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Missmut als Machtmittel. Donald Trump bei der Pressekonferenz am 16. Februar 2017 im Weißen Haus.

© dpa

Donald Trump: Regieren mit der Macht der schlechten Laune

Bittermiene und Ausraster: Donald Trump zeigt im Weißen Haus die wankelmütige Maske der Despoten und Diktatoren. Was seine Politik der Angst anrichten könnte.

Nach seinem Traumjob befragt, meinte Donald Trump einmal, dass er gerne Chef des Hollywoodstudios MGM geworden wäre, in den 30er und 40er Jahren, als man als Direktor noch die „Kontrolle“ darüber besaß, ob eine Geschichte über die Alkoholsucht eines Stars publik gemacht oder unterdrückt wurde. „Tremendous power“, nannte er diese Möglichkeit, über Informationen zu herrschen.

Warum hatte Donald Trump dann aber schlechte Laune, als er den Gipfel an Machtvollkommenheit erreichte? Bei der Amtseinführung vor dem Kapitol trat er mit einem so verdrossenen Gesichtsausdruck vor die Massen, als wäre es der mieseste Tag seines Lebens. Die Mundwinkel mürrisch nach unten gezogen. Die Augen verkniffen, schmale Schlitze. Harte Kiefermuskeln, unbeweglich wie Stein. Er triumphierte nicht und versöhnte nicht. Er ging auf in einer Geste der Ablehnung.

Trumps Antrittsrede wird längst als historische Wende betrachtet. Vor dem Kapitol präsentierte er sich wie einer jener Volkstribune des antiken Rom, die ihre Gefolgschaft in den Bordellvierteln der Stadt gesammelt hatten und sich als Gegenmacht zum Senat aufspielten. Trump versprach dem Volk, die Eliten wegzuräumen, die in diesem Augenblick um ihn versammelt reglos zuhörten. Das war eines Clodius’ würdig. Nicht nur, dass seine Worte den Graben weiter aufrissen, der ihn ins Amt geführt hatte. Er tat es mit einer Visage des Ingrimms – er schien es persönlich zu nehmen.

Napoleon, Mussolini, Hitler, Churchill, Nixon: Missmut als Machtprinzip

Man kennt den Typus des sauertöpfischen Machtmenschen seit Napoleon, Mussolini, Hitler, Churchill, Nixon. Missmut als Machtprinzip – die meisten scheiterten kolossal an dem Chaos, das ihre demonstrative Übellaunigkeit verbreitete. Mit wachsender Besorgnis werden deshalb die Gemütszustände des neuen US-Präsidenten gedeutet. Er sei ein narzisstischer Borderliner, heißt es, zeige Merkmale einer Persönlichkeitsstörung. Die Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit gehen so weit zu glauben, dass er nicht lesen könne. Seine sich ständig ändernden Positionen verlangen danach, den mächtigsten Mann der Welt emotional zu entschlüsseln.

Schon im Sommer hatte Robert De Niro auf die Parallele von Trump und Travis Bickle, seinem Helden aus „Taxi Driver“ hingewiesen. Es sei ein Ausbund an Ironie, sagte er vor Festivalbesuchern in Sarajewo, dass der von ihm gespielte Vietnam-Veteran am Ende des Films dafür gefeiert werde, „den Abschaum“ der Straße, die Dealer und Zuhälter, beseitigt und ein Blutbad angerichtet zu haben. Es war ein barbarischer Akt. Aber seit Bickle an der Militärjacke mit einem „We are the People“-Button herumstolzierte, fühlte er sich dazu autorisiert.

Der Hollywood-Tycoon und der Amokläufer stehen an entgegengesetzten Enden derselben Realitätsmodulation. Beide überwölben die Welt, wie sie nicht sein sollte, mit ihren Fiktionen. Im einen Fall kommt die Traumfabrik des Kinos dabei heraus, im anderen Terror.

Trump trägt die Züge von beidem in sich. Heute weiß er, nicht einmal ein US-Präsident hat den Einfluss, unliebsame Stories ungeschehen zu machen – mag Trump die Presse auch noch so vehement als „Feind des Volkes“ verunglimpfen.

