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Sachlichkeit statt Pathos. Der Neubau der Topographie des Terrors, entworfen von der Berliner Architektin Ursula Wilms.

© Kitty Kleist-Heinrich

Topographie des Terrors: Die Schreibtische der Täter

Endlich am Ziel: Am 6. Mai wird der Neubau der Topographie des Terrors in Berlin eröffnet. Rückblick auf einen steinigen Weg.

Vielleicht entspricht es dem schwierigen Gelände und seiner unseligen Vergangenheit, dass der Weg so steinig war. Jener Weg, der von den ersten Anfängen im Sommer 1987 bis zur Eröffnung des festen Gebäudes der Topographie des Terrors geführt hat, die nun am Donnerstag feierlich begangen wird. 23 Jahre mussten vergehen, um im Grunde nichts weiter zu erreichen, als dass das Areal annähernd so aussieht, wie es zuvor jahrelang dahingedämmert hatte. Mit einem Gebäude darauf, das – nach hochtrabenden Plänen – nahezu die bescheidenste Lösung darstellt, die für die Unterbringung der Institution zu finden war.

Doch das ist zugleich das Lehrstück, das die Topographie vorführt – eines vom schwierigen Umgang mit der deutschen Geschichte. Die Institution an dem Ort, an dem die NS-Verbrechen angeordnet und organisiert wurden, gibt Zeugnis von den Tätern und weist zugleich auf die mühsame Annäherung an die dunkelste Seite des Naziregimes hin.

Nun also ist die Topographie des Terrors fertig: ein Haus und eine Landschaft. Das Areal ist das Prinz-Albrecht-Gelände. Hier waren in mehreren Gebäuden die Gestapo sowie das Reichssicherheitshauptamt der SS untergebracht, hier liefen die Fäden des Netzes zusammen, das das Regime über Deutschland und das besetzte Europa ausgeworfen hatte, hier residierte die Schaltzentrale des Terrors, von der aus Adolf Eichmann, der Prototyp des Schreibtischtäters, den Völkermord an den Juden organisierte.

Das Gebäude, das nach dem Entwurf der Berliner Architektin Ursula Wilms aus dem Büro Heinle, Wischer und Partner entstanden ist, beherbergt die Institution, die Stiftung Topographie des Terrors, mit Dauerausstellung, Veranstaltungssaal und Bibliothek. Mindestens eine halbe Million Besucher pro Jahr werden auch künftig erwartet. Die Landschaft ist eine nach Entwurf des Aacheners Heinz W. Hallmann zurückhaltend gestaltete Freifläche, die rings ums Haus einer Steppe ähnelt und im weiteren Bereich die melancholische Anmutung des dürren Robinienhains bewahrt, der sich früher auf den Trümmerresten ausbreitete.

Der quadratische, flach gelagerte und halb ins Erdreich eingegrabene Bau von 50 Metern Kantenlänge ist um einen gleichfalls quadratischen Lichthof angeordnet. Das Hauptgeschoss, zu betreten über eine knapp angehobene Terrasse und eine würdevolle Freitreppe, birgt die Räume für den großen Besucherandrang. Im knapp 800 Quadratmeter messenden Dauerausstellungsraum werden die Institutionen des NS-Gewaltapparates erläutert, SS und Polizei, und die von ihr verübten Verbrechen. Für den aus bauaufsichtlichen Gründen exakt 199 Plätze bietenden Veranstaltungssaal liegt ein erstes Programm bereits vor. Im Untergeschoss befinden sich Bibliothek, Seminarräume und die Büros der 17 Mitarbeiter rings um den durch ein Wasserbecken belebten Lichthof.

Von allen Räumen im Hauptgeschoss aus, auch von der Cafeteria im Eingangsbereich, ist durch die vorgehängte metallene Lamellenfassade das Gelände zu sehen: der authentische Ort eben des Geschehens, das im Haus dokumentiert ist. Das Gelände erschließt ein verschlungener Weg mit 15 „Stationen“, die die Historie des Ortes erzählen. Im Graben entlang der erhaltenen Kellermauern an der Grundstücksgrenze zur Straße, dem Ort der ersten, zum Dauerprovisorium gewordenen Stelltafelausstellung seit 1987, wird die Geschichte Berlins zur Nazizeit erzählt.

Gut 24 Millionen Euro standen für Haus und Landschaftsgestaltung zur Verfügung, nachdem 2006 der zweite Architekturwettbewerb entschieden war und die vorangegangenen Baumaßnahmen des Erstentwurfs beseitigt worden waren. Zuvor betrug das Budget 38 Millionen Euro. Dies war bereits eine glatte Verdoppelung, nachdem der Erstetat bei 38 Millionen Mark gelegen hatte. Aber auch der noch mit Ach und Krach abgesegnete doppelte Etat reichte nicht aus, den hochgelobten Entwurf des Schweizers Peter Zumthor aus dem Wettbewerb von 1993 (!) zu realisieren, einen hochkant gestellten Kasten aus weißen Betonstäben. Schier unendlich zogen sich die Probleme der Bauleute, der Statiker, der insolventen Firmen hin, bis schließlich Stillstand einkehrte. Ein Stillstand, sichtlich überschattet von drei Treppentürmen aus Beton, die als einzige Bauteile des Zumthor-Entwurfs bereits in die Höhe gewachsen waren – und vor denen sich der sperrige Schweizer gern und sichtlich stolz ablichten ließ.

