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Kultur: Das Leben – und nichts anderes

Wenn Schauspieler zu viel schreiben: Leipziger Allerlei, ganz ohne Trinken und Rauchen.

Wer Prominenz und Semiprominenz zum Anfassen erleben will, ist auf einer Buchmesse immer gut aufgehoben; womit keine Stars der Literaturszene gemeint sind, ein Martin Walser, ein Péter Esterházy, ein frischgebackener Buchpreisgewinner wie David Wagner. Sondern bücherschreibende Politiker, Ex-Politiker und TV-Schauspieler beispielsweise. „Leben“ ist eins der Schlagworte dieser Messe. „Mein Leben“ hat zum Beispiel auch Michail Gorbatschow in Form eines Buches erzählt, „Alles zu seiner Zeit“ betitelt. Der ehemalige Präsident der Sowjetunion ist inzwischen 82 Jahre alt und womöglich nicht mehr der rüstigste. Seine Termine auf dem Messegelände kann er jedenfalls nicht wahrnehmen, „wegen Überanstrengung“, wie der Gorbi-und- Schwarzenegger-Verlag Hoffmann & Campe mitteilen lässt.

Die Enttäuschung in der stets voll besetzten Arena der Leipziger Volkszeitung hält sich bei dieser Nachricht in Grenzen. Sogleich folgt nämlich Heiner Lauterbach, um über sein Leben zu sprechen – und über ein Buch über seine Alkoholkrankheit und wie er sie überstanden hat, „Man lebt nur zweimal“. Lauterbach sieht fast ungut kernig und gesund aus. „Nichts ausgelassen“ hat er früher, nun extremisiert er in die andere Richtung: Familie, Familie, Familie, Sport, Sport, innere Einkehr. Auf die Frage, wie er seinen 60. Geburtstag feiere, antwortet Lauterbach: „Gar nicht, ich habe doch früher 365 Tage im Jahr gefeiert.“ Das ist schlagfertig; täuscht jedoch nur notdürftig darüber hinweg, dass es enorm langweilig ist, jemandem dabei zuzuhören, was für einen Sport er macht, dass er nun viel konzentrierter bei der Arbeit sei oder er empfehle, erst mit dem Trinken und danach mit dem Rauchen aufzuhören.

Die Kategorie „Leben“ benötigt bisweilen Mehrwert, da reicht es nicht, einfach nur der Schauspieler Heiner Lauterbach zu sein. Oder das Berlin-Original Ben Becker, der seine Biografie schon vor zwei Jahren veröffentlicht hat: „Na und, ich tanze“. Dieses Jahr liest Becker aus seinem Kinderbuch „Geschichten vom Bruno mit den grünen Haaren.“ Das Leben muss ja weitergehen, auch nach der Autobiografie.

Wie schwer es ist, die Zuschreibung „schreibt nur über sich“ loszuwerden, davon weiß die Schriftstellerin Irina Liebmann ein Lied zu singen. Sie habe mit ihrer Erzählung „Drei Schritte nach Russland“ explizit kein Buch über ihre Mutter geschrieben, auch wenn Russland das Land ihrer Mutter und ihr Geburtsland sei: „Dann heißt es wieder“, so Liebmann am Arte-Stand, „ich schreibe immer nur über meine Familie. Nach dem Vaterbuch das Mutterbuch, das ist zu einfach, meine Mutter hat mir nie viel über sich erzählt.“

Nur gut, dass der keineswegs unprominente Denis Scheck der Prominenz und ihren Büchern ab und an die Leviten liest: „Dieses Buch ist schrecklich“, so Scheck bei seiner „Best-Of-Druckfrisch“-Performance in Halle 3 über Bettina Wulffs „Jenseits des Protokolls“. Obwohl man sich schon fragt: War da was mit Bettina Wulff? Wie lange lag ihr Buch in den Läden? Zwei Tage, drei Tage? Gerrit Bartels

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