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Kultur: Blaue Stunde

Lass die Gitarre singen: Jeff Beck im Tempodrom

Schlank und drahtig und mit vollen Haaren wie früher – oder hat er denselben Perückenmacher wie Ronnie Wood? – kommt der 66-Jährige in einem dunklen Anzug auf die Bühne des fast ausverkauften Tempodroms getänzelt. Er spielt blaue Töne auf der obligaten weißen Stratocaster, lässt sie singen mit seinem unverkennbaren Ton und Timbre.

Jeff Beck, der selber nicht singt, überlässt in seinen Konzerten das Singen und Sprechen überwiegend seiner Gitarre. Zweifellos hat sie über die Jahre höchst eindrucksvolle Eloquenz, großes Gefühlsspektrum, einzigartiges Phrasing, traumhafte Dynamik und einen unglaublichen Tonumfang ausgebildet. „Emotion & Commotion“ heißt das neue Album – Gefühl und Lärm – was die Sache augenzwinkernd auf den Punkt bringt. Mit lyrisch weichem Gitarrenton interpretiert Beck Benjamin Brittens „Corpus Christi Carol“, dreht die Noten aus dem Lautstärkeregler, dosiert den Klang sehr fein und ausgewogen mit leichtem Druck auf den Vibrato-Arm. Um gleich darauf überzugehen in „Hammerhead“ mit waberndem Wahwah, einem freundlichen Wink zu Jimi Hendrix’ „Voodoo Chile“, um schließlich in schweres Hardrockgeriffe zu wechseln, mit berauschendem rhythmischen Raffinement.

Beck windet seinen ganzen Körper in die Töne, biegt das Kreuz durch und die Saiten, reißt und tupft sie mit Daumen und Fingern der rechten Hand, streckt sich hoch und reckt die Stratocaster, schüttelt rasante Jazz-Skalen aus der Hüfte und dirigiert seine Band lässig mit dem Gitarrenhals. Vom Keyboarder Jason Rebello wünschte man sich allerdings mehr warme Hammondorgel-Sounds statt der etwas altbacken wirkenden Synthie-Synthetik. Vom Drummer Narada Michael Walden wiederum hörte man lieber ein etwas sparsameres Rockschlagzeug, statt seines überlauten schwermetalligen Rumgefichtels auf unzähligen Trommeln, Becken und zwei Bassdrums. Rhonda Smith knattert, schnalzt und slappt ein rasantes Basssolo. Brillantes Gefunke und Gefunkel, bis auch das irgendwann zuviel wird.

Der Glanzpunkt des Abends ist die umwerfende instrumentale Interpretation des Beatles-Songs „A Day In The Life“. In der Zugabe hängt sich der Fender-Stratocaster-Spieler Beck erstaunlicherweise eine Gibson Les Paul um. Eine respektvolle Geste zum Gedenken an den im letzten Jahr gestorbenen Gitarrenerfinder, Musiker und Songschreiber Les Paul. Ihm zu Ehren zelebriert Beck munter swingend Les Pauls Song „How High The Moon“. Und mit Puccinis Arie „Nessun Dorma“ als Gutenachtlied verabschiedet er seine verzückten Fans. H. P. Daniels

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