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Waghalsige Layouts, freizügige Bilder: Eine Szene aus dem besprochenen Sammelband.

© Avant

„Valentina“ von Guido Crepax: Stilikone in Schwarz-Weiß

Lange standen seine Werke auf dem Index. Jetzt kann man den Zeichner Guido Crepax mit einer opulenten Neuauflage seiner „Valentina“-Comics neu entdecken.

Nicht zufällig ähnelt diese Comicheldin Louise Brooks, dem amerikanischen Stummfilmstar, der Ende der 1920er Jahre in Filmen wie G. W. Pabsts „Die Büchse der Pandora“ den Pagenkopf als Frisur salonfähig machte. Der italienische Comiczeichner Guido Crepax (1933-2003) hat sich für seine Comicfigur am Look der Stilikone orientiert, ansonsten aber seine – Brooks ähnelnde – Frau Luisa als Modell benutzt.

Valentina – heller Teint, schwarzer Pagenkopf und schmale, langbeinige Gestalt – erschien zunächst 1965 als Nebenfigur im Comic „Neutron“, einer skurrilen Mischung aus Superhelden- und Detektivstory, deren Held Philipp Rembrandt alias Neutron einen paralysierenden Blick besitzt, mit dessen Hilfe er Verbrechern das Handwerk legen kann.

Die Fotojournalistin Valentina wandelt sich schnell von der Geliebten Neutrons zur eigentlichen Heldin des Comics. Wie Umberto Eco, begeisterter Comicleser und -analyst, feststellte, nahm Crepax Stilmittel der „Nouvelle Vague“ im Film vorweg, indem er im Comic neuartige Seitenlayouts einführte, die ähnlich der filmischen Montage die Handlung in Bildsplitter, Großaufnahmen und Details auflösten und sogar Kamerabewegungen imitierten.

Traum, Tagtraum, Erinnerungsfetzen

„Valentina“ spielte von Anfang an mehr mit den Möglichkeiten der Kunstform, als eine geradlinige Geschichte zu erzählen. Traum, Tagtraum, Erinnerungsfetzen aus der Nachkriegskindheit Valentinas und Neutrons durchdringen sich mit gegenwärtigen Handlungen auf vielschichtige, oft verrätselte Weise. Crepax erweist sich auch als Kenner der Comicgeschichte, indem er Comicklassiker wie „The Phantom“ oder „Flash Gordon“ zitiert, oder eine Party zeichnet, auf der die Gäste bekannte Comicfiguren darstellen.

Wiederentdeckung: Das Cover des besprochenen Bandes.
Wiederentdeckung: Das Cover des besprochenen Bandes.

© Avant

In den 1970er Jahren adaptierte der Mailänder Zeichner zahlreiche erotische Romane. In Deutschland landeten die meisten seiner Werke durch die Darstellung sadomasochistischer Fesselspiele schnell auf dem Index, sodass einzelne Ausgaben schon seit Längerem nur noch antiquarisch erhältlich sind. Der Berliner Avant-Verlag bringt nun die frühen Abenteuer Valentinas heraus, die auch heute noch durch ihre waghalsigen Layouts, den 60er-Jahre-Zeitgeist und surreale Bildeinfälle beeindrucken.

Die erotische Anziehungskraft der Titelfigur hat ebenfalls bis heute nicht gelitten – Crepax visualisiert auf kunstvoll-verspielte Weise sexuelle Fantasien in kontrastreichen Schwarz -Weiß-Zeichnungen. Louise Brooks, mit der Crepax in Briefkontakt stand, zeigte sich übrigens begeistert von ihrer Verwandlung in diese Comicfigur.

Guido Crepax: Valentina, Avant, 216 Seiten, 34,95 Euro, Leseprobe auf der Website des Verlages.

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