Er ist ein Rebell, der nach der Macht gegriffen hat, was ein Ur-Topos der amerikanischen Gesellschaft ist und vielleicht das einzige genuin Grandiose an ihrer Kultur. Denn nur in einem „Land der Freiheit“, wie die USA es zu sein beanspruchen, ist der Rebell eine wahrhaft falsche Figur, eine archaische Erschütterung, die viel mehr als bloß soziale Ungerechtigkeiten korrigiert. Der amerikanische Rebell nimmt sich ein Recht heraus, das es nicht gibt. Allenfalls in seinem Ego. Mit etwas Glück wiegt die Zustimmung der Gemeinschaft seine Taten nachträglich auf – und rettet ihn wie in „Taxi Driver“ davor, bloß ein armer Irrer zu sein.

Auf der Suche nach den Quellen von Trumps Selbstverständnis landet man also nicht automatisch bei Hitler. Trotzdem wird Trumps politischer Aufstieg immer öfter mit dem des nationalsozialistischen Diktators verglichen. Solche Parallelen sind problematisch. Andererseits ist Trump wie Hitler ins Amt gelangt, indem er dem Volk eine „Bewegung“, einen ökonomischen Protektionismus und die Entmachtung der parlamentarischen Eliten versprach. Vor allem aber, indem er sich geschickt neuer Medien bediente. Hitler setzte auf den Rundfunk, Trump nutzt Twitter.

Der Duce war berühmt für seine demonstrative Übellaunigkeit. Selbst in der Stunde der Machtübernahme ging er in der Pose des Grimmigen auf.
Der Duce war berühmt für seine demonstrative Übellaunigkeit. Selbst in der Stunde der Machtübernahme ging er in der Pose des Grimmigen auf.

© picture alliance / AP Images

Wie gut man persönlichen Groll in eine politische Waffe umschmieden kann, zeigen Hitlers Ansprachen. Er pflegte sie mit mürrisch vergrübelter Miene zu beginnen. Dasselbe am 10. Februar 1933 im Berliner Sportpalast, wenige Tage nach seiner Machtergreifung. Langsam, stockend reihte er die Worte aneinander. Machte quälend lange Pausen. Mit schnarrender Stimme zeichnete er den Kraftakt nach, den es ihn gekostet hatte, in den Glanz dieser Stunde zu treten. Er lächelte nicht, sah nur finster drein. Irgendwann brach sich der ganze zurückgehaltene Zorn Bahn in einem Geschrei, das einem Zeitgenossen wie Thomas Mann lächerlich gespreizt vorkam und Kurt Tucholsky zu sagen veranlasste: „Den Mann gibt es gar nicht; er ist nur der Lärm, den er verursacht.“

Hitler rastete also aus. Ein Überfall an Übellaunigkeit und Kränkung. Und jeder, der Zeuge davon wurde, wünschte sich, dass der Mann sich bloß wieder beruhigen würde.

Das ist der dunkle Trick der schlechten Laune: dass andere an ihr schuld sein sollen. Das lässt das Publikum in seinem Harmoniebedürfnis nach einem Mittel suchen, das den Zorn des Patriarchen besänftigt. Es will wettmachen, was es angerichtet hat. Koste es, was es wolle.

„Menschen sind zu gutgläubig“, glaubt Trump

„Für mich ist alles im Leben ein psychologisches Spiel“, hat Donald Trump 1990 dem „Playboy“ gestanden. „Ich bin ein sehr misstrauischer Kerl, studiere Menschen die ganze Zeit. Denn leider sorgt jeder nur für sich selbst. Das geschieht zum Vorteile vieler, auch zu meinem eigenen. Aber würden die Leute, die dir den Hintern küssen, anrufen, wenn es nicht so gut läuft? Mir gefällt es, Freundschaften auf die Probe zu stellen.“

