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Der Anwalt und Mediator Kenneth Feinberg, Protagonist von "Playing God".

© Real Fiction

Dokumentarfilm „Playing God“: Der Wert eines Menschenlebens

Erhellend: Karin Jurschicks Dokumentation „Playing God“ über einen Anwalt, der für die US-Regierung Opfer von Anschlägen und Katastrophen entschädigt.

Das US- Entschädigungswesen mit seinen gigantischen Schadensersatzklagen ist hierzulande ein Mythos. Weniger bekannt ist, dass ein einziger Mann als Entscheider hinten den bedeutendsten dieser Fälle steht: Der Anwalt und Mediator Kenneth Feinberg wurde 2001 von George Bush eingesetzt, um aus einem eigens angelegten Fonds die Hinterbliebenen und Opfer des Anschlags vom 11. September möglichst gerecht zu bedienen. Dann handelte er ( ehrenamtlich) den 20-Milliarden-Dollar-Deal zwischen BP und den Geschädigten der Brandkatastrophe auf der Bohrinsel Deepwater Horizon aus. Er entschädigte die Opfer von Amokläufen und des Marathon-Attentäters in Boston. Mit über 70 Jahren reist er immer noch als Berater des Justizministeriums durch die USA , um eine praktikable Lösung für die durch Fonds-Manager verursachten Verluste Millionen amerikanischer Pensionäre zu finden.

Feinberg ist der zentrale Protagonist in Karin Jurschicks Dokumentarfilm „Playing God“. Ein klug gewählter Held, weil sich an seiner Tätigkeit beispielhaft die Probleme ethischen Handelns zwischen rechtsstaatlichen Vorgaben und kapitalistischer Logik aufzeigen lassen. Der Wert eines Menschen bemisst sich im von Kongress und Justiz vorgegebenen Entschädigungsverfahren an dem, was der Verstorbene in seinem Restleben an Einkommen hätte verdienen können. Die Erben eines im Dienst getöteten Feuerwehrmanns kommen nach diesen Vorgaben zum Beispiel nicht gut weg. Feinberg ist sich dieser grausamen Dilemmata nicht nur bewusst, er kann sie – auch mit der entsprechende Härte – einprägsam formulieren. Und er scheut die Konfrontation mit den entrüsteten Angehörigen nicht. Zum Ausgleich ballert er sich nach Feierabend zu Hause mit Opern im XXL-Sound zu.

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Die Regisseurin ist erfahren genug, um sich von Feinbergs Charisma nicht einwickeln zu lassen. So bekommen im Film neben dem Mediator auch seine zornigen Klienten eine Stimme: Menschen, die Feinbergs Methoden kritisieren. Ob zu Recht oder Unrecht, will Jurschick nicht beantworten. Ihr gelingt, ganz ohne Kommentar, aber mit überflüssigem Musikeinsatz, stattdessen etwas viel Wichtigeres: Über die rein filmische Auseinandersetzung mit einem oberflächlich betrachtet trockenen Stoff zentrale Fragen zu den Prinzipien unserer Gesellschaft zu stellen. Eine erhellende und mitreißende dokumentarische Reise in die Abgründe institutioneller Vernunft.

Läuft in Brotfabrik, Filmkunst 66, fsk, Hackesche Höfe, Tilsiter Lichtspiele (Omu)

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