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Weitermacher. Reitz hat gerade „Die andere Heimat“ abgedreht, die von Hunsrück-Auswanderern um 1840 erzählt. Foto: dpa

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Kultur: Das Hermannsdenkmal

Schöpfer der filmischen Jahrhundertchronik „Heimat“: Edgar Reitz zum 80. Geburtstag.

Wer in den achtziger Jahren erwachsen war oder fast schon erwachsen, alt genug jedenfalls fürs Abendprogramm, der kennt den Hunsrück. Dafür brauchte es keine Reise, nur einen Fernseher. Die elfteilige Serie „Heimat“, von der ARD erstmals im Herbst 1984 ausgestrahlt, machte aus einem dünn besiedelten, von Mosel, Rhein und Saar begrenzten Landstrich im deutschen Südwesten einen kollektiven Erinnerungsort.

Erzählt wird eine Geschichte aus der Provinz, aus dem Dorf Schabbach, in dem die Menschen einen seltsamen Singsang sprechen, das Hunsrücker Platt. Manche träumen von der Ferne, einer schafft es bis nach Amerika. Weil sich in diesen Geschichten vom Bleiben, Träumen, Fortgehen die Geschichte eines ganzes Landes vom verlorenen Ersten Weltkrieg bis in die Ära Kohl spiegelt, kann man in den kunstvoll zwischen Schwarzweiß und Farbe wechselnden Bildern der „Heimat“ mehr über die Deutschen erfahren als in den meisten Geschichtsbüchern.

Schabbach ist ein fiktiver Ort, angelehnt an das Hunsrück-Dorf Morbach, in dem Edgar Reitz vor 80 Jahren, am 1. November 1932 als Sohn eines Uhrmachers und einer Hutmacherin zur Welt kam. In der Figur des Hermann Simon – von seiner Familie „Hermännchen“ genannt – hat sich der Regisseur selbst ein Denkmal gesetzt. Das Hermännchen verlässt Schabbach, um in München Musik zu studieren, die Boheme und die Liebe kennenzulernen. Davon handelt „Die Zweite Heimat“, die 1993 ins Fernsehen kam. In „Heimat 3“ kehrt der Weggeher dann 2004 zurück, baut ein Haus und trifft eine alte Liebe wieder.

So ähnlich ist es auch bei Reitz gewesen. Er verließ Morbach, um in München Elektrotechnik zu studieren, landete aber beim Kino, drehte Industrie- und Kulturfilme, gründete mit Alexander Kluge die Filmabteilung an der Hochschule für Gestaltung in Ulm und gehörte 1962 zu den Initiatoren des Oberhausener Manifests, das „Papas Kino“ den Totenschein ausstellte. Ganz im Sinne des Manifests hat er einige beachtliche Autorenfilme wie „Mahlzeiten“ und „Der Schneider von Ulm“ inszeniert, aber um sein Opus magnum zu erschaffen, musste er zurück in den Hunsrück. Seine Chronik „Heimat“ ist inzwischen auf 52 Stunden angewachsen, ein Hybrid aus Kino und Fernsehen, dessen letzten beiden Teile beim Filmfest Venedig gefeiert wurden.

„Nur die Kunst vermag es, den Augenblicken Dauer zu verleihen. Das Großartige an der Kamera ist, dass sie Zeit abbilden und speichern kann. Wir Filmemacher besitzen damit ein Instrument, das uns auf magische Weise befähigt, das flüchtige Leben zu bannen“, sagt Edgar Reitz. Gerade hat er „Die andere Heimat“ abgedreht, eine Art Prequel seiner Trilogie, das nächstes Jahr ins Kino kommen soll. Es geht um Hunsrückbauern, die um 1840 nach Brasilien auswandern. Werner Herzog spielt eine Figur namens Humboldt. Das Abenteuer geht weiter. Christian Schröder

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