung, animiert den Dirigenten zu einer großen Lobrede auf Deutschland. Der einzigen Nation, die sich den dunkelsten Phasen ihrer Geschichte wirklich gestellt, sie unter Schmerzen aufgearbeitet habe, sagt er. Ganz anders als beispielsweise Russland.

Potential für Sonntagsreden will Barenboim nicht bieten

Eine bewegende Erfahrung sei es auch gewesen, als Musikchef der Staatsoper seit 1992 den Prozess des mühevollen Zusammenwachsens von Ost und West hautnah mitzuerleben. Und dann kommt auch noch Angela Merkel dran: Eine Regierungschefin, die darauf besteht, ihre Tickets privat zu bezahlen, wenn sie eine Aufführung besucht – das sei weltweit wohl einmalig.

Barenboim nutzt den Pressetermin auch, um heiße Luft aus dem Akademie-Projekt zu lassen, um dessen finanzielle Unterstützung sich Politiker aller Couleur gerissen haben. Potenzial für Sonntagsreden will er nicht bieten. Weil hier keine Friedensengel ausgebildet würden: „Um den Nahost-Konflikt zu lösen, braucht es viel mehr.“ Außerdem sei die Akademie nicht exklusiv für Israelis, Palästinenser, Syrer, Ägypter und Türken gedacht, sondern auch offen Bewerber aus Europa. Ziel des Projekts sei schließlich, das West-Eastern-Diwan-Orchestra mit dem bestmöglichen Nachwuchs zu versorgen.

Zur Startseite