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Kultur: "Ein bosnisches Mädchen": Den Vergewaltigern einen Namen geben - das Schicksal der Bosnierin Leila

Auf sie spritzte das Blut, als die Männer ihre Freundin und weitere Mitgefangene erschossen. Sie kauerte in einem Kellerloch,und die Soldaten urinierten auf sie, nachdem sie sie immer wieder vergewaltigt hatten.

Auf sie spritzte das Blut, als die Männer ihre Freundin und weitere Mitgefangene erschossen. Sie kauerte in einem Kellerloch,und die Soldaten urinierten auf sie, nachdem sie sie immer wieder vergewaltigt hatten. Leila spürte nicht mehr viel, sie starb bereit mit 15 Jahren.

Doch ihr Sterben nahm kein Ende - als sie es herbeisehnte nicht und auch nicht, als das Überleben ihr gleichgültig geworden war. Krieg, Terror, Mord, Folter, Trauma - Worte, die nur andeuten, was das Leben für Leila während des Bosnienkrieges (1992-1995) in Vergewaltigungslagern, Bordellen und Festungen der Milizionäre an Grausamkeiten bereitgehalten hat. Mit 17 Jahren wurde sie befreit, die letzten Monate bis Kriegsende verbrachte sie an der Front. Heute, mit 24 Jahren, hat sie ein Buch darüber schreiben lassen, aufgezeichnet aus den Protokollen ihrer Therapeuten. Allein hätte Leila es nicht formulieren können. Ihre Geschichte macht sprachlos. Der Leser wird um Fassung ringen. Und ahnen, dass die Nacht der Vergangenheit Leilas Seele nie loslassen wird.

Bosnien: Systematisch hatten alle Kriegsparteien vorwiegend moslemische Frauen in Vergewaltigungslagern missbraucht. Das kostete nichts, demütigte den Feind und war ungefährlich für die Täter, weil kaum eine Moslemin davon sprach - aus Angst, von ihrer Familie verstoßen zu werden. Vergewaltigung als Kriegsstrategie, als Teil der Politik. Für Leila macht die ethnische Zugehörigkeit von Serben, Kroaten und bosnischen Moslems keinen Unterschied. Sie sah Bestien auf allen Seiten.

Verleumdet, verraten und an die Polizei ausgeliefert wurde sie von der eigenen Tante. Ihre ersten Peiniger waren Moslems wie sie, ihre Retter Serben, in deren Feldküche sie die letzten Kriegswochen an der Front erlebt. Von einem bekommt sie ein Kind und lebt mit ihm ein Jahr in der bosnischen Serbenrepublik. Was sie erlebt hat, ahnt er zwar; aber es überfordert ihn, damit umzugehen und ihr zu helfen.

Die meisten Opfer systematischer Vergewaltigungen schweigen bis heute. Nur wenige suchten nach dem Krieg medizinische und psychologische Hilfe. Viele Frauen haben Kinder, die sie mindestens bis zur Geburt hassten. Leila hatte den Mut und das Glück, ihr Schweigen mit Hilfe einer Psychologin zu beenden.

Das Buch hat Alexandra Cavelius geschrieben, eine Dokumentation mit biografischem Anspruch. Die Tagebuchaufzeichnungen von Leilas Mutter, die ihre Tochter jahrelang verzweifelt suchte, ordnen das nicht enden wollende Leid des Mädchens in die Kriegschronik ein. Bis Leila heimkehrt und erschöpft kollabiert.

In ihrem Buch nennt sie die Peiniger mit Namen, und zunächst fühlte sich Leila sogar stark genug, gegen sie vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag aussagen. Doch nachdem sie im Oktober vor einem bosnischen Gericht als Hauptzeugin aufgetreten war, wurde sie zusammengeschlagen. Nun schweigt sie wieder.

Claudia Lepping

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