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Kultur: Die Geduld der dienenden Klasse

Der Hund erbt alles: „Workers“ von José Luis Valle, ein satirisches Märchen aus Mexiko.

In der weißen Villa über dem Meer in Tijuana wird einem Hunde-Götzenkult gehuldigt. Statt Nymphen stehen im Park Whippet-Statuetten. Gerade sägt der Gärtner einem Buchsbaum Schwanz und Schnauze. Objekt der Anbetung ist ein zerzauster Windhund, der vom Chauffeur im Mercedes herumkutschiert wird. Princesa ist der einzige Lebenszweck der siechen Patronin Juliana, die vom Rollstuhl aufs Meer schaut, während ihre Chef-Angestellte Lidia (Susana Salazar) hinter ihr den Plunder abstaubt.

Doch dann stirbt Señora Juliana. Sie hat verfügt, den Betrieb wie gewohnt zu führen, um das Hündchen nicht noch mehr zu verstören. Nach dem Ableben von Princesa soll dann nicht Sohn Emilio sondern das Personal den Besitz erben. Natürlich nur, wenn Princesa kein vorzeitiger Tod dahinrafft. Vor Dummheiten warnt auch Emilio, der samt Goldkettchen und schwarzem SUV ganz den Habitus eines Mannes hat, der viel Geld mit unsauberen Geschäften macht. Doch die Angestellten sind selbst nicht mehr die Jüngsten. Und in ihrer Sehnsucht nach dem Heimatdorf fällt Lidia weiteres Abwarten schwer.

Regisseur José Luis Valle führt diese hyperrealistisch erzählte bizarre Geschichte aus dem mexikanischen Superreichen-Milieu parallel mit einem anderen Strang um den in einer Trailersiedlung hausenden Rafael (Jesús Padilla), der seinen Rentenantritt erwartet. Doch auch hier kommt alles anders, denn sein Chef weist das Ruhestandsanliegen unter Vorwänden ab. Und erpresst den nie legalisierten Migranten aus El Salvador, der bald wieder mit dem Putzwagen durch die Flure zockelt. Auch hier gibt es einen Knacks im bisher vorbildlichen Dienstverhalten.

Es gibt nur ein paar zarte Hinweise auf eine Verbindung dieser beiden ineinanderverspiegelten Geschichten um Altern, Träume und Herrschaftsverhältnisse. Zueinander finden sie aber nie. Auch sonst beherrscht Valle die Kunst, Figuren und Geschehnisse klar zu zeichnen, doch nie auszuerklären. Mit seinem satirischen Märchen führt er das Publikum immer wieder auf unerwartete Pfade.

Sein ästhetisches Programm präsentiert der Filmemacher schon in der ersten Einstellung, die sich in einem langen langsamen Travelling vom Strand über eine klotzige Grenzbefestigungsanlage bis zu ein paar Menschen unten am Zaun bewegt. Sie gibt das Tempo für den Rest des Filmes vor. Musik kommt nur aus dem Autoradio oder von den bösen Nachbarn. Aber weil das ja die schlummernde Princesa stören könnte, schickt man einfach mal die Jungs mit dem SUV vorbei. Silvia Hallensleben

b-ware, Babylon Mitte, fsk, Lichtblick

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