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Heinz Berggruen 2007 in der Picasso-Ausstellung in seinem Museum.

© dpa

Reaktionen auf Berggruen-Biografie: "Ein denunziatorisches Werk"

Eine Biografie über Heinz Berggruen will den Ehrenbürger Berlins als Aufschneider und Schwindler entlarven. Ex-Kulturstaatsminister Michael Naumann findet in dem Buch antijüdische Klischees wieder. Ein Gastbeitrag.

Der Kunstsammler und Kunsthändler Heinz Berggruen (1914–2007) war in den späten neunziger Jahren nach Berlin zurückgekehrt, in seine Geburtsstadt, die er 1936 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten verlassen hatte. Im Jahr 2000 erwarben Bund und Land seine Sammlung und gründeten das Museum Berggruen in Charlottenburg. Heinz Berggruen ist Ehrenbürger Berlins. Nun will eine in einem Schweizer Verlag erschienene Biografie (Vivien Stein: „Heinz Berggruen. Leben & Legende“) den jüdischen Emigranten als Aufschneider und Schwindler entlarven. Die Sache schlägt Wellen. Hier gehen der frühere Staatsminister im Bundeskanzleramt Michael Naumann und Klaus-Dieter Lehmann, seinerzeit Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, auf den Fall ein, den die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Rezension des Buchs ein „Sittenstück“ nennt.

Den kleinen Zettel Gerhard Schröders, den mir sein Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier Ende des Jahres 2000 über den Kabinettstisch zuschob, besitze ich noch: „Du bekommst die Millionen.“ Genauer: Es waren 200 Millionen DM für den Erwerb der Sammlung Heinz Berggruen; hinzu kamen 53 Millionen DM aus Berliner Lottomitteln. So ging die erlesene Sammlung klassischer Moderne – vor allem Picasso, Matisse, Klee und Giacometti – in den Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über. Vergleichbares in ähnlicher Dichte und ästhetisch gleich hoher Qualität fand sich in keinem anderen deutschen Museum. Wer die Kunstwerke im Stülerbau in Charlottenburg anschaut, blickt zugleich in die Geschichte seines Sammlers mit einem schier absoluten Geschmack.

Geschätzt war der Gesamtwert seinerzeit auf rund eine Milliarde Mark. Angesichts der gegenwärtigen Preisexplosionen auf dem Kunstmarkt darf man inzwischen Euros in gleicher Höhe ansetzen. Vertraglich vom Kauf ausgeschlossen waren mehrere Bilder Cézannes und van Goghs, die Berggruen später versteigerte – mit dem Erlös ergänzte er unter anderem die Berliner Sammlung. Der Rest des Geldes ging an seine vier Kinder, unter ihnen der Kunsthistoriker Olivier Berggruen und der Investor (und spätere Karstadt-Besitzer) Nicolas Berggruen.

Vier Jahre nach seinem Tod glaubt eine Autorin namens Vivien Stein herausgefunden zu haben, dass Heinz Berggruen ein lebenslanger Steuervermeider gewesen sei, dem man allerdings nichts nachweisen konnte. Ihr denunziatorisches Werk, erschienen in einem Verlag namens „Edition Alpenblick“ in Zürich, strotzt von Insinuationen. So sei Berggruens Schenkung von Klee-Bildern an New Yorks Metropolitan Museum wohl eher eine Art Steuernachzahlung gewesen. Wohl eher nicht: New Yorks Steuergerichtsbarkeit ist mit Dotationen nicht zu erweichen. Beweise führt die Autorin nicht an. In Deutschland hingegen habe Berggruen „die Judenkarte“ gezogen. Es war aber die Picasso-Karte.

Eine auffällig unangenehme Rolle in ihrem Buch spielt der Verweis auf das Judentum des Sammlers. In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 12./13. November ging der Rezensent Stephan Speicher einen Schritt weiter: „Das Sittenstück Berggruen“ – ja, das „Sittenstück“ – „ist es wert, betrachtet zu werden. Merkwürdig, dass ein Jude, der sich in Amerika, Frankreich, England und der Schweiz nie als solcher verstanden hatte, mit einem Mal zum Repräsentanten der historischen Opfer wurde. Es war ihm nicht wohl dabei.“

Ob sich ein Deutscher, der 1936 seiner mörderischen rassistischen Heimat entflieht, als Jude – und zwar als verfolgter Jude – gefühlt hat oder nicht, spielt aber insofern keine Rolle, als es fast immer die Nichtjuden sind, die einem Juden erklären, wer er sei. Und normalerweise ist dem Betroffenen niemals „wohl dabei,“ ob in Amerika oder in Deutschland

Was also soll das Buch bewirken? Ein Zeuge der Autorin ist der von ihr geschätzte Berliner Kunsthändler Bernd Schultz. Als sich Heinz Berggruen seinerzeit entschloss, nicht ihn, sondern ein anderes Auktionshaus mit der Versteigerung jener Cézannes und van Goghs zu beauftragen, verschickte Schultz einen unerhörten und üblen Brief an Berliner Freunde und Bekannte, in dem er Berggruen der Geschäftemacherei beschuldigte – wohl, weil er das Geschäft nicht selbst betreiben konnte. Später, in der berühmten Restitutionsdebatte um das Berliner Kirchner-Bild, durfte man einen Artikel aus seiner Feder in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ lesen: „Sie sagen Holocaust und meinen Geld.“ Nicht viel anders sieht das die „SZ“: „Der Kunstsammler und Weltbürger Heinz Berggruen wurde als Integrationsfigur der Berliner Republik verehrt. Aber er hat im Grunde immer seine eigenen Geschäfte verfolgt.“

Dieses „Aber“ hat es in sich. Soll wohl heißen: Ja, so sind sie eben, im Grunde, die Juden, und wenn man sie nicht daran hindert, machen sie immer weiter. Im Grunde. Am besten, man gibt den vier Erben die Sammlung Berggruen zurück. Allerdings zum Marktpreis, denn dumm sind wir auch nicht, wir kunstsinnigen, kunstschützenden und geschichtsverdrängenden Germanen.

Michael Naumann ist Chefredakteur von „Cicero“. Von 1998 bis Ende 2000 war er Staatsminister für Kultur im Kanzleramt.

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