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Und es wächst von Tag zu Tag: Die Schloss-Baustelle im Herzen Berlins.

© dpa

Debatte um das Berliner Humboldt-Forum: Weltmeister des Verstehens

"Auf dem Weg zum Humboldt-Forum" heißt die Gesprächsreihe über die Ausgestaltung dessen, was im rekonstruierten Berliner Schloss präsentiert werden soll. Zum Auftakt sprach unter anderem Bundespräsident a.D. Horst Köhler.

Immer wenn vom Humboldt-Forum im Schloss die Rede ist, regnet es schöne Wörter. Sonntagsredenwörter, Beste-Absichten-Wörter, Zivilisations- und Aufklärungswörter: von A wie Augenhöhe und Austausch über M wie Menschenrechte bis zu Vertrauen und Weltgespräch. Es ist viel von Welt die Rede an diesem Montagabend in der Rotunde des Alten Museums. Davon, dass „wir in der Welt nicht weiterkommen“, wenn wir nicht Vertrauen aufbauen im Dialog der Kulturen, wie Bundespräsident a.D. Horst Köhler es sagt.

Welches "Wir" bitte? Die Deutschen? Die Europäer? Die Industrienationen? Da ist sie wieder, die Indienstnahme der Kultur als Mittel zum Zweck der Macht, der Wirtschaftsbeziehungen. Ein Paradox, vielleicht die Crux des Forums schlechthin. Denn gleichzeitig wird bei diesem Auftakt zur Gesprächsreihe „Auf dem Weg zum Humboldt-Forum“, zu der die Stiftung Preußischer Kulturbesitz geladen hat, das Gegenteil beschworen: die Befreiung der Künste aus ihrer Zweckdienlichkeit. Horst Köhler räsoniert über den Phantomschmerz der gestalterisch und gedanklich leeren Mitte Berlins, hält es mit Alexander und Wilhelm von Humboldt („Wissensdurst ist schlimmer als Heimweh“) und führt die Interkulturalität der westlichen Welt auf den globalisierten Kapitalismus zurück ("Wir sitzen alle in einem Boot"). Aber der ehemalige IWF-Chef steckt auch noch in ihm, wenn er sich solche Selbstreflexion „unserer“ Führungsrolle zuliebe wünscht.

In der Rotunde, diesem Pathosraum mit Kassettenkuppel, hallt die Sehnsucht nach dem Weltgespräch eindrucksvoll nach. Und doch wird es mehr und mehr ein Gespräch über Europa – obwohl ja die außereuropäischen Sammlungen der Preußenstiftung ab 2019 im Schloss untergebracht werden sollen, das vis-à-vis dem Alten Museum Tag für Tag wächst. Und obwohl Stiftungspräsident Hermann Parzinger die reine Selbstbezüglichkeit fürchtet wie der Teufel das Weihwasser.

Er kann es nicht richten, jedenfalls nicht bei den anderen Diskussionsteilnehmern. Prinz Asfa-Wossen Asserate möchte im Humboldt-Forum die Basis der europäischen Zivilisation (Philosophie, Recht, Religion) erinnert wissen. Michael Zürn vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung fordert, dass Deutschland als Exportweltmeister auch Weltmeister des Verstehens wird. Und alle sind sich einig, dass die kleinen Fächer an den Universitäten nicht aussterben dürfen. Rettet die Äthiopistik, die Mongolistik, die Tibetologie! Das ist doch mal eine klare Ansage. Bloß, was hat sie mit der Ausgestaltung des Humboldt-Forums zu tun?

Cilja Harders, am Otto-Suhr-Institut für den Vorderen Orient zuständig, wechselt als Einzige die Perspektive und benennt die Grenzen des Dialogs im schnöden politischen Alltag, das schmerzliche Unvermögen all der schönen Sonntagsreden. Was tun, wenn der Dialog im Nahen Osten nicht erwünscht ist? Wenn die ägyptische Analyse des Arabischen Frühlings der hiesigen diametral widerspricht? Wenn ihre Kollegen aus Syrien oder Libyen kein Visum fürs Symposium in Deutschland bekommen?

Für die vage Vision von Berlin als Hauptstadt des Weltgesprächs bedeutet das zunächst, dass sich postkoloniales Gebaren verbietet. Was sich leicht sagt, aber schwer zu realisieren ist. Für die Präsentation der vormals völkerkundlichen Sammlungen verspricht Hermann Parzinger die Kooperation mit den Herkunftsländern. Beim jüngsten Brasilien-Besuch musste er jedoch erfahren, dass die Kunst im Museum auch dort mit dem Barock beginnt und die indigenen Kulturen ein Schattendasein führen. Mit dem Nachdenken über das Humboldt-Forum ist es wie mit den antiken Skulpturen in der Rotunde: Man weiß nicht, ob sie zum Sprung ansetzen oder längst in ihrer Bewegung erstarrt sind.

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