Man soll sich seiner nie sicher sein. Was Donald Trump für sich selbst in Anspruch nimmt, lässt er auch andere spüren und hat seine Fertigkeiten in der Castingshow „The Apprentice“ jahrelang verfeinert als er Kandidaten aussortierte, die sich bei ihm als Führungskräfte bewarben. Er übte die Politik der Angst als öffentliches Einschüchterungsspektakel. Als eine Bewerberin für einen bereits angezählten Konkurrenten Partei ergriff, um dessen Rauswurf zu verhindern, platzte Trump über „so viel eigene Blödheit“ der Kragen – und er schmiss sie aus der Runde. Und als ein andermal zwei Frauen desselben Teams in einen fruchtbaren Streit gerieten, knöpfte sich Trump den Mann in ihrer Mitte vor: „Ich will niemanden in meiner Firma haben, der auf diese Weise zur Schnecke gemacht wird.“ Er ließ einem großgewachsenen leutseligen Kerl auch nicht durchgehen, dass dieser sich scherzhaft als „weißer Abschaum“ bezeichnete. Ein schreckliches Wort, meinte er.

Trump machte mit Schwäche kurzen Prozess. „Menschen sind zu gutgläubig“, sagte er einmal, sein älterer Bruder sei das auch gewesen und oft ausgenutzt worden. Er starb früh an den Folgen eines Trinkerlebens. „Sein Schicksal hat mich gelehrt, ständig auf der Hut zu sein und härter zurückzuschlagen als irgendjemand sonst.“

In seinem Buch „Nicht kleckern, klotzen“ ging Donald Trump sogar soweit, Führungskräften ein gehöriges Maß an Rachegelüsten zu empfehlen. Er bezog sich dabei auf den Fall einer Mitarbeiterin, die er eingestellt und als Immobilienmaklerin aufgebaut hatte. Als er in finanzielle Not geriet und die Frau bat, sich für ihn bei einem mit ihr befreundeten Banker einzusetzen, wies sie dieses Ansinnen als unangemessen zurück. Worauf er sie feuerte.

Der Rachefeldzug gegen eine Mitarbeiterin

Interessant daran ist, dass die Welt durch Trump selbst davon erfuhr. Er ließ die Öffentlichkeit an seinen Rachegelüsten teilhaben. Als er erfuhr, dass seine frühere Mitarbeiterin mit einem eigenen Immobilienunternehmen pleite gegangen war, freute er sich. „Am Ende verlor sie ihr Haus. Ihr Mann, der nur hinter ihrem Geld her gewesen war, verließ sie, und das war mir eine echte Genugtuung.“ Die Botschaft lautete: Hütet euch vor meinem Jähzorn. „Ich vertrage einfach keine Illoyalität … und heute tue ich alles, um ihr das Leben zu vergällen.“

Für den Schriftsteller Volker Elis Pilgrim ist eine solche übertrieben männliches Gebaren für „Muttersöhne“ symptomatisch, die sich aus der umarmenden Bindung zur Mutter nicht befreit haben und von ihr erdrückt zu werden drohen. Beinahe sämtliche Despoten von Richard Wagner bis Mao wuchsen vaterlos auf. „Männlich kann er nicht werden; und wie er das Weibliche in sich auslöscht, muss er ein Leben lang zeigen“, schreibt Pilgrim.

Trump war ein Vatersohn. Jedenfalls stellte er es so dar, wenn er über Fred C. Trump den erhellenden Satz sagte, dass er von ihm „stets sehr geschätzt“ worden sei. Doch war diese Verehrung („He adored Donald Trump“) an Bedingungen gekoppelt. Konkurrenz spielte in der Familie eine große Rolle. Sie forderte Opfer. Während Donald, der Zweitgeborene, prächtig gedieh unter der fordernden Strenge des Vaters und den Konkurrenzkampf annahm, den der ihm aufzwang, wurde sein ältester Bruder aufgerieben.

Der Patriarch mit Bittermiene

Wie in dieser Familie alle Mitglieder jederzeit gewappnet sein müssen, von den anderen übers Ohr gehauen zu werden, falls sich die Aussicht auf einen guten Deal ergibt, so hat Trump auch seine Regierungsmannschaft aus Leuten zusammengestellt, die einander bekämpfen und ihrer nie sicher sein können. Und der Patriarch im Oval Office regiert mit einer Bittermiene, die wie alle Gesichter das Ergebnis jahrelanger Erfolge ist. Sein übellauniger Gesichtsausdruck ist nichts als die Maske des harten Verhandlers, mit der er durchgekommen ist. Deshalb spielt es auch keine Rolle, ob es um sein Inneres ebenso bestellt ist.

