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Kultur: Die Verwandlung des Alltäglichen: Vogt + Weizenegger machen aus gewöhnlichen Dingen Ungewöhnliches

Seit sieben Jahren arbeiten die Berliner Designer Oliver Vogt und Hermann Weizenegger zusammen. Ihr Arbeitsfeld ist weit gefasst.

Seit sieben Jahren arbeiten die Berliner Designer Oliver Vogt und Hermann Weizenegger zusammen. Ihr Arbeitsfeld ist weit gefasst. Sie machen sowohl Innenarchitektur, als auch Grafik- und klassisches Produktdesign. Bekannt wurden sie 1993 mit ihrem Projekt der "Familie Blaupause". Statt des fertigen Objekts bekamen die Kunden eine Bauanleitung und einen Einkaufszettel und konnten selbst an der Entstehung ihrer Möbel mitwirken.

"Vogt + Weizenegger" verfremden und verschärfen mit ihren Entwürfen Gewohntes, entlocken den alltäglichen Dingen neues Leben. Für sie scheint Design immer auch ein Prozess, ein Schritt der Verwandlung und nicht zuletzt eine Neudefinition traditioneller Produktionsverfahren zu sein.

Vielen ihrer Arbeiten ist eine Prise Zufälligkeit beigemischt, der spontan beiläufige Geistesblitz. So auch der Entstehungsgeschichte von "DIM - Die Imaginäre Manufaktur", einem ihrer bekanntesten Projekte, das sie seit zwei Jahren gemeinsam mit der Blindenanstalt in Kreuzberg ( www.BLINDENANSTALT.DE ) realisieren. Die seit über hundert Jahren bestehende gemeinnützige Institution für Haushaltswaren, die Bürsten und Korbwaren herstellt, hatte damals als erstes Signal einer Verkaufskrise die Preise reduziert. Und die beiden Designer wurden aufmerksam. "Vogt + Weizenegger" animierten Designschüler, Produkte zu entwerfen, die in der Blindenanstalt nach alter Tradition hergestellt und im Laden neben den Bürsten- und Peddigrohr-Klassikern in der Oranienstraße verkauft werden sollten.

Die DIM-Kollektion umfasst Gebrauchsgegenstände, die zwischen Entfremdung und Konkretisierung jonglieren und inzwischen selbst in Japan Begeisterung hervorrufen. Zum Beispiel die Taschenbürsten in Gestalt eines alten Haustürschlüssels, der statt des üblichen Schlüsselbarts Bürsten hat; das struppige Ei-Nest; das borstige Schmuckkästchen oder der praktische Handfeger für Linkshänder, den "Vogt + Weizenegger" entwarfen. "Mittlerweile ist DIM eine europäische Bewegung", meint Oliver Vogt. Designer aus Frankreich, Portugal, Schweden beteiligen sich an dem international ausgezeichneten Projekt.

So wie bei DIM arbeitet das Designer-Duo auch bei anderen Projekten mit traditionellen Manufakturen zusammen. Gemeinsam mit acht Kollegen wie Konstantin Grcic oder Hauke Murken entwarfen sie 1996 eine Serie von schlichten Haushaltsartikeln für einen Berliner Betrieb für Laborporzellan. "Smart China, the high touch of lowtech porcelain" nennt sich die Kollektion aus dem schweren, weißen Porzellan. Werner Aisslinger gestaltete eine Zitronenpresse, die auf jedes Glas passt, und "Vogt + Weizenegger" eine kantig schöne Butterdose und eine Leuchte, die an einen Starkstromisolator erinnert. Die beiden Designer zeigen, dass neuartige Einfälle auch - und gerade - bei Beachtung notwendiger Produktionsparameter entstehen können.

Bei "Pure Glass", einer weiteren Haushaltsartikel-Kollektion von "Vogt + Weizenegger", die aus dem hitzebeständigen Laborglas Borosilikat in der legendären Fabrik in Jena produziert wird, wo bereits Wilhelm Wagenfeld in den dreißiger Jahren seine Entwürfe fertigen ließ, ist die funktionale Herkunft nicht unbedingt auszumachen. Das Designer-Duo entwickelte aus einer durch die Anforderungen der Massenproduktion bedingten Grundform eine Serie von Gebrauchsgegenständen, die vom Marmeladenglas, Zuckerstreuer bis hin zur Deckenlampe reicht und sich zwischen reduzierter Strenge und Verspieltheit bewegt.

Sowohl "Smart China" als auch "Pure Glass" werden von der Firma "Authentics" vertrieben. Mit dem schwäbischen Hausratshersteller, der Ende der achtziger Jahre mit seinen Produkten aus transparentem Kunststoff bekannt wurde und eine neue Generation von Autorendesign ins Leben gerufen hat, verbindet die Designer eine enge Zusammenarbeit. Ihr erstes Produkt für "Authentics" war 1996 eine Wäscheklammer aus Kunststoff in Strichmännchen-Form, die ohne Federmechanismus auskommt. Ähnlich kurios und charmant ist der Postkartenhalter aus Kunststoff. "Auch so ein Projekt, das wir aus unserem täglichen Alltag entwickelt haben, weil wir viele Karten sammeln", meint Oliver Vogt.

In dem neu eröffneten "Authenics"-Laden in Berlin-Mitte (Neue Schönhauser Straße 19), den "Vogt + Weizenegger" gestalteten, sind zurzeit im Rahmen einer Ausstellung Möbelentwürfe des Designer-Duos zu sehen. Etwa das reduzierte "Regalsystem 1-2-3", das aus drei Grundelementen - Aluminiumstreben, Fuß und Schichtholzbrettern - besteht, sich flexibel variieren und einfach zusammenbauen lässt. "Sir Woodlight" nennt sich ihre Stehlampe, die sie für die englische Firma "Babylon" konzipierten. Der Lampenschirm besteht aus einem rotierten Schichtholzkörper aus amerikanischem Nussbaum, der auf dünnen Edelstahlbeinen steht. Die Designer haben das Schirm-Standfuß-Prinzip umgedreht, mit dem Effekt, dass die Lampen mit dem schweren Schirm dennoch so leicht aussehen, als würden sie schweben.

Wie weit gefasst das Arbeitsfeld des jungen Designer-Duos ist, beweist ihr neuestes Projekt in der Textilbranche. Für die deutsche Handtuchmarke "Möve" erarbeiten sie seit einem Jahr ein Markenrelaunch, entwickeln vom Shop-System bis zur Produktpalette ein neues Markenkonzept. Speziell zum Thema "Strandtuch" animierten sie zehn Gestalter - Architekten, Landschaftsarchitekten, Modemacher, Designer und die Künstlergruppe "STYLEGAMES.NET" -, sich die gewebte Fläche Frottee vorzunehmen, neu zu gestalten. "Das Handtuch als Kommunikationsmedium", meint Hermann Weizenegger, "nicht nur als Dekoration". Das Ergebnis des Projekts: Das etwas andere Handtuch. Es ist unter dem Motto "going to the beach" bis Ende August in der "Authentics" Galerie zu sehen.

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