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Einzelgänger. Fabian Hinrichs glänzt derzeit in zwei Soli.

© Doris Spiekermann-Klaas

Fabian Hinrichs: Der Schwerkraftzersetzer

Witz und Widerstand: Eine Begegnung mit dem Schauspieler Fabian Hinrichs.

Fabian Hinrichs lächelt nicht gern, wenn er fotografiert wird. Das hat nichts mit einer Verweigerung aus Prinzip zu tun. Er zählt halt nicht zu jenen Leuten, die bei Porträtaufnahmen, auf roten Teppichen oder in anderen kamerafrequentierten Zusammenhängen „atomkraftwerksmäßig strahlen und sich dabei verbiegen“. Soll es ja geben, sagt er. Heiner Müller habe diesen Typus „den Träumeverkäufer“ genannt. Und wenn nach zwei Treffen, in einem kleinen Park nahe der Sophiensäle und in einem Café am Landwehrkanal in Kreuzberg, eines klar ist, dann das: Der Schauspieler Fabian Hinrichs verkauft keine Träume.

„Individualist, autonom, anspruchsvoll, schwierig“, das sind Begriffe, mit denen er gelegentlich belegt wird, wohl aus Hilflosigkeit. Er selbst sagt, er suche Partner in der Arbeit, mit denen etwas Drittes entstehen könne, er brauche aber keinen Regisseur, der ihm vorgebe, was er zu tun und zu lassen habe. Er mag auch den Begriff Kollege nicht. „Mein Vater ist Polizist, mein Bruder auch, die haben Kollegen, das respektiere ich. Wenn ich mit Irm Hermann probe, nehme ich sie wahr als jemand vollkommen Eigenständigen. Ich verlange da gar nichts.“ Kollege, das habe ein Geschmäckle von: Wir sind alle gleich. Hinter solchen Zusammenrottungen vermutet er eine gewisse Verlogenheit. Er nimmt sich auch die Freiheit, Castings beim Film als wechselseitiges Kennenlernen zu begreifen und Nein zu sagen, wenn es ihm nicht passt. Eigentlich alles selbstverständlich, findet er. Aber es reicht wohl schon, um in einer Kino- und Theaterbranche, die großteils über Abhängigkeiten, Einschüchterungen und Eitelkeitsbrimborium funktioniert, als Sonderling bestaunt zu werden.

Hinrichs macht Filme wie die Low-Budget-Produktion „66/67“, eine Geschichte aus dem Fußballfan-Milieu, die ihm noch heute am Herzen liegt, auch wenn er vorher wusste, dass wohl nur eine Handvoll Zuschauer kommen würden. Er spielt mit selten gesehener Aufgeladenheit einen aus der Rolle fallenden Bankangestellten in Maximilian Erlenweins „Schwerkraft“, was ihm eine Nominierung für den deutschen Filmpreis eintrug. Und dass dazwischen mal ein Tatort liegt, bedeutet ja keinen Ausverkauf, das zahlt die Miete für ein halbes Jahr. Er würde auch nie behaupten, Geld sei unwichtig oder per se etwas Schlechtes.

„Steuerrechtlich“, sagt Hinrichs, der mal Jura studiert hat, „ist Schauspieler ja gar kein künstlerischer Beruf, weil er weisungsbefugt ist“. So betrachtet sei er vielleicht keiner. Genauso wehrt er sich gegen die Sentimentalisierung seiner Profession, im Stile von „Lampenfieber gehört dazu.“ Stimmt nicht, meint er, da spreche nur das Unternehmen in einem selbst, das geil gefunden werden wolle von Menschen, die man doch gar nicht kenne. Hinrichs bedient das Unternehmen nicht.

Er war jahrelang fest an Frank Castorfs Volksbühne engagiert, er arbeitet mit Regisseuren wie Christoph Schlingensief, Schorsch Kamerun, Laurent Chétouane, mit Künstlern also, die sich ebenfalls nicht als Kellner eines Dienstleistungsbetriebes begreifen. Im großen Saal der Volksbühne spielt er zurzeit das René- Pollesch-Solo „Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang“ (wieder am 24.5., 19.30 Uhr), ein sensationeller Abend, mit dem Hinrichs einen gänzlich neuen Sound in den diskursbeschleunigten Pollesch-Kosmos getragen hat. Es gab nicht wenige Bedenkenträger, vorher. Das Große Haus, Hinrichs alleine? Jetzt, da die Inszenierung ein Erfolg ist, kommen laufend Regisseure, die mit ihm Soli erarbeiten wollen, fast zum Weinen, sagt er.

In den Sophiensälen hat Hinrichs eine auf drei Teile angelegte Performancereihe ins Leben gerufen, die den schönen Titel „Ein Koffer voller Schmerzen“ trägt. Er belebt da, wortgetreu bis auf die „Ähs“, die Abschrift einer Vorlesung oder eines Interviews wieder. Den Autor oder die Herkunft des Textes verschweigt Hinrichs, weil er das alltägliche Daumen-rauf-Daumen-runter-Prinzip unterlaufen will, mit dem wir alle unentwegt über die Dinge richten und ihnen Etiketten anheften. Er versucht das zu vermeiden, auch im Gespräch.

Statt meinungsgewisser Statements hört man von ihm Sätze wie: „Es gibt nicht nur die schwarzen Tasten am Klavier.“ Furchtbar findet er es auch, wenn Menschen auf ihre sogenannten Erwerbsberufe reduziert werden, und dann erzählt er von Michel de Montaigne, der als Bürgermeister von Bordeaux abdankte, bloß um nicht mehr als „Herr Bürgermeister“ angesprochen zu werden.

Wer will, kann die „Koffer“-Materialien leicht identifizieren. Am ersten Abend bringt Hinrichs den Vortrag „Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn“ des Neurologen und Psychiaters Viktor Frankl zu Gehör, am zweiten Abend das Thomas-Bernhard-Gespräch „Monologe auf Mallorca“. Es ist großartig, wie es ihm gelingt, den fremden Texten einen ganz eigenen Witz einzuhauchen, ohne sie zu ironisieren. Auf seine beachtliche Belesenheit wird gern abgehoben, die traut man Schauspielern gemeinhin nicht zu. Wenig ist hingegen von Hinrichs’ Humor die Rede, der die verquersten Blüten treiben kann. Etwa, wenn er als Frankl-Intro eine Fips-Asmussen-Kassette laufen lässt, wozu er berichtet, er habe sich mal eine 3er-CD- Box dieses berüchtigten Komikers besorgt und zu Hause laufen lassen, bis die Befremdung in Belustigung umschlug: „Nach 30 oder 40 von diesen Scherzen fängt man an zu lachen, da fällt die innere Verteidigung.“

Hier Fips Asmussen, dort die Frage nach dem Sinn des Lebens. Es ist in jeder Hinsicht bereichernd, Fabian Hinrichs zu begegnen.

„Ein Koffer voller Schmerzen: Teil 3“ Samstag, 22.5., 20 Uhr, Sophiensäle

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