Es kursiert ein Videomitschnitt von einem Treffen Trumps mit Sheriffs im Weißen Haus. Darin berichtet ein Gesetzeshüter über den Disput, den er mit einem texanischen Senator über die Frage hatte, ob es legitim sei, verdächtige Kriminelle zu enteignen, statt sie bloß einzusperren. Der Politiker meinte, diese Praxis, die auf die Zerstörung der bürgerlichen Existenz hinausläuft, gehe zu weit, worauf der Sheriff entgegnet haben will, dass die Drogenkartelle ihm in Mexiko dafür ein Denkmal errichten würden. Da will Trump wissen, wer der Senator gewesen sei. Ob der Sheriff ihm den Namen sagen könne, und er fügt trocken hinzu: „Wir zerstören seine Karriere.“ Trump schmunzelt im Gelächter, das über den vermeintlichen „Scherz“ ausbricht. Aber es ist, wenn überhaupt, einer jener Witze auf Kosten Dritter, die als Drohung im Raum stehen bleiben.

Der schlimmste von allen US-Rebellen ist Ahab, der Walfänger

Sicher, dieser Effekt nutzt sich ab. Schon der Sheriff ist rechtschaffen genug, den Namen seines Senators in dem Moment nicht preiszugeben. Aber wohin die Politik der Einschüchterung führen kann, davon zeugt das Beispiel des wohl unheimlichsten Racheengels unter den amerikanischen Helden: des furchtlos-unversöhnlichen Walfängers Ahab. Er verkörpert mehr als jeder andere den Anspruch auf Selbstermächtigung im Zorn.

Jede Autorität, sogar die des Meeres, betrachtet Ahab als wider ihn gerichtete Arglist und bietet ihr die Stirn. Er will den weißen Wal zur Strecke bringen, der ihm das Bein abgebissen hat. Auf den Einwand seines Ersten Steuermanns Starbuck, „Wut haben auf etwas, das keinen Verstand hat, Sir, das ist Frevel“, antwortet der zürnende Kapitän der Pequod mit einem wüsten Wortschwall, einer Verwünschung des „Unbekannten“, das hinter allem stehe, weil es nichts Gesichertes gebe auf der Welt. „Dies Unerklärliche ist mir vor allem verhasst… Und hätte die Sonne mich beschimpft, auf die Sonne ginge ich los.“ Und seine Mannschaft, die, wie Hermann Melville schreibt, „aus heimatlosen Seelen, aus Verfemten und Kannibalen bestand und an dem hilflos anständigen Starbuck … keinen Halt hatte“, folgt Ahab’s „Titanenzorn“ in den Untergang.

Warum sie das tut? Melville wusste darauf keine Antwort. Ahab hatte sämtliche Autoritäten zerschlagen, seine eigene war als einzige übriggeblieben. Schlechte Laune ist immer unmoralisch.

Und es ist nicht wirklich ein Trost, dass der Preis, den der Rebell für sein Wüten in den Roman- und Kinoklassikern zu entrichten pflegte, hoch war, aber es seit Martin Scorseses „Taxis Driver“ nicht mehr ist. Er kommt mittlerweile ungeschoren davon, während er früher mit in den Abgrund gerissen wurde - weil im amerikanischen Selbstverständnis die eine Barriere intakt war, die in der Anfechtung der Freiheit ein letztes ungeheuerliches Verbrechen erkannte, das bestraft werden musste.

Heute steht „American Psycho“ für den zeitgenössischen Rebellentypus'. Der US-Schriftsteller Bret Easton Ellis erfand ihn am Ende der Reagan-Ära und ließ den Wallstreet-Mann mordend durch die Stadt ziehen. Schon seine Zeitgenossen halten die Bösartigkeit des Dandy-Killers einfach nicht mehr für wahr, weil das mit der Wahrheit zu schwierig geworden ist.

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