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Kein Multikulti? Selbst Goethe (hier auf J. H. Tischbeins berühmtem Gemälde "Goethe in der römischen Campagna", 1987) liebte die Fremde. Ohne den Blick über die Grenzen ist Nationalkultur nicht denkbar. Oder wo beginnt die andere Kultur? Erst jenseits des Mittelmeers?

© dpa/Städel Museum/ U.Edelmann

Die Kulturpolitik der AfD: Hauptsache deutsch

Das Nationalerbe pflegen, den "Multikulturalismus" zurückdrängen und bloß nicht "gendern": Was im Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland über die Kultur steht.

Der Satz mit den Orchestern ist draußen. Im AfD-Wahlprogramm für Sachsen-Anhalt sollten Museen, Orchester und Theater verpflichtet werden, einen „positiven Bezug zur eigenen Heimat“ zu fördern. Neben den internationalen Klassikern sollten die Landesbühnen stets auch deutsche Klassiker spielen und „sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen“.

Eine Politik, die bei der Regie mitmischen möchte: Davon ist in dem am Wochenende verabschiedeten Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland unter Punkt 7 „Kultur, Sprache und Identität“ nicht mehr die Rede. Den Parteieneinfluss auf das Kulturleben will man im Gegenteil zurückdrängen – um sich jedoch gleich zu widersprechen. Denn die Richtung vorgeben will die AfD schon. Etwa bei der Erinnerungskultur – weniger Nationalsozialismus, mehr „positive, identitätsstiftende Aspekte“ – oder bei der Sprachpflege: bloß nicht so viel Englisch und nicht mehr „gendern“: Das Bildungs-Programm der ultrarechten Partei fordert gar die Abschaffung sämtlicher Genderstudien.

"Multikulturalismus" nennt die AfD "geschichtsblind" und eine "ernste Bedrohung"

AfD-Kulturpolitik versteht sich vor allem als Museumswärterin: Das „große Kulturerbe“ deutscher Schriftsteller, Philosophen, Musiker, Künstler, Architekten, Designer und Filmemacher soll bewahrt und weiterentwickelt werden. Wie schon in den Wahlprogrammen von Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg bekennt man sich zur deutschen Leitkultur, gespeist aus den Quellen Christentum, wissenschaftlich-humanistische Tradition, römisches Recht. Passend zum Leitsatz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ wird die „Ideologie des Multikulturalismus“ zurückgewiesen, sie sei „geschichtsblind“ und eine „ernste Bedrohung für den sozialen Frieden“.

Geschichtsblind? Das Abendland sähe armselig aus, wäre es eine Monokultur. Kunst kommt von Mischung: Was wäre der urdeutsche Goethe ohne seinen „West-östlichen Divan“. Schon nach dem überraschend erfolgreichen Abschneiden der rechtspopulistischen Partei in den Landtagswahlen von Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März hatten zahlreiche Kulturschaffende vor dem Kulturverständnis der AfD gewarnt, aber auch für eine aktive Auseinandersetzung damit geworben.

Der vielleicht bedenklichste Satz im Programm lautet: „Wir halten ein gewisses Minimum an staatlichen Kultursubventionen für unumgänglich“. Ist die Kulturförderung also eigentlich zum Abschuss freigegeben? Soll der Markt die Kunst regeln, und die Kulturerbepflege am Ende auch? Es klingt jedenfalls ähnlich wie die Medien-Passage im AfD-Grundsatzprogramm als Teil der Kultur-Maximen, derzufolge die Partei die Rundfunkstaatsverträge aufkündigen, die Werbeeinnahmen untersagen und die Zahl der Sender verringern will.

Mehr zur Medienpolitik im Grundsatzprogramm der AfD lesen Sie hier: www.tagesspiegel.de/medien

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