Lernort statt Gedenkstätte. Blick in den Dauerausstellungssaal der Topographie.
Lernort statt Gedenkstätte. Blick in den Dauerausstellungssaal der Topographie.

© Kitty Kleist-Heinrich

An diesem Ort unterhielt die Gestapo ein Gefängnis

Die Geschichte der Topographie des Terrors, musste 2007 selbst Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit einräumen, sei „keine rühmliche Vergangenheit. Sie als Erfolg zu bezeichnen, würde selbst mir schwerfallen.“ Dies sagte er bei einer der zahlreichen Pressekonferenzen zum Thema, von denen manche einer Katastrophensitzung gleichkam.

Der gute Wille, die anfänglich spontan und für begrenzte Zeit geschaffene Ausstellung am historischen Ort dauerhaft zu machen, führte zu einer Spirale von Plänen, Bewilligungen, dann aber auch von Problemen und Absagen, bei denen auf allen Seiten mit verdecktem Visier gekämpft wurde. So mutmaßte Peter Zumthor 2004, nachdem die Würfel gegen einen Weiterbau nach seinen Plänen gefallen waren: „Die Stiftung war immer gegen unser Projekt, aber sie hat das nie zugegeben.“ Zumthor wusste auch einen einleuchtenden Grund: „In den politischen Verhandlungen haben die Verantwortlichen immer für den prämierten Wettbewerbsentwurf gestimmt, weil sie fürchteten, dass sie sonst gar nichts bekommen.“

Genau das war das Dilemma der Stiftungs-Verantwortlichen, vor allem des unermüdlichen ersten Direktors Reinhard Rürup. Die Bauverwaltung, an der Spitze Senatsbaudirektor Stimmann, wollte den baukünstlerischen Geniestreich Zumthors. Als dessen Projekt an den technischen Schwierigkeiten vollends zu scheitern drohte, setzte Rürup, in Sorge um die Existenz der Stiftung, im März 2004 mit seinem Rücktritt ein deutliches Zeichen. „Die Politik muss sich endlich dazu durchringen, diesem Projekt eine Priorität einzuräumen, die man dem Jüdischen Museum und dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas zugestanden hat“, mahnte der renommierte Historiker Rürup damals im Tagesspiegel. „Die Dinge kommen aus dem Gleichgewicht, wenn die Frage nach den Tätern und nach der Gesellschaft, in der diese Taten möglich waren, ausgeklammert wird.“

Es war diese Trias, auf die Rürup zielte: Daniel Libeskinds Museum des jüdischen Lebens in Deutschland, Peter Eisenmans Mahnmal für die ermordeten Juden Europas und ein Informationsort über die Täter auf dem Gelände der Täter. Dieses Konzept dreier Erinnerungsorte existierte nicht von Anfang an. Die Topographie entstand jedoch aus der Notwendigkeit, einen vom vollständigen Verschwinden bedrohten authentischen Ort zu bewahren, parallel zur komplizierten Gründung des Jüdischen Museums und der dezidiert politischen Entscheidung für das HolocaustMahnmal. Als sich diese Trias abzeichnete, noch dazu nach Plänen dreier international renommierter Architekten, erschien sie vollkommen stimmig. Das Jüdische Museum ist kein Gedenkort für die Ermordeten, das Mahnmal kein Informationsort über die Täter, und die Topographie nicht auf die Verbrechen an Juden beschränkt. Sie ergänzen einander. Am Ort der Topographie wird der Holocaust zur konkreten Erfahrung, zur Annäherung an die Täter mitten in Berlin.

Das angrenzende Reststück der DDR-Mauer und das als Bundesministerium genutzte einstige NS-Luftfahrtministerium gleich gegenüber macht den Ort erst recht einzigartig: Hier ist die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts wie in einem Brennglas gefasst. Und der GropiusBau nebenan, Zeugnis des 19. Jahrhunderts und Ausstellungshaus für Kunst und Kulturgeschichte – er beherbergt das Schöne gleich neben dem Schrecken.

Hier im Gropius-Bau wurde anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins 1987 die Ausstellung „Berlin, Berlin“ präsentiert. Sie gab in all ihrer Opulenz den Anstoß, das benachbarte Prinz-Albrecht-Gelände vor Vergessen und Überformung zu bewahren. Und da steht er nun, der Neubau: ohne das Pathos, das Zumthors strengem Entwurf eigen war, sondern mit jener Nüchternheit des Historikers, der – nach Rankes berühmtem Postulat – berichtet, „wie es eigentlich gewesen ist“.

Chronik

Ein langer Weg: Über 20 Jahre dauerte die Fertigstellung der Topographie des Terrors.
1987 wird eine provisorische Ausstellung zur 750-Jahrfeier Berlins eröffnet.
1992 wird das Projekt als Stiftung organisiert.
1993 wird der Wettbewerb für ein festes Gebäude veranstaltet.
2004 wird der Bau eingestellt: Der Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor erweist sich als zu kostspielig – trotz eines auf 38 Millionen Euro verdoppelten Etats.
2005 gewinnt Ursula Wilms den zweiten Architektenwettbewerb. Ihr Entwurf wird für knapp 20 Millionen Euro realisiert.

Am 6. Mai 2010 wird die neue Topographie von Bundespräsident Horst Köhler eröffnet.

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