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Den Jubel organisieren. Wahlkampfmanager Stephen Meyers (Ryan Gosling).

© Tobis

"The Ides of March" mit Ryan Gosling: George Clooneys Meisterstück

Sein vierter Film als Regisseur ist sein bester: George Clooneys „The Ides of March" erzählt - unterhaltsam und schlau - vom Aufstieg eines Polit-Beraters im US-Wahlkampf. Mit einer Paraderolle für Ryan Gosling.

Das Plakat, soeben gesehen an den Berliner Yorckbrücken, ist lustig. Und clever. „Clooney for President“ ruft es mit einiger Dringlichkeit – und verlinkt sich via waehl-clooney.de so flott mit der dazugehörigen Facebook-Kampagne, als könne man allein damit den deutschen Präsidenten, wie hieß er noch gleich, aus dem Amt fegen. Und auch grafisch ist es perfekt. Oder zumindest perfekt nachempfunden, bis in die kantige Stilisierung des Kandidaten und in die Schrifttype hinein: Genau so hat einst Shepard Faireys berühmtes „HOPE“-Poster den Siegeszug des Barack Obama vorangetrieben.

Klar, alles Kino-PR. Aber eine mit doppeltem Hintersinn. Das Plakat wirbt indirekt für „The Ides of March“, worin George Clooney einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten spielt. Und symbolisiert zugleich die diffuse globale Sehnsucht, einer wie Clooney könne zum noch immer obersten Weltamt taugen – auch wenn Kinohelden wie Ronald Reagan und Arnold Schwarzenegger es im Politjob allenfalls zu mittelprächtigen Referenzen gebracht haben. Nur scheint der Gedanke einfach unabweisbar: Wenn da oben sowieso alles Show ist – warum dafür nicht gleich die Profis, die Show-Spieler, verpflichten?

Andererseits ist George Clooney vielleicht sogar dafür zu clever. Sein Governor Mike Morris ist zwar so smart und liberal, wie Barack Obama es einmal war. Aber bei seinen Vorwahlkampfreden im wichtigen Bundesstaat Ohio brüllt er – im englischen Original – nur mit hörbarer Mühe. Ihm fehlt gerade jene Mischung aus Charisma und Ernst, die Politikern erst ihre Überzeugungskraft verleiht. Politiker müssen sich ihre Rollen auch glauben. Der fundamental elegante George Clooney dagegen spielt auch hier – und macht so die Restlücke zwischen Kino und Wirklichkeit fein sichtbar.

Da ist Morris’ Wahlkampf-Nachwuchsmanager Stephen Meyers aus ganz anderem Holz. Am Anfang von „The Ides of March“ spielt Ryan Gosling diesen machthungrigen Jungen, wie man eine Rolle ausprobiert: Beim Soundcheck probiert er Politsätze, die vielleicht er selbst Morris auf den Leib geschrieben hat, so an, wie man Klamotten oder Krawatten wechselt. Passt? Passt. Und irgendwann, nach Irrungen und Intrigen, scheint ihm – in einer Spiegelszene des Anfangs – die Uniform der Macht wie mit dem Körper, der Mimik verwachsen. Und eingewachsen bis in die kalt gewordene Stimme.

„The Ides of March“ erzählt vor allem davon: Wie jemand lernt, um eine Rolle zu kämpfen, bis sie ihm zur Identität wird. Der Film ist Lehrstück der Macht und, als vierter in eigener Regie, George Clooneys Meisterstück. Schon vor sechs Jahren sondierte er, in „Good Night, and Good Luck“, das Terrain der politischen Hinterzimmer, der rauchgeschwängerten Bars, der Nachrichtenwelt, wo ein couragierter Journalist dem Kampf gegen den Kommunistenjäger Joseph McCarthy führte. Diesmal legt er, fern aller Hoffnung und Illusionen, die Mechanismen der Macht aufs Schönste, Hässlichste und Unterhaltsamste frei.

Anfangs kämpft Stephen Meyers mit Feuereifer für seinen Kandidaten Morris: Eigentlich muss nur der größte Konkurrent in der eigenen Partei auf Abstand gehalten und ein weiterer Senator ins eigene Lager gelockt werden – schon sollte dem Triumphzug des Mike Morris nichts mehr im Wege stehen. Aber was, wenn der Wahlkampfmanager des Konkurrenten (wunderbar ausgebufft: Paul Giamatti) einen offenbar abzuwerben versucht? Was, wenn der eigene Chef (ebenso wunderbar ausgebufft: Philip Seymour Hoffman) schon die Anbahnungsbegegnung, die sein junger Assistent da zugelassen hat, unverzeihlich findet? Und was wiederum, wenn Meyers, der eine Affäre mit einer Praktikantin (Evan Rachel Wood) beginnt, zufällig von etwas Wind bekommt, das ihm noch grausam nützlich werden könnte?

Mit hohem Tempo und zugleich unmerklich zieht „The Ides of March“ seine Zuschauer in einen Politpsychothriller hinein, dessen genialer Showdown dann nahezu geräuschlos verläuft. Jemand steigt in ein Auto ein, die Kamera wartet, und jemand steigt aus einem Auto wieder aus. Oder: Zwei Männer unterhalten sich am Rande einer Beerdigung in kultiviertester Dezenz, dabei hat der eine gerade die Karriere des anderen beendet. Ja, im alten Rom, in den legendären Iden des März des Jahres 44 v. Chr., mag Brutus mit seinen Verschwörern den Diktator Cäsar so richtig blutig ermordet haben. Sehr old school, das. Wie viel erhebender ist es dagegen, ein anderweitiges Weiterleben zu begleiten, das man vollends in der Hand hat!

Ryan Gosling, soeben vom „Time“-Kolumnisten Joel Stein zum „coolsten Typen des Jahres“ ausgerufen, stemmt – nach „Blue Valentine“ und „Drive“ (Kinostart am 26. Januar) – auch diese Rolle fantastisch. Wieder verwandelt sich da einer vom Arglosen in einen, dem das Leben unwiderruflich störend zusetzt, bis es ihn – hier zu seinem Schaden und Nutzen gleichzeitig – zugerichtet hat. Nur ist es diesmal weder das Schlachtfeld der Liebe noch das Gangstermilieu, in dem sich dieser Prozess vollzieht, sondern die Politik. Tatsächlich erzählt „The Ides of March“ damit, wie manche Kritiker monieren, nichts substanziell Neues. Aber erstens ist jede wirklich wichtige Geschichte uralt, und zweitens wird sie hier unerhört zeitgemäß erzählt.

Unlängst hielt in Deutschland jemand eine Rede, nur fünf Minuten lang, sie war clever, emphatisch und doch kühl. Es war eine Abschiedsrede, allerdings die eines jungen Mannes, der wohl schon ahnt, dass er wiederkommt. Sie hätte durchaus irgendwo in „The Ides of March“ hineingepasst, diese Rede des FDP-Mannes Christian Lindner. Auch Stephen Meyers, der endlich an seine Rolle glaubt, hätte sie halten können – wenn es ihm denn nur ein bisschen anders ergangen wäre.

„The Ides of March“ läuft ab Donnerstag in 15 Berliner Kinos.

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