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Unterdrücktes Begehren. Priester Adam (Andrzej Chyra, rechts).

© Berlinale

Berlinale Wettbewerb: "In the Name of": Sommer der verbotenen Liebe

Die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska thematisiert in "In the Name of" Homosexualität und ihre Verdrängung in der katholischen Kirche. Sie inszeniert mit Geschick und Courage. Doch die echte Geschichte ist noch nicht zu Ende.

Das ist zu Beginn des echten Wettbewerbs schon mal ein ziemlich starkes Stück. Die 40-jährige polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska packt bei ihrem vierten größeren Spielfilm ein aktuelles Thema – Homosexualität und ihre Verdrängung in der katholischen Kirche – mit Geschick und Courage an. Die Botschaft ist zwar klar. Aber Eindruck macht diese Geschichte „In the Name of“ („W Imie…“), weil sie nicht nur die bei Festivalbesuchern oder Arthouse-Fans ohnehin offenen Türen des toleranten Verstehens einrennt. Szumowskas Film wirkt nicht schier politisch, sondern auch eigensinnig poetisch: mit der tieferen Sonde in die wechselseitig kirchlich und weltlich geprägte polnische Gesellschaft.

Es ist Sommer auf dem flachen Land, weit hinter allen Städten. Blonde, grölende, albernde Jungs mit scharf rasierten Köpfen kicken auf einer Dorfwiese, schleppen Wackersteine für einen primitiven Bau, saufen Wodka, hänseln einen behinderten Bauernjungen, rauchen, raufen und reden stummelkurz in polnischen Four-Letter-Words. Rauchen auch mal einen Joint. Eine so archaische wie doch vom Hauch neuer Zeiten ergriffene, durcheinandergewirbelte Welt. Der armselige, am Ende abgefackelte dörfliche Supermarkt heißt „Niagara“, auf T-Shirts steht „Illinois“ oder „Colorado“, die Straßen sind noch ungeteert und die Blicke der Menschen sind eng, lauernd, manche dumpf, manche sehnsüchtig: offen für eine andere, ferne, weitere Welt. Und dazwischen agiert in diesem mit der Handkamera und teilweise mit Laien inszenierten Dorfdrama der Landpfarrer Adam, stark gespielt von Andrzej Chyra. Ein viriler, bärtiger, dem Wodka gleichfalls nicht abgewandter Mann. Der Priester ist zugleich der Leiter einer Besserungsanstalt für schwere, dumme Jungs, mit denen er auch Fußball spielt.

An Adam macht sich eine von dieser Welt abgestoßene Ewa. Doch der hierher offenbar strafversetzte Priester liebt die jungen Männer. Unter denen gibt es den weißblonden satanischen Verführer, eine Figur wie aus einem Pasolini-Film. Und ein anderer erhängt sich. Der Priester kämpft in der Sommerhitze gegen seine Neigung an, das zeigt Małgorzata Szumowska mit mal zarten, mal härteren Gesten. Kaum jedoch sentimental.

Adam, der sportliche Seelsorger, rennt durch die Wälder, als könnte er vor sich und der Versuchung davonlaufen. Ein Maisfeld wird auf überraschend komische Weise zum Dschungel der Triebe. Es wird spioniert und denunziert, doch immer wieder hält der Film die Emotionen und Konstellationen in der Schwebe, spielt mit einer inneren, untergründigen Spannung. Dabei wirkt die katholisch-ländlich-postsozialistische Höllenidylle oft wie eine Mischung aus Christian Petzolds letztjähriger Berlinale-„Barbara“ und Ulrich Seidls „Paradies: Hoffnung“aus der österreichischen Gruselprovinz.

Lange glaubt man, alles läuft hier auf ein offenes, allenfalls leicht elegisches Ende hinaus. Das wäre künstlerisch die einfachere Lösung gewesen. Doch die Regisseurin zeigt zum Ende hin erstmals eine explizite Liebesszene zwischen Priester und Schüler und wendet das private Melodram mit einer Volte direkt ins Kirchenpolitische. Vom Dorf geht’s ins städtische Priesterseminar, und der Klerus wird mit sich selbst konfrontiert. Und die wirkliche Geschichte ist noch lange nicht zu Ende.

9.2., 9.15 Uhr (HdBF), 9.30 Uhr (Friedrichstadt-Palast), 22.30 Uhr (International), 17.2., 17 Uhr (HdBF)

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