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Ein seltsames Paar. Der Kleinganove Nick Gutlicht (Georg Friedrich) hat sich bei dem greisen Psychologen Curt Ledig (André Wilms) eingeschlichen und klaut seine Erstausgaben. Der Therapeut sieht in dem Filou vor allem einen interessanten Fall.

© Piffl Medien

Buddy-Movie "Über-Ich und Du": Ziemlich beste Fremde

Heilung ausgeschlossen: Benjamin Heisenberg lässt in seiner Psycho-Komödie „Über-Ich und Du“ einen greisen Therapeuten und einen flüchtigen Kleingangster aufeinandertreffen.

Was sich als Wissenschaft ausgibt, ist manchmal bloß Esoterik. Ein greiser Psychologe verspricht seinem Patienten eine „Blitztherapie“ innerhalb von zwanzig Minuten. Dafür muss er sich allerdings bis zum Hals eingraben lassen. Doch anstatt ihn nach zwanzig Minuten wieder auszugraben, lässt der Therapeut den jungen Mann bis zum nächsten Morgen in der Erde stecken. Ameisen laufen über seinen Kopf, Schafe lecken über sein Gesicht, ein Gewitter entlädt sich über ihm. Doch dann bricht der Seelenarzt zusammen. Ist er tot? Oder bloß ohnmächtig? Als die zweite Nacht anbricht, kann sich der Mann befreien und den Psychologen retten. Geheilt ist er eher nicht.

Benjamin Heisenbergs Komödie „Über-Ich und Du“ erzählt von einem Odd Couple: dem Starpsychologen Curt Ledig (André Wilms) und dem Kleinganoven Nick Gutlicht (Georg Friedrich). Gutlicht bricht auf der Flucht vor mafiösen Gläubigern in Ledigs Villa ein, weil er hofft, dort für ein paar Wochen untertauchen zu können. Allerdings ist der Hausherr keineswegs verreist, er wird gerade von einem Fernsehteam interviewt. Am Ende sagt der Therapeut den geplanten Trip ab, er will lieber zu Hause an einem Vortrag über die Anfänge seiner Karriere im „Dritten Reich“ arbeiten. Als Gutlicht aufkreuzt, wird er sogleich von Ledig als Fahrer und Haushaltshilfe engagiert.

Die Figurenkonstellation erinnert an die französische Erfolgskomödie „Ziemlich beste Freunde“, in der ein Querschnittgelähmter und sein Pfleger nach Krisen und Kämpfen zu Kumpeln wurden. Auch die beiden Helden von „Über-Ich und Du“ können zunächst nicht viel miteinander anfangen. Gutlicht ist vor allem an den Erstausgaben im Bücherschrank seines Arbeitgebers interessiert und verkauft sie nach und nach an ein Antiquariat, mit dessen attraktiver Inhaberin (Susanne Wolff) er eine On/Off-Beziehung führt. Ledig wiederum sieht in seinem Fahrer bloß einen interessanten „Fall“ und spricht „Beobachtungen über den Mann, mit dem ich lebe“, in sein Diktiergerät. Er leidet an einer seltsamen Küchenphobie und bewegt sich nur mit Hilfe von Krücken fort. So lange jedenfalls, bis Gutlicht die Krücken wegwirft.

Benjamin Heisenberg gehört zu den prominentesten Vertretern der „Berliner Schule“. In seinen Filmen „Schläfer“ und „Der Räuber“ hat er seine Hauptfiguren, einen Terrorverdächtigen und einen Bankräuber, mit kühler Präzision beobachtet. Sein Ansatz war strikt anti-psychologisch, der Zuschauer hatte keine Möglichkeit zur Identifikation. Dass Heisenberg nun eine Komödie gedreht hat, ist überraschend. Noch überraschender, dass sie von Psychologie handelt. Es gibt ein paar gelungene Slapstick-Szenen in „Über-Ich und Du“, etwa eine absurde Verfolgungsjagd beim Zahnarzt, bei der Gutlicht von einem Gangster gejagt wird und beide, weil sie Füllmasse im Mund haben, nur stammeln können.

Doch um Komik herzustellen, reicht es nicht aus, zwei neurotische Helden aufeinander loszulassen – auch wenn sie von André Wilms und Georg Friedrich großartig verkörpert werden. Was dem Film fehlt, sind Pointen. Wenn Ledig Gutlicht im Auto zu analysieren beginnt, und der bloß knurrt: „Hören Sie mir mit dem Psycho-Scheiß auf!“, raschelt das Drehbuchpapier. Wahrscheinlich gibt es nur einen einzigen Regisseur, der komische Filme über derlei Psycho-Scheiß drehen kann. Und der heißt Woody Allen.

Filmtheater am Friedrichshain, fsk, Hackesche Höfe, Kant, Neues